Olivier Dumas 1929-2019

  • Olivier Dumas, langjähriger Präsident der französischen Société Jules Verne, ist am 23. August 2019 in Paris gestorben. Als Lungenchirurg und Mitinhaber der berühmten Luxusmarke Hermès hatte Dumas maßgeblich an der Neugründung der Gesellschaft mitgewirkt und von 1967 bis 2012 das inzwischen im 53. Jahrgang erscheinende Bulletin de la Société Jules Verne herausgegeben, bis ihn eine Krankheit zwang, sich zurückzuziehen.


    Dumas' Einfluss auf die Jules-Verne-Forschung kann kaum überschätzt werden, obwohl und gerade weil er durchaus kontrovers beurteilt wird. Mehr als 300 Artikel zeugen von seinem Engagement. Einige Ergebnisse hat er in seiner Biografie (Jules Verne, Lyon: la manufacture, 1989; Neubearbeitung als Voyage à travers Jules Verne, Montréal/Paris: Stanké, 2000) zusammengefasst. Zwischen 1985 und 1988 gab er die Originalfassungen der von Michel Verne umgeschriebenen postumen Romane sowie einen Teil der Familienkorrespondenz heraus, womit er der Forschung neue Impulse gab, was ihm aber auch Prozesse der Stadt Nantes eintrug, die inzwischen Besitzerin der Manuskripte Jules Vernes war. Außer Frage steht sein Verdienst als Initiator der Herausgabe von Jules und Michel Vernes Korrespondenz mit den Verlegern Hetzel (5 Bände, Genf: Slatkine, 1999-2006).


    Als Mensch und Verne-Spezialist war Dumas von Beginn an umstritten, was einerseits an seinem autoritären Charakter lag, den er unbedingt in den Dienst seiner Sache - der Neubewertung Jules Vernes als Schriftsteller, nicht seiner persönlichen Interessen - stellte. Andererseits vertrat er gerade in seinen späteren Jahren oftmals Positionen, in denen die Aufwertung Jules Vernes mit der Abwertung von dessen persönlichem Umfeld (Michel, Pierre und Honorine Verne, Hetzel Vater und Sohn) einherging. Wie immer man dazu stehen mag, zu seinen Ergebnissen, Argumenten und Hypothesen wird sich auch die künftige Jules-Verne-Forschung positionieren müssen.


    Auf Deutsch erschien sein Aufsatz "Unter entwürdigender Fuchtel. Die Korrespondenz Verne-Hetzel", in V. Dehs & R. Junkerjürgen (Hg.): Jules Verne: Stimmen und Deutungen zu seinem Werk. Schriftenreihe und Materialien der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, Bd. 75, 2005, S. 56-67

  • Dumas ist in erster und zweiter Instanz schuldig gesprochen worden, er durfte in der Neuauflage seiner Biografie nicht Jules Vernes Familienkorrespondenz nachdrucken. Ob er auch ein Bußgeld bezahlen musste, weiß ich nicht. Ich erinnere mich aber, dass das Urteil Präzedenzcharakter für die Veröffentlichung posthumer Werke hatte, wenn man nicht die Erlaubnis des rechmäßigen Eigentümers einholt.

  • Danke sehr! :)


    Ich habe mal nachgeschaut:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Publication_right#France :

    Hier findet man einen Link zum Urteil des Revisionsgerichts:

    https://web.archive.org/web/20…ublie-au-bulletin/C48090/


    Es scheint, dass Dumas in erster Instanz gewonnen hatte. (Oder habe ich welche von diesen juristischen Fachbegriffen missverstanden?)


    Interessant wäre vor allem die Frage, ob die Bibliothek von Nantes noch etwas unter Verschluss hält oder ob alles (oder zumindest alles Wesentliche) zugänglich ist. Wie sieht es z. B. mit der erwähnten Familienkorrespondenz aus?

  • Stahlelefant, du hast Recht, was den ersten Prozess angeht, sorry, da hatte mich meine Erinnerung getäuscht.

    Nantes (ebenso wie Amiens) hält nichts böswillig zurück, alles steht der Forschung offen, und kann auch veröffentlicht werden, wenn sich die Herausgeber an die Regeln halten, d. h. die Quellen angeben und zuvor eine Genehmigung einholen, was bei kommerzieller Verwertung natürlich mit einer finanziellen Beteiligung der Besitzer verbunden ist. Ich habe in den vergangenen Jahren nur gute Erfahrungen mit beiden Institutionen gemacht und keinerlei Behinderung erfahren.


    Die Situation etwa bei der Familienkorrespondenz war komplizierter, weil sich Dumas bei seiner Veröffentlichung zum Teil auf alte Abschriften, bei den Romanen auf im kleinen Kreise zirkulierende Fotokopien bezogen hatte. Möglicherweise, aber das ist nur eine Spekulation, hatte es in Nantes Pläne zur Veröffentlichung (und kommerziellen Vermarktung) der unveröffentlichten Manuskripte gegeben, und Dumas ist dem zuvorgekommen, woraufhin es jahrelang zu Spannungen zwischen der Société Jules Verne und der Stadt Nantes gekommen ist. Die sind inzwischen glücklicherweise ausgeräumt. Das zeigt jedenfalls die Zweischneidigkeit der Aktion. Nantes und auch Amiens haben noch eine recht große Anzahl unveröffentlichter Briefe Jules Vernes, auch an die Familie. Es sind zwei oder drei Projekte unterwegs, diese zu veröffentlichen, darunter die 300 Briefe Jules Vernes an seinen Sohn Michel, die ich zusammen mit Piero Gondolo della Riva betreue. All das braucht allerdings seine Zeit, weil die Transkription der Handschriften nicht immer einfach ist und die Lektüre der Briefe nur dann sinnvoll ist, wenn bestimmte Zusammenhänge erklärt werden.

  • Stahlelefant, du hast Recht, was den ersten Prozess angeht, sorry, da hatte mich meine Erinnerung getäuscht.

    Nantes (ebenso wie Amiens) hält nichts böswillig zurück, alles steht der Forschung offen, und kann auch veröffentlicht werden, wenn sich die Herausgeber an die Regeln halten, d. h. die Quellen angeben und zuvor eine Genehmigung einholen, was bei kommerzieller Verwertung natürlich mit einer finanziellen Beteiligung der Besitzer verbunden ist. Ich habe in den vergangenen Jahren nur gute Erfahrungen mit beiden Institutionen gemacht und keinerlei Behinderung erfahren.


    Die Situation etwa bei der Familienkorrespondenz war komplizierter, weil sich Dumas bei seiner Veröffentlichung zum Teil auf alte Abschriften, bei den Romanen auf im kleinen Kreise zirkulierende Fotokopien bezogen hatte. Möglicherweise, aber das ist nur eine Spekulation, hatte es in Nantes Pläne zur Veröffentlichung (und kommerziellen Vermarktung) der unveröffentlichten Manuskripte gegeben, und Dumas ist dem zuvorgekommen, woraufhin es jahrelang zu Spannungen zwischen der Société Jules Verne und der Stadt Nantes gekommen ist. Die sind inzwischen glücklicherweise ausgeräumt. Das zeigt jedenfalls die Zweischneidigkeit der Aktion. Nantes und auch Amiens haben noch eine recht große Anzahl unveröffentlichter Briefe Jules Vernes, auch an die Familie. Es sind zwei oder drei Projekte unterwegs, diese zu veröffentlichen, darunter die 300 Briefe Jules Vernes an seinen Sohn Michel, die ich zusammen mit Piero Gondolo della Riva betreue. All das braucht allerdings seine Zeit, weil die Transkription der Handschriften nicht immer einfach ist und die Lektüre der Briefe nur dann sinnvoll ist, wenn bestimmte Zusammenhänge erklärt werden.

    Gut zu wissen, danke für die Info! :)