Simon Kernick: Gnadenlos


  • „Kennen Sie das Gefühl, das einen manchmal beschleicht, wenn man in der Dunkelheit der frühen Morgenstunden erwacht und nicht ganz sicher ist, ob man träumt oder nicht?“


    Tom Meron ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Schreibtischjob als Leiter eines Teams von vier IT-Software-Vertriebsmitarbeitern. Seine Frau ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität. Nichts in seinem Leben ist besonders Aufsehen erregend. Es ist ein Leben wie das Leben von tausend anderen auch:


    „Wir haben nie etwas Unrechtes getan, bezahlen unsere Steuern und bemühen uns Schwierigkeiten aller Art zu vermeiden. Kurzum, wir sind wie alle anderen auch. Wie Sie.“


    Und doch gerät seine kleine beschauliche Welt an einem ganz gewöhnlichen Samstagnachmittag völlig aus den Fugen – während die Kinder im Garten spielen und im Fernseher ein Fußballspiel übertragen wird: Sein alter Schulfreund Jack Calley, ein erfolgreicher Rechtsanwalt aus London, ruft ihn an diesem Samstagnachmittag nach langer Zeit an. Er fleht panisch um Hilfe und es ist offensichtlich, dass er verfolgt wird. Schließlich wird Tom Meron am Telefon Zeuge der Ermordung seines Freundes. Kurz bevor Jack Calley stirbt, hört Tom Meron noch die letzten Worte, die sein Freund hervorstößt: Calley nennt seinem Mörder die ersten zwei Zeilen der Adresse der Merons. Dann ist die Leitung tot. Voller Angst und ohne weiteres Nachdenken flieht Tom Meron mit seinen beiden Kindern aus dem Haus. Er bringt in großer Eile seine beiden Kinder zu seiner Schwiegermutter und macht sich auf dem Weg zu seiner Frau, die diesen Nachmittag an der Universität verbringt. Dort trifft Tom Meron seine Frau aber nicht an. Auch telefonisch bleibt seine Frau für ihn nach all den Ereignissen - trotz zahlreicher Versuche - unerreichbar.


    Nun beginnt die eigentliche Geschichte: eine gnadenlose Hetzjagd, die zu einem mörderischen und temporeichen Wettlauf gegen die Zeit wird. Die Entwicklungen sind nicht vorhersehbar und die überraschenden Wendungen lassen die Spannung bis zur letzten Seite des Buches nicht erlahmen. Dies mag unter anderem an dem „Echtzeit-Gefühl“ während des Lesens liegen: der Großteil der Handlung ereignet sich an nur einem Wochenende.


    „Ich konnte nicht ahnen, dass dies nur der Anfang war. Es sollte noch schlimmer kommen. Viel schlimmer.“


    Glaubt man zu Beginn, dass die Geschichte etwas konstruiert wirkt, fügt sich im weiteren Verlauf der Handlung ein Puzzleteil zum anderen. Doch bis zum Schluss bleibt eine Frage offen: wem kann Tom Meron trauen und wem nicht?


    Mein Fazit: Das Finale der diesjährigen Europameisterschaft war ja wirklich nicht so berauschend. Da hat das Finale dieses Thrillers eindeutig mehr Spaß gemacht und doch viel Spannung gebracht. Eine ganz klare Empfehlung für die, die mal richtig „spannend entspannen“ wollen und nach einem Buch suchen, das man mal so „weglesen“, aber nicht wieder „weglegen“ kann. [Testleserin Anette Frisch]


    Simon Kernick: Gnadenlos
    Kartoniert | Thriller. Heyne | 396 Seiten | ISBN 978-3-453-43360-1 | 8.95 Euro