Jules Verne - Ein Tag aus dem Leben eines amerikanischen Journalisten, WDR

  • Titel: Jules Verne - Ein Tag aus dem Leben eines amerikanischen Journalisten, WDR
    Genre: Abenteuer
    Label: WDR, Radio
    Laufzeit: 45 Minuten
    Erscheinungsjahr: 1968


    Inhalt:
    Francis Benett ist der unumschränkte Herrscher der Welt. Als legitimer Nachfolger des Gründers des New York Herald besitzt der Journalist heute, im Jahre 2889, das Monopol zur Verbreitung der elektronischen Nachrichten. Das garantiert ihm absolute finanzielle Unabhängigkeit, das garantiert ihm die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Herrschenden dieser Welt. Doch wie sieht der Tagesablauf dieses Bennet aus? Unter Nutzung der im 29. Jahrhundert gängigen Technologien hat der gute Bennet einiges zu leisten. Nicht nur das Wetter muss beeinflusst, neue, weltumspannende Werbemaßnahmen geplant und umgesetzt, sondern letztlich sogar das jeweilige Weltgeschehen beeinflusst werden...


    Kritik:
    "Ein Tag aus dem Leben eines Journalisten im Jahre 2889 wurde von Vernes Sohn Michel geschrieben, erschien aber unter dem Namen des Vaters", so die Aussage des Onlinelexikons Wikipedia. Andere Quellen weisen Jules Verne höchstselbst als Autoren der Geschichte aus.


    Egal!


    Die Story jedenfalls transportiert klar und eindeutig ein typisches Verneszenario. Allerdings geht es nicht um das Erzählen einer Geschichte im herkömmlichen Sinne. Es gibt keinen typischen Protagonisten, es gibt keinen Spannungsbogen, es gibt keinen herkömmlichen spannungsgenerierenden Handlungsablauf, ja, es gibt noch nichtmal einen kohärenten Plot.


    Die Geschichte ist lediglich eine Aneinanderreihung von futuristischen Visionen. Erstaunlich, Sicher! Ob der überraschenden, fast schon präkognitiven Implikationen absolut phantastisch, klar! Aber gut unterhaltend? Nein, das kann man sicher nicht sagen.


    Aber der Reihe nach:
    Verne berichtet in dieser Geschichte von Gebäuden, die sich mehrere hundert Meter in den Himmel erstrecken, von Lufttaxis, von Videophonen und Sonnenakkumulatoren, Er beschreibt Bildprojektoren, die Werbung auf Wolken projizieren und Waffen, die ganze Armeen auslöschen. Er kreiert ein Szenario, das die Existenz von Biowaffen genauso beschreibt, wie den Wiederbelebungsversuch eines eingefrorenen Menschen. Angesichts des Entstehungszeitpunktes der Geschichte wahrlich unglaublich.


    Verne hat mit der Beschreibung dieser technisch-wissenschaftlichen "Errungenschaften" all das Vorweggenommen, was heute möglich oder zum Teil schon längst realisiert ist. Dies erklärt warum er zu recht als Vater des modernen Science Fiction Romans gilt.


    Der Reiz, diesen alten Zukunftsphantasien aus der Retrospektive zu lauschen und dabei ehemals Futuristisches als allseits Bekanntes zu identifizieren ist ob des eingangs beschrieben Fehlens eines zusammenhängenden spannenden Plots nicht derart ausgeprägt, dass man sich gut unterhalten fühlte. Im Gegensatz zu der Reisebeschreibung eines Prof. Aronax oder dem Erlebnisbericht eines Dr. Ferguson fehlt hier einfach das Abenteuer, das Aufregende. Es gibt keine Konfrontation eines Protagonisten mit irgendeiner Gefahr, es gibt keine skurrile Persönlichkeit, die sich einer verschrobenen Marotte folgend auf eine Reise um die Welt begibt. Nein, wir haben hier einzig das deskriptive Aufzählen von technischen "Wundern". Fadenscheinig verpackt in einem pseudodokumentarischen Bericht über den Tagesablauf des Medienmoguls Bennet.


    Fazit:
    Das Faszinosum der Story ist die Beschreibung einer realisierten Vision. Was 1889 in der Beschreibung der technischen Errungenschaften des Jahres 2889 abstrus angemutet hat und in der potentiellen Umsetzung sicher als unmöglich realisierbare Phantastereien abqualifiziert wurde ist als technisch Machbares heute bereits vielfach umgesetzt. Die Beschreibung dessen reicht aber ganz klar nicht aus, die Erwartungshaltung an eine typische Jules Verne Hörspielfolge zu bedienen. Letztlich fehlen hier einfach spannungstragende Elemente. An dem lahmen Höreindruck ändert leider auch die wirklich gute Sprechergarde nichts.


    Geht so


    © Oliver Schulte
    Online: 02.03.2006