Baustelle Elterngeld

  • Ab 1. Januar 2007 gibt es das neue "Elterngeld" - meist erheblich mehr als das bisherige Erziehungsgeld. Bei den Ämtern laufen die Telefone jetzt schon heiß - und die werdenden Eltern sind nicht nur wegen des nahenden Geburtstermins nervös.


    Glück gehabt: Es wird ein Januarkind, ganz knapp. Für Carsten H. und seine schwangere Freundin bedeutet es rund 500 Euro mehr im Monat, wenn ihr Töchterchen nach Silvester zur Welt kommt. Die beiden Berufstätigen werden voraussichtlich zu den ersten gehören, die das neue Elterngeld bekommen. Soviel wissen sie zumindest.


    Eigene Recherche im Internet


    "Alles weitere ist noch etwas unklar", sagt Carsten H. "Beim zuständigen Amt wussten sie über die näheren Details bisher auch nicht so richtig Bescheid." Eigentlich möchte er bald nach der Geburt Vaterschaftsurlaub nehmen und sich um das Baby kümmern. Dazu hat er einige Fragen, die ihm aber bisher niemand vollständig beantworten konnte. "Die Beamten sind sehr bemüht", stellt der 33-Jährige fest, "aber bis jetzt wirkt das Thema Elterngeld noch ein bisschen wie eine Baustelle." Ein Faltblatt habe man ihm in die Hand gedrückt, "aber darin sind die wichtigsten Fragen noch nicht beantwortet." Nach einigem Suchen im Internet konnten die beiden werdenden Eltern immerhin ausrechnen, wie viel Geld ihnen zustehen wird.


    "Brennt den Leuten unter den Nägeln"


    Beantragt werden muss das neue Elterngeld bei den Versorgungsämtern. Dort sieht man dem Jahreswechsel noch mit einer gewissen Anspannung entgegen. Denn die Vorbereitungszeit war knapp: "Bis Anfang dieses Monats hingen wir ziemlich in der Luft", sagt Wilhelm Kirschbaum, Sprecher des Kölner Versorgungsamts. "Das Gesetz war noch nicht eindeutig formuliert, als die Nachricht darüber längst in den Zeitungen stand." Seit September schon laufen die Telefone im Versorgungsamt heiß. "Das Thema brennt den Leuten unter den Nägeln", hat Kirschbaum festgestellt, "für viele scheint das in der Planung des weiteren Berufslebens eine große Rolle zu spielen."


    Amtsmitarbeiter üben schon am Computerprogramm


    Inzwischen könne man den vielen Anrufern aber "zu 99 Prozent vollständige" Auskünfte geben, erklärt Kirschbaum optimistisch. Zwar ist die neue Computersoftware noch nicht fertig und die Infofaltblätter, die in vier Sprachen gedruckt werden, sind auch noch nicht da. Die 30 Mitarbeiter aber, die allein für das Elterngeld zuständig sein werden, seien inzwischen alle geschult. "Sie üben in jeder freien Minute an einer Übungsvariante des neuen Computerprogramms".


    Die große Herausforderung aber beginnt nach dem Jahreswechsel. "Es wird auf jeden Fall eine große Umstellung für uns werden", räumt Kirschbaum ein. "Wir werden zukünftig einen ganz anderen Personenkreis betreuen als bisher mit dem Erziehungsgeld". Mehr Arbeitnehmer-Paare werden das neue Geld beantragen, erwartet das Amt. Die Bearbeitungszeit der Anträge werde wohl länger ausfallen: Jeder Antragsteller muss seine Einkommensabrechnungen der letzten zwölf Monate vorlegen.


    Komplizierte Regeln


    Bisher sei das Erziehungsgeld "eine Art Aufwandsentschädigung" gewesen - maximal 300 Euro im Monat, zwei Jahre lang. Für Paare mit hohem Verdienst gab es gar keine Unterstützung. Das neue Elterngeld dagegen sei als Einkommensersatz gedacht, und die Regeln klingen kompliziert: 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens wird der Staat zukünftig jungen Eltern zahlen - maximal 1.800 Euro monatlich -, allerdings nur noch ein Jahr lang. Wer weniger als 1.000 Euro brutto verdient, bekommt mehr als 67 Prozent, Arbeitslose erhalten ein "Mindestelterngeld" von 300 Euro. Sonderregelungen zu Alleinerziehenden oder Vätermonaten machen das Verfahren zusätzlich kompliziert.


    Ärger über Stichtagsregelung


    In Diskussionsforen im Internet ist die Aufregung groß. Werdende Eltern versuchen, sich gegenseitig mit Informationen zu versorgen. Durch die Stichtagsregelung fühlen sich viele, deren Kind wohl schon vor Jahreswechsel zur Welt kommt, stark benachteiligt. So werden im Internet Mitstreiter für eine Klage beim Bundesverfassungsgericht gesucht. "Zutiefst ungerecht" sei die Stichtagregelung, klagt eine werdende Mutter, "ein paar Tage später wäre alles kein Problem: Lohnbescheinigung einreichen, Geld aufs Konto".


    Beim Versorgungsamt kommt nur wenig von dem Ärger an. "Es gibt auch schon mal Beschwerden über die Stichtagsregelung", berichtet Brigitte Geiping-Kahleyß, Leiterin des Dortmunder Versorgungsamts, "aber die meisten Anrufer wollen genau wissen, was sie zu erwarten haben, um ihre berufliche Planung machen zu können." Dabei hätten viele bereits selbst ausgerechnet, wie hoch der monatliche Betrag ist, der ihnen zusteht.


    Stand: 22.12.2006, 06:00 Uhr
    Quelle: wdr.de