Neuerscheinungen - Rezis vom Spiegel

  • Alan Moore/J.H. Williams III - "Promethea"
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    Von 1999 bis 2004 gönnte sich Alan Moore, jüngst in den Ruhestand getretener Revolutionär des Mediums ("Watchmen", "From Hell"), den Luxus eines eigenen Comiclabels. Dort entstanden nicht nur die Abenteuer der "League of Extraordinary Gentlemen", sondern auch so eigenwillige Titel wie die Superhelden-Cop-Soap "Top 10" oder "Greyshirt", eine Hommage an Will Eisners "Spirit". Aus diesem Fundus ist "Promethea" die umfangreichste und persönlichste Arbeit. Ein Esoterik-Science-Fiction-Roman, in dem Moore seine ganz eigene Sicht der Welt vermittelt. Promethea ist keine Figur, sondern eine Idee, deren reale

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    Moore / Williams III / Gray


    Manifestationen über die Jahrhunderte Moore verfolgt. Als Sagengestalt, Comic-Heldin atemberaubende Kämpferin für Freiheit und Emanzipation. Eine Geschichte über Geschichten also, und eine über Magie. Unzählige Handlungsebenen, oft winzigste Parallelstränge, machen die Story zu einem komplexen intellektuellen Puzzlespiel. Das wäre sicher nur halb so spannend ohne die wunderbaren Zeichnungen von J.H. Williams, der den Leser mit ornamentaler Wucht, überbordendem Detailreichtum und einer guten Portion Kitsch bombardiert. "Promethea" ist eine skurril-poetische Melange von höchster erzählerischer Finesse, unnahbar und dennoch brillant. Stefan Pannor


    Speed Comics, 180 S., circa 20 Euro

  • Diverse - "Moga Mobo 100"


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    "Moga Mobo" ist das Wunder der deutschen Comicszene. Seit zehn Jahren gibt es die Fanzines, erst aus Stuttgart, später aus Berlin. Der Clou: Alle Ausgaben sind gratis, finanziert durch Werbung. Exakt einhundert Hefte sind es jetzt geworden. Wer sie alle hat, besitzt praktisch ein Who-is-Who der deutschen Comicszene. Kaum ein Zeichner von Rang und Namen, der noch nicht in "Moga Mobo" publiziert hat. Dafür gab es diverse Comicpreise, zuletzt vor zwei Jahren den "Max & Moritz" in Erlangen. Zum Jubiläum erschien jetzt eine extradicke Ausgabe mit über 100 Seiten. Schwerpunkt sind natürlich die Comics, die sich allesamt um die große Frage drehen, warum erwachsene Menschen eigentlich so viel Zeit mit Bildgeschichten verbringen. Zusätzlich gibt es eine Reihe nostalgischer Texte ehemaliger Mitarbeiter. Das ist abwechslungsreich und macht Spaß auf höchstem Niveau. Stefan Pannor


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    Moga Mobo, 112 S., erhältlich unter www.mogamobo.com

  • Seth - "Clyde Fans"/"Eigentlich ist das Leben schön"


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    Seths halb-autobiografischer Comicroman "Eigentlich ist das Leben schön", im Original bereits 1996 erschienen, ist fraglos einer der besten Comics des vergangenen Jahrzehnts. Der Kanadier berichtet darin von seiner jahrelangen Obsession für Kalo, einem vergessenen Cartoonisten der dreißiger Jahre, dessen Leben und Werk er in einer aufwändigen Suche nachspürt. Dabei geht es natürlich vor allem um eine Sinnsuche im eigenen Leben. Seth entwirft das Portrait eines Mannes, der aus Angst vor der Gegenwart in eine nostalgisch verklärte Vergangenheit flüchtet. Auch wenn es diesen ominösen Kalo nie gegeben hat, ist doch der Rest des Bandes ziemlich real: Seth,


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    Seth
    ewiger Nörgler mit Hang zur Misantrophie, inszeniert eine persönliche Nabelschau, die vor allem deshalb funktioniert, weil sie so unprätentiös ist. Immer wieder verlangsamt Seth die Geschichte und unterbricht sie durch Impressionen von Menschen und Landschaften. Das ist poetisch, von tiefer innerer Ruhe und bildet das nötige Gegengewicht zur Selbstinszenierung des Autors und Zeichners. Gleichzeitig zu diesem Band erschien der erste Band von Seths nicht weniger empfehlenswertem Comic-Roman "Clyde Fans", in dem er die Geschichte zweier ungleicher Brüder in den fünfziger Jahren erzählt. Stefan Pannor



    Edition 52, 200 S., circa 20 Euro

  • Joann Sfar - "Die Katze des Rabbiners"


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    Die Katze des Rabbiners fraß den Papagei und konnte sprechen. Das ist nicht der Aufhänger zu einem Kinderbuch, sondern Anfang einer humorvollsten Geschichten über das Judentum, die je erzählt wurden. Denn die Katze ist nicht nur eigensinnig, sondern auch überaus gebildet. Also liefert sich dieser Garfield mit Kabbala-Kenntnissen theologische Dispute mit den Gelehrten, streicht nachts über die Dächer der Stadt und verlangt lautstark nach seiner Bar-Mizwa ebenso wie nach Streicheleinheiten. Joann Sfar, einer der produktivsten französischen Comicschaffenden zurzeit, erzählt pointiert vom Alltag einer nordafrikanischen jüdischen Gemeinde - stets aus der Vier-Pfoten-Perspektive. Dabei erweist er


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    Joann Star


    sich nicht nur als einfühlsamer, humoriger Erzähler, sondern auch als intimer Kenner der jüdischen Kultur, der alle theologischen Klippen geschickt umschifft - oder ganz bewusst auf ihnen aufläuft. Voller Staunen nimmt seine Katze wahr, dass selbst der gläubigste Mensch nur ein Mensch ist - inklusive aller Schwächen. In Frankreich längst ein Bestseller, erscheint diese schöne, tiefsinnige Geschichte in Deutschland beim rührigen Kleinverlag avant, der sich bei der Gelegenheit die Rechte an weiteren Sfar-Werken gesichert hat. Stefan Pannor



    avant-Verlag, 48 S., circa 15 Euro