Welten im Erdinnern: Ganz schön hohl

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    Vor 150 Jahren schickte Jules Verne drei Entdecker auf die "Reise zum Mittelpunkt der Erde", quer durch eine ausgehöhlte Weltkugel. Wissenschaftlich ist die Idee längst widerlegt - und doch bis heute populär. Von Susanne Wedlich


    "Es ist ein riesenmäßiges Meerschwein", schrie Axel, meinte aber wohl einen Schweinswal. "Ja", versetzte Professor Lidenbrock, sein Onkel, "und dort eine Meereidechse von seltener Größe!" Von ihrem Floß konnten die beiden Entdecker und ihr Begleiter Hans beobachten, wie sich die Giganten einen stundenlangen Kampf auf Leben und Tod lieferten - an dem bald auch weitere Kreaturen teilnahmen: etwa ein Krokodil, ein Wal, eine Schildkröte und eine Schlange aus den Tiefen des Ozeans.


    Das Ungewöhnlichste an dem bizarren Gemetzel waren jedoch nicht seine Teilnehmer, sondern sein Austragungsort: Denn der Ozean, auf dem sie schwammen, befand sich tief im Inneren der Erde.


    Der französische Autor Jules Verne gilt als Technikvisionär, der etwa die Entwicklung von U-Booten und der Raumfahrt vorwegnahm, dem Leser aber auch aktuelle Wissenschaft nahebringen wollte. Die Protagonisten der 1864 erschienenen "Reise zum Mittelpunkt der Erde" etwa schickte er quer durch die Erdgeschichte, wobei ihm die Fantasie allerdings mehr als einmal durchging. Der im Roman geschilderte Wald aus Riesenchampignons etwa oder der prähistorische Mastodonschäfer konnten bis heute nicht im Erdinneren aufgespürt werden.


    Unterirdische Giganten und Erd-Matrjoschkas


    Im Roman entdecken Professor Lidenbrock und seine Begleiter nach einer Weile, dass Meerschwein und Co. gar keine einzelnen Tiere, sondern nur die verschiedenen aus dem Wasser ragenden Körperteile zweier tatsächlich erst kurz vor Entstehung des Romans entdeckter Meeressaurier sind. Weil diese auf der Erde schon lange ausgestorben waren, siedelt Verne sie kurzerhand im Erdinneren an und griff dabei auf die Theorie von der hohlen Welt zurück. Schon zu Vernes Zeiten wurde sie kontrovers diskutiert, heute ist sie längst als wissenschaftlicher Blindgänger ad acta gelegt worden. Totzukriegen ist sie dennoch nicht.


    Denn die Hohlwelt-Theorie liefert kreativen Köpfen eine perfekte Leinwand für die abstrusesten Ideen. Die Vorstellung einer innen hohlen Weltkugel tauchte bereits in frühen Mythen und Religionen auf, von der altägyptischen Duat bis zur christlichen Hölle. Und der Jesuit Athanasius Kircher propagierte schon in seinem 1665 erschienenen Werk "Mundus subterraneus" eine weitgehend ausgehöhlte Erde mit Ozeanen und Feuerströmen in ihrem Kern - sowie unterirdisch lebenden Giganten.


    Den Ritterschlag zur Wissenschaft versuchte ihr erstmals Ende des 17. Jahrhunderts der Kometenforscher Edmond Halley zu verleihen. Isaac Newton hatte - leider fehlerhafte - Berechnungen für eine überraschend geringe Dichte der Erde vorgelegt. Für Halley stand damit fest, dass der Planet drei konzentrische Sphären in sich trage, die unabhängig voneinander um ihre Nord-Süd-Achse rotierten.


    Zugvögel auf Reise ins Erdinnere


    Diese Rotation hielt Halley auch für die lange ungeklärte Ursache für Veränderungen der magnetischen Pole des Planeten - und traf damit überraschenderweise fast ins Schwarze: Wie heute bekannt ist, besteht die Erde aus Schichten, wobei sich der dickflüssige Mantel unter der Erdkruste bewegt und so tatsächlich das Magnetfeld der Erde beeinflusst.


    Weniger treffsicher war Halleys Erklärung für die starken Nordlichter, die 1716 auch tagsüber in England zu sehen waren. Er vermutete, dass leuchtendes Medium aus dem illuminierten Erdinneren durch die besonders dünne Kruste am Nordpol drang. Eine Vorstellung, die auch Halleys Nachfolger im Geiste noch lange in ihrem Bann halten sollte.


    Hier und nur hier seien gewaltige Eingänge zur Hohlwelt zu finden, beschied etwa der Amerikaner John Cleves Symmes. Bis zu seinem Tod im Jahr 1829 warb er für eine von ihm geführte Polarexpedition, die trotz prominenter Unterstützer nie zustande kam. Dabei hatte Symmes die Argumente auf seiner Seite, ließen sich doch beispielsweise nach dem Winter Vögel und andere Tiere auf ihrem Zug gen Norden beobachten. Im Herbst kehrten sie wohlgenährt zurück. Diesen Speck hätten sie sich, so Symmes' Überlegung, doch wohl nur im paradiesischen Erdinneren anfressen können.


    Engelsgleiche Vegetarier im Reich der Tiefe


    In der Wissenschaftsgeschichte blieben die ohnehin umstrittenen Hohlwelttheorien nur eine kurze Episode. Doch als Schauplatz für Fiktionen sollten sie sich als ebenso populär wie langlebig erweisen. Noch vor Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" etwa erschien Giacomo Casanovas "Icosameron" aus dem Jahr 1788, in dem sich ein englisches Geschwisterpaar den Megamikren im Erdinneren anschließt. Diese kleinwüchsigen Hermaphroditen stillen sich gegenseitig und propagieren die Liebe zwischen Bruder und Schwester.


    Fast zeitgleich mit Verne ließ sich Edgar Allan Poe in seinem albtraumhaften "Bericht des Arthur Gordon Pym" aus dem Jahr 1838 von der hohlen Welt inspirieren, während Edward Bulwer-Lytton 1871 in "Das kommende Geschlecht" eine Rasse engelsgleicher Vegetarier im Erdinneren erdachte. Ihre perfekte Harmonie ist Vril zu verdanken, einer durch Willenskraft kontrollierten Energie, die dummerweise zugleich auch die Menschheit auslöschen könnte.


    Auch in William Bradshaws "Goddess of Atvatabar" von 1892 ist eine Zivilisation in Gefahr: Die Menschheit erobert eine utopische Gesellschaft im Erdinneren, was der Autor als Fortschritt wertet. Immerhin übernimmt einer der Protagonisten die Königswürde und rettet die ehemalige Göttin Lyone - ausgestattet mit ebenso bemerkenswert blauen Haaren wie bemerkenswert festen Brüsten - vor der Todesstrafe durch Magnetismus. Und wenn sie nicht gestorben sind, so treiben sie noch immer Handel mit den Imperialisten an der Erdoberfläche.


    Schade, dass sie nur ausgedacht waren, ein Exportschlager wären die katzenköpfigen Blüten und Wurzeln tragenden Vögel aus dem botanischen Garten Atvatabars sicher geworden - auch wenn sie kaum mit den Exotika in "Etidorhpa" von 1895 mithalten konnten. Der Roman beschreibt augenlose Humanoiden, die im Erdinneren leben, wo die Schwerkraft ausgesetzt hat und das Atmen überflüssig ist. Der Autor John Uri Lloyd war Pharmakologe und half seiner Kreativität vermutlich auf die Sprünge - den auffällig vielen Pilzwäldern nach zu urteilen, die in diesem Reich der grellen Farben und himmlischen Klänge wuchern.


    Hohlwelt-Sekte


    An ein Medium ist der Schauplatz im Erdinneren nicht gebunden - so begaben sich etwa die Helden der "Teenage Mutant Ninja Turtles" oder der prähistorische Trupp aus der "Ice Age"-Serie auf der Leinwand unter Tage. Und auch in Comics fand das Konzept Anklang, wie beispielsweise das ausgedehnte unterirdische Reich Subterranea aus dem Universum der Marvel Comics beweist, wo etwa der "Mole Man" sein Unwesen treibt. Und auch Computerspieler verschlug es immer wieder in Hohlwelten wie den künstlichen Planetoiden Cocoon in "Final Fantasy XIII". Die Einwohner dieser paradiesischen Hohlwelt leben an der konkaven Innenseite des Himmelskörpers.


    Eine zündende Idee, wie auch der Amerikaner Cyrus Teed feststellen durfte, der sich für die Kraft der Elektrizität begeisterte. Er verpasste sich 1869 einen so gewaltigen Stromschlag, dass er als vermeintlicher wiedergeborener Messias erwachte. Während der ekstatischen Ohnmacht war ihm seiner Ansicht nach so viel göttliches Wissen zuteil geworden, dass es einfache Sterbliche überfordern würde. So viel immerhin durfte er verraten: Die Menschheit lebt an der Innenseite der hohlen Erde, die das Universum umgibt.


    Mit diesem hermetisch geschlossenen Weltbild gerüstet, gründete Teed die Koreshanity-Sekte und machte sich an den Beweis seiner Theorie. Er wollte eine Art mehrteiliges Riesenlineal parallel zum Boden führen, bis es an die sich aufwölbende Erdhülle stieße. Ein Experiment von bestechender Logik - das von Erfolg gekrönt war. Teeds Kult löste sich dennoch schon bald nach seinem Tod im Jahr 1908 auf.


    Mittlerweile lebt die Idee der hohlen Welt vor allem in Randbereichen des Internets. Doch sie könnte schon bald wieder expandieren: Ausgerechnet die NASA meldete, der Mond sei von mehr als 200 Löchern durchsetzt, die zu tiefen Höhlen führen könnten. Leben hier extraterrestrische Zivilisationen? Neu wäre diese Vorstellung jedenfalls nicht: H.G. Wells etwa ließ schon 1901 "Die ersten Menschen auf dem Mond" unterirdisch lebende Aliens finden. Für Proviant war dort unten immerhin gesorgt: Es gab Mondkälber. Und Pilze. Natürlich.


    Quelle

  • ... eine bunte (und nicht komplette) Aufzählung von einigen Vertretern der Hohlwelttheorie und deren Konglomerate ... aber ohne Wertung oder zeitlichen Umfeld, geschweige denn Hintergründe. Macht bei mir den Eindruck: Schnell mal im WEB recherchiert und die Fakten verdichtet.


    Das im Originalartikel gegebene Voting von zur Zeit 3,3 scheint ein Zeichen dafür zu sein, dass andere Leser auch nicht begeisterter waren.


    Zumindest für Leser die noch keine Berührung damit hatten ein Anreiz mal mehr darüber zu Lesen. Hoffe ich ....