Hamburg: Musical-Revue beim "Theater der Welt"

  • Musical-Revue beim "Theater der Welt"


    Hamburg Journal - 02.06.2017 19:30 Uhr
    Seit Mittwoch läuft das Stück "In 80 Tagen um die Welt" nach Jules Verne im Zirkuszelt am Baakenhöft - für viele gute Unterhaltung, für andere zu viel Klamauk und Klischees.


    Das Video vom NDR kann hier aufgerufen werden: http://www.ndr.de/fernsehen/se…r-der-Welt,hamj57012.html

  • Von Heinrich Oehmsen


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    Foto: Sebastian Hoppe / Eine lustige Reise um die Welt


    Peter Jordan inszeniert Jules-Vernes-Klassiker "In 80 Tagen ..." als vergnüglichen Zirkusabend im Zelt.


    Hamburg. "Hereinspaziert! Hereinspaziert!" Die beiden Typen auf dem Manegenrand sehen mit den großen Brillen, die über Zylinder und Melone gestülpt sind, zwar nicht aus wie klassische Zirkusdirektoren, aber sie verheißen Aufregendes hinter dem noch geschlossenen Gazevorhang. "Menschen, Länder, Sensationen!" kündigen sie an und führen ein goldfarbenes, kahlköpfiges Wesen vor, das sich roboterhaft auf dem schmalen Rundsteg verrenkt.


    Mit einem schmissigen Vaudeville-Song geht es mitten hinein in die Manege und ein Spektakel, das auf einer Wette basiert. Phileas Fogg (Torben Kessler) wettet mit den Mitgliedern der Londoner Akademie der Wissenschaft, dass er es schafft, in 80 Tagen um die ganze Welt zu reisen. "Unmöglich!", brüllt der einäugige Chancellor (Thiemo Schwarz). Fogg, sein Diener Passepartout (Jonas Friedrich Leonhardi) und das Mädchen in Gold mit Namen Molly (Judith Bohle) fackeln nicht lange und machen sich auf den Weg. Die Uhr tickt.


    Peter Jordan, langjähriges Ensemble-Mitglied im Thalia Theater, und Leonhard Koppelmann haben sich Jules Vernes 1873 veröffentlichten, zu den Klassikern des Genres zählenden Abenteuerroman "In 80 Tagen um die Welt" vorgenommen und daraus eine bilderreiche Theaterrevue mit Tempo, Witz, Songs und aktuellen Anspielungen gemacht.


    Meister des Illusionstheaters


    Nachdem das Regie-Duo vor zwei Jahren für das Thalia Theater Dumas' Mantel-und-Degenstück "Die drei Musketiere" in die Manege gebracht hatte, zeigen sie nun mit Jules Verne, welche Meister des Illusionstheaters sie sind. Möglich wurde die Inszenierung, weil das Thalia dem Düsseldorfer Schauspielhaus, wo Jordans und Koppelmanns Stück im September 2016 Premiere hatte, sein Vier-Mast-Zelt lieh. Das dortige Theater wird umgebaut, und Intendant Wilfried Schulz suchte händeringend nach Spielmöglichkeiten. Im Rahmen von "Theater der Welt" kehrt das Zelt jetzt in seine Heimatstadt zurück und bereichert das Festival-Programm um ein wortwitziges, einfallreiches und manchmal auch albernes Familienstück.


    Jordan, der die Theaterfassung geschrieben hat, geizt nicht mit aktuellen Bezügen aus Politik und Technik. Die erste Etappe legen Fogg und Passepartout auf einer Dampflore in einem Tunnel unter dem Ärmelkanal zurück, 120 Jahre, bevor der Eurotunnel wirklich eröffnet wurde. Durch Frankreich geht's im TGV, durch die USA mit dem Truck und über Nordkorea per Rakete. "Die fliegen zwar nicht weit, aber bis China schaffen sie es", kommentiert die pfiffige Molly, die immer Rat weiß, wenn die Expedition vor größere Pro­bleme gestellt wird.


    Nationale Eigenheiten


    Auch nationale Eigenheiten nimmt Jordan gehörig auf die Schippe. Deutschland ist das Land des Stechschritts, des Schunkelns und einer kafkaesken Bürokratie; auf dem Balkan sind Schlagbäume nur mit Bestechungsgeldern zu überwinden; in Griechenland wird zum Sirtaki getanzt, was sonst? Und in Nordamerika haben die Indianer so viel Feuerwasser getrunken, dass von ihren Weisheiten nur noch absurdes Gelalle übrig ist.


    Sieben Schauspieler meistern die dreistündige Weltumrundung. Das Trio Kessler, Leonhardi und Bohle hält das Tempo in diesem Irrwitz hoch, aber auch die vier anderen Akteure und Verwandlungskünstler sind mit Spielfreude bei diesem Spaß dabei. Ein Wiedersehen gibt es mit Dirk Ossig, früher am Thalia Theater, der den Bösewicht Fixx spielt. Als die Reisegruppe ins All geschleudert wird, droht er den Verstand zu verlieren. "Gott ist eine Souffleuse", stammelt er, als er auf Knien auf das Textbuch der wirklichen Souffleuse starrt. Der stämmige Thiemo Schwarz glänzt mit Ausdruckstänzen, unter anderem als Revuegirl im verruchten "Moulin Rouge" von Paris. Adrienne Lejko hat starke Szenen als Pinocchio und als Alien-Frau, Martin Esser erntet Lacher für seinen tumben Hillbilly-Cowboy und seinen Jona, der es aus dem Bauch des Wals bis ins Weiße Haus schafft.


    Großen Verdienst am Gelingen dieser an Jules Verne angelehnten Persiflage hat auch die vierköpfige Band um den Schlagzeuger Klaus Mages. Das Quartett ist stilistisch immer auf der Höhe, egal, welchen Kontinent Phileas Fogg gerade durchquert, die vier Ins­trumentalisten sind kongeniale Geräuschemacher, und ein paar mitsingbare Musical-Melodien steuern sie auch noch bei. Neben all den Performances und avantgardistischen Aufführungen ist "In 80 Tagen um die Welt" Spiel und Spektakel, bei dem Jordan, Koppelmann und die Akteure zeigen, das Theater auch Zirkus sein kann.


    "In 80 Tagen um die Welt" weitere Aufführungen: 4.6., 17.00, 5.6., 14.00 und 19.00, Thalia-Zelt (U Hafencity Universität),
    Baakenhöft, Karten 20,- bis 48,-
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    Quelle: http://www.abendblatt.de/hambu…-Stunden-um-die-Welt.html