NDR-Rezension zu "Der grüne Blitz"

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    Der grüne Blitz
    Jules Verne, aus dem Französischen
    von Cornelia Hasting
    Bestellnummer: 978-3-86648-1800
    Verlag: Mare Verlag


    Jules Vernes einziger Liebesroman
    Aus dem Französischen von Cornelia Hasting
    Vorgestellt von Annemarie Stoltenberg


    Zu dem Autorennamen Jules Verne fallen den meisten Menschen
    zwei Titel ein: "Reise zum Mittelpunkt der Erde" und "Reise um
    die Erde in 80 Tagen". Er gilt als Pionier der Science Fiction Literatur
    und hat technische Errungenschaften des 20. Jahrhunderts kühn vorweg genommen.
    Wenig bekannt ist, dass Jules Verne einen einzigen Liebesroman geschrieben hat:


    "Der grüne Blitz".


    Es ist wieder eine dieser schönen Schmuckausgaben, die sanft aus ihrem Schuber
    gleiten, passend in grünes Leinen gehüllt, ein leuchtend hell auffrischendes
    Vorsatzblatt, blitzend hellgrünes Lesebändchen, Illustrationen von Léon Benett,
    die seufzen lassen vor Betrachterglück.


    Der Text ist neu übersetzt von Cornelia Hasting und mit einem
    Nachwort ausgestattet, das der brillante britische Autor James
    Hamilton-Paterson geschrieben hat. Buchkunst. Etwas für Bibliophile und solche,
    die es werden wollen.


    Die Geschichte, die Jules Verne in "Der grüne
    Blitz" erzählt, geht so: Ein älteres Brüderpaar ist verantwortlich für
    eine Nichte, die dringend verheiratet werden soll. Die junge Dame heißt Helena,
    sie wirkt höchst kapriziös und hat den schönen Kopf voller Grillen. Eine davon
    ist, dass sie gern ein Naturphänomen sehen möchte, das sich leider nur selten
    bei klaren Tagen am Meer zur Zeit des Sonnenuntergangs zeigt, eben jener grüne Blitz.


    Ein unmöglicher Heiratskandidat


    So wollen die Onkel das nervös Überspannte ihrer Nichte mit
    dem Nützlichen verbinden und haben einen Heiratskandidaten dorthin bestellt, wo
    sich auch der grüne Blitz zeigen könnte: An die schottische Küste. Der Kandidat
    mit dem Namen Aristobulus Ursiclos hat zwar Geld, aber sonst leider so gar
    nichts, was Frauen mögen.

    Leseprobe:


    Aristobulus Ursiclos war reich an Geld und noch reicher an Ideen. ... Im Grunde war er sehr
    eitel; es fehlte nicht viel und er wäre ein Dummkopf gewesen. Seine
    hauptsächliche Manie, oder, wenn man so will, seine Monomanie bestand darin,
    einfach drauf loszureden und alles zu erklären, was irgendwie mit
    Naturwissenschaften zu tun hatte.
    Mit nervtötender Beharrlichkeit erklärt der Wunschkandidat
    seiner Verlobten in spe die Welt:


    Leseprobe:


    ...nicht dass er glaube, ihr Hirn, das mit weniger Masse ausgestattet und in der
    Anordnung seiner Lappen sehr andersartig sei als das der Männer, könne je die
    Intelligenz für bedeutende Erkenntnisse erreichen ...
    Helena nimmt eine mögliche Beleidigung nicht einmal zur
    Kenntnis. Die beiden Onkel haben ihre liebe Not mit dem Wunschkandidaten:


    Leseprobe:



    Die Brüder Melville hörten ihm gefällig zu - umso bereitwilliger, als sie
    außerstande gewesen wären, einen einziges Wort einzuflechten in diesen
    absatzlosen Monolog, den Aristobulus Ursiclos wiederholt mit gebieterischen und
    pädagogischen Räuspern unterstrich.


    Köstlich und urkomisch wird beschrieben, wie zwei erfahrene
    Männer versuchen, eine junge Dame bei Laune zu halten.


    Leseprobe:


    Sogleich wurde das Fenster zugeschlagen, und kurz darauf erschien das junge Mädchen mit
    verschränkten Armen, strenger Miene und vorwurfsvoll umwölkter Stirn am
    Meeresstrand... Wer hatte Helenas Unmut erregt? War es die Anwesenheit von
    Aristobulus Ursiclos, der diese Anzeichen ungewöhnlicher Gereiztheit
    hervorrief?


    Nichte Helena trifft ihre eigene Wahl


    Dachte man nicht, Verwöhntheit sei ein Phänomen unserer Tage?
    Helena hat längst eine eigene Wahl getroffen, ein Schiffbrüchiger wird an Bord
    just des Kahns gerettet, auf dem sich die junge Dame befindet.


    Leseprobe:


    Dann die Rettung, die auf gut Glück geworfene Leine, der ruhig lächelnd an Deck
    auftauchende elegante junge Mann; der weniger aufgeregt war als sie, und den
    Passagieren zur Begrüßung winkte. Für einen überspannten Kopf lag darin der
    Beginn eines Romans ....


    Der Reisende, der - selbst just aus Seenot gerettet - wie aus
    dem Ei gepellt wirkt, ist genau der Mann, mit dem Helena den grünen Blitz gern
    erleben möchte und das unter Umständen bis ans Ende ihrer Tage.


    Aber soweit sind wir noch nicht. Bis dahin führt uns Jules
    Verne an die schottische Küste, erzeugt Liebeswirren und allerlei raffinierte
    Verzögerungen eines Happyends. "Der grüne Blitz" bietet
    außergewöhnlich heitere Lektüre, unbeschwert, mit Witz und Esprit charmant
    gewürzt.