Lall: "Tests sind ein fundamentaler Teil des Rennsports"

  • 01. Juni 2006 - 10:48 Uhr

    McLaren-Testteam-Manager Indy Lall erklärt die Wichtigkeit von Testfahrten, die Wahl der richtigen Strecke, die Auswirkungen der neuen Regeln und vieles mehr


    (F1Total.com/McLaren.com) - Nur wenige Tage nach dem Grand Prix von Monaco ist seit gestern die Mehrzahl der Teams bereits wieder für Testfahrten auf dem 'Circuit de Catalunya' in Barcelona unterwegs, um sich für die kommenden Grands Prix vorzubereiten. Indy Lall, Testteam-Manager von McLaren-Mercedes, erläutert die Herangehensweise der Rennställe an Testfahrten, erklärt die Aufgabenverteilung der Fahrer, den Unterschied zwischen Test und Shakedown und weitere Fakten rund um die Aufgaben des Testteams.


    Frage: "Was ist deine genaue Rolle im Testteam, und wie lange arbeitest du schon dort?"
    Indy Lall: "Ich bin seit 18 Jahren im Testteam, seitdem ich von Ron Dennis die herausfordernde Aufgabe bekam, ein Testteam aufzubauen, als das in unserem Sport noch nicht üblich war. Über all die Jahre hat sich das dann weiterentwickelt zu einem komplett unabhängigen Team. Es gibt also ein Testteam und ein Rennteam, und wir arbeiten komplett eigenverantwortlich. Meine Rolle als Testteam-Manager besteht darin, alles zum Laufen zu bringen, sicherzustellen, dass die Leute am richtigen Ort sind, dass alle Teile und die Ausrüstung auf dem neuesten Stand sind. Im Prinzip also einfach, dafür zu sorgen, dass alles glatt läuft."


    Frage: "Auf welche Arbeiten konzentriert ihr euch momentan?"
    Lall: "Wir haben die vergangene Woche im 'McLaren Technology Centre' verbracht und die zwei MP4-21-Boliden für den bevorstehenden dreitägigen Test in Barcelona vorbereitet. Das beinhaltete, dass wir Chassis, Aufhängungen und Getriebeeinheiten in Vorbereitung auf den Test unter die Lupe genommen haben."


    Frage: "Werdet ihr von nun an immer mit zwei MP4-21 testen?"
    Lall: "Ja, wir haben jetzt zwei MP4-21-Chassis', Chassis Nummer 1 und Chassis Nummer 3. Wir sollten in der Lage sein, diese zwei Chassis' im kompletten restlichen Jahr zu verwenden."

    Wahl der richtigen Strecke ist wichtig


    Frage: "Es gibt viele verschiedene Strecken, auf denen ihr testet. Wie kommt es, dass ihr nicht auf Strecken testet, die näher am 'McLaren Technology Centre' liegen? Was macht eine gute Teststrecke aus?"
    Lall: "Die Strecke, die der Fabrik am nächsten liegt, ist Silverstone. Wir dürfen dort auch testen, aber das Wetter kommt uns nicht immer entgegen, daher tendieren wir dazu, nach Südspanien auszuweichen. Dort ist das Wetter besser, und gleichzeitig sind die Strecken in Spanien sehr gut für die bevorstehenden Rennen geeignet. Wir suchen immer nach einer Strecke, die uns die Möglichkeit bietet, unsere Autos für die nächsten Rennen abzustimmen und für die anstehenden Veranstaltungen Reifen auszuwählen."


    Frage: "Wie unterscheiden sich die Testfahrten vor der Saison von den Tests, die während der laufenden Saison stattfinden?"
    Lall: "Zu Beginn des Jahres ist grundsätzlich alles sehr hektisch, denn wir haben dann ein neues Auto und müssen so viel darüber lernen wie möglich. Wir versuchen, so viel zu erledigen wie irgendwie möglich. Vor der Saison dürfen wir frei testen, das heißt, dass wir nicht durch die Testvereinbarung eingeschränkt sind, wir können also so viel fahren, wie wir möchten."


    "Bei den Tests während der Saison dagegen müssen wir Regeln befolgen, die uns insgesamt 36 Tage erlauben. Wir müssen genau abwägen, wo wir diese Tage verwenden und wie viele Autos wir dabei einsetzen. Der große Unterschied liegt darin, dass wir vor der Saison testen können, was und so viel wir wollen, wohingegen wir während der Saison eingeschränkt sind und strukturierter vorgehen müssen."

    Künstliche Regentests für exaktere Ergebnisse


    Frage: "Unterscheidet sich die Arbeit, die die Stammpiloten verrichten, von der der Testfahrer?"
    Lall: "Bei McLaren-Mercedes kommen die Testfahrer sehr viel zum Einsatz, sie testen alles. Daher werden alle neuen Entwicklungen zunächst von Pedro de la Rosa und Gary Paffett bewertet. Wenn wir der Meinung sind, dass ein System gut funktioniert, dann kommen die Stammfahrer ins Spiel, um diese Systeme fine zu tunen. Die Einsatzpiloten konzentrieren sich normalerweise auf spezielle Entwicklungen, die sie für das anstehende Rennen benötigen. Die Testfahrer dagegen testen nicht nur für die nächsten Wochen, sondern auch Teile, die erst später im Jahr zum Einsatz kommen."


    Frage: "Warum testet ihr nicht, wenn es regnet, aber bewässert dann künstlich die Strecke für Testfahrten?"
    Lall: "Wir testen hin und wieder, wenn es regnet. Aber wenn es natürlich regnet, dann kann man nicht feststellen, wie viel Wasser sich genau auf der Strecke befindet. Mit unserem Partner Michelin können wir die Strecke zu einem bestimmten Level bewässern."


    "Dann können wir genau auswählen, welchen Typ Regenreifen wir verwenden möchten, der zu diesen Bedingungen passt. Auf diese Weise kann Michelin mehr über die Reifenentwicklung lernen. Natürlich ist es schwierig, festzustellen, wie nass es ist, wenn man bei einem Rennen ist, daher kann das nie zu hundert Prozent übereinstimmen. Aber die künstlichen Regentests sind dazu da, genauere Bewertungen durchführen zu können."


    Frage: "Was ist der Unterschied zwischen einem Test und einem Shakedown?"
    Lall: "Ein Shakedown wird normalerweise nur dann durchgeführt, wenn die Autos fertig für die Reise zu einem Grand Prix sind, um sicherzugehen, dass alles richtig funktioniert. Dazu können wir auf unsere lokale Strecke hier gehen, normalerweise Silverstone, und zwei oder drei Runden absolvieren, um sicherzustellen, dass alles funktioniert. Bei einem Test hätten wir dagegen das Ziel, an einem Tag bis zu 500-600 Kilometer pro Auto zurückzulegen."

    Neue Regeln erfordern Anpassungen


    Frage: "Haben die neuen Regeln für 2006 einen Einfluss auf eure Herangehensweise an die Testarbeit?"
    Lall: "Wir müssen unsere Testmethoden in gewisser Weise ändern. Die Reifen sind sehr wichtig, und da die Regel für dieses Jahr neu war, haben wir dazu tendiert, uns stark auf Reifentests mit Michelin zu konzentrieren. Wir testen auch eine Menge bezüglich der Aerodynamik, da die Regeln in diesem Bereich sehr hart sind, auf diese Art hat es sich also schon verändert. Auch wegen der neuen Motorenregeln versuchen wir, gute Laufleistungen zu erzielen, während wir uns durch die Entwicklungsprogramme arbeiten."


    Frage: "Wie hat sich die Testarbeit verändert, seit du bei McLaren bist?"
    Lall: "Das Testteam war minimal, als ich anfing. Wir fuhren normalerweise zehn bis zwölf Tests im Jahr und etwa 200-300 Kilometer am Tag. Wir hatten weniger als zwölf Leute im Testteam, wohingegen wir jetzt um die 70 Leute haben, die zu den Tests anreisen. Das beinhaltet Mechaniker, Betreuer, Trainer, Ingenieure und Leute von 'Mercedes-Benz High Performance Engines'."


    "Wir werden jetzt alles auf die 36 Tests pro Jahr konzentrieren, und an jedem Tag, an dem wir fahren, können das bis zu 600 Kilometer pro Tag sein. Das Testen ist heute ein fundamentaler Teil des Rennsports, denn wir versuchen, bei den Tests so viel wie möglich zu lernen, bevor wir zu den Rennen fahren."