Warum Montoya wirklich schon weg ist

  • 12. Juli 2006 - 11:30 Uhr

    Juan-Pablo Montoya will nicht wie offiziell kommuniziert mit Frau und Kind Urlaub machen, sondern plant ein vorzeitiges Debüt in der NASCAR-Serie


    (F1Total.com) - Die von McLaren-Mercedes herausgegebene Pressemitteilung, in der am Dienstag die sofortige Trennung von Juan-Pablo Montoya bekannt gegeben wurde, ist nicht mehr als ein schlechter Witz; Teamchef Ron Dennis bezeichnet darin seinen bekanntermaßen nicht gerade geliebten Ex-Schützling als "sympathischen Menschen", womit ihm die Lacher der schreibenden Zunft sicher waren, zumal das Verhältnis der beiden gegensätzlichen Charaktere von Anfang an ziemlich angespannt war.


    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass auf Anfrage eines deutschen Journalisten noch am Montag von McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh dezidiert bestritten wurde, Pedro de la Rosa werde Montoyas Cockpit mit sofortiger Wirkung ab Magny-Cours übernehmen. Bei Mercedes in Stuttgart wollte man dazu zu jenem Zeitpunkt noch keine offizielle Stellungnahme abgeben, so dass man von teaminternen Abstimmungsschwierigkeiten in der Kommunikation nach außen ausgehen muss.

    Montoyas Bekanntgabe kam für das Team unerwartet


    Insider vermuten indes, dass der silberne Führungsstab in Woking und Stuttgart nichts von Montoyas Plänen wusste, am Sonntag gemeinsam mit seinem neuen Arbeitgeber Chip Ganassi an die Öffentlichkeit zu gehen, obwohl im Grunde genommen schon länger klar war, dass er McLaren-Mercedes verlassen würde. Dennis ist aber bekanntermaßen ein sehr stolzer Manager, dessen ausgeprägtes Ego schwer darunter leidet, wenn er nicht selbst als Erster die Medien informieren kann.


    Via Pressemitteilung des Teams wurde dann gestern kommuniziert, Montoya werde nun mit seiner schwangeren Frau Connie und seinem Sohn in seinem Appartement in Miami Urlaub machen, was zwar grundsätzlich stimmt, jedoch nicht der Hauptgrund für die keineswegs nur von McLaren-Mercedes-Seite ausgegangene Trennung war. Vielmehr hat der Kolumbianer seinen Rauswurf provoziert, um noch dieses Jahr etwas NASCAR-Luft zu schnuppern.


    Zuverlässigen Informationen aus den USA zufolge könnte der ehemalige Formel-1-Pilot schon am 28. Oktober bei der NASCAR-Veranstaltung in Memphis erstmals in ein Ganassi-Stock-Car steigen, um sich schon vor 2007 an diese für ihn ganz neue Art des Rennfahrens zu gewöhnen. Montoya soll in Memphis in der NASCAR-Busch-Serie an den Start gehen, die unter dem prestigeträchtigen Nextel-Cup als zweithöchste NASCAR-Liga gilt.

    Montoya mit gedämpften Erwartungen für 2007


    Dem siebenfachen Grand-Prix-Sieger ist ein möglichst früher Einstieg wichtig, weil er weiß, welche Herausforderung nun vor ihm liegt: "Mir ist klar, dass ich im ersten Jahr nicht schnell sein werde. Vielleicht kann ich in zwei, drei Rennen erfolgreich sein, aber insgesamt wird es eine schwierige Saison. Wir werden lernen und ich werde einige Fehler machen. Das gehört aber dazu, schließlich haben wir deswegen auch einen mehrjährigen Vertrag gemacht", sagte er am Wochenende.


    "Ich bin mir sicher, dass wir auf den Straßenkursen meistens ziemlich gut aussehen werden, denn ich habe durch meine Vergangenheit mehr Straßenkurserfahrung als alle anderen Fahrer in der NASCAR", fügte er an. Allerdings sei ihm klar, wie technisch auch die NASCAR-Szene inzwischen ist: "Eine Woche kannst du in den Top 10 liegen und dann beim nächsten Rennen 30. sein, ohne dass du es dir erklären kannst", gab Montoya zu Protokoll.

    NASCAR gefällt Montoya besser als die Formel 1


    Begeistert habe ihn an der NASCAR-Variante aber vor allem das Racing an sich, denn der 30-Jährige gilt als Vollblutrennfahrer erster Güte - unvergessen seine zahlreichen Überholmanöver gegen Michael Schumacher. In der immer steriler werdenden Formel 1, in der die komplexe Aerodynamik kaum noch Überholmanöver zulässt, ist jedoch kaum noch Platz für Rad-an-Rad-Kämpfe, was in seinen Überlegungen sicher eine Rolle gespielt hat.


    "Es ist das Racing", schwärmte Montoya über die NASCAR-Serie. "Außerdem finde ich beeindruckend, wie geradlinig die Fahrer dort sind und wie sehr sie sich gegenseitig respektieren. Dort kannst du ein Auto bei 320 km/h zehn Zentimeter neben einem anderen Auto fahren - und das eine ganze Runde lang! Das hat mich wirklich neugierig gemacht. Außerdem liebe ich die USA. Ich war sechs Jahre lang in Europa, aber meine Familie ist in Miami. Es passt einfach alles zusammen."


    Fazit: Die vorzeitige Trennung zwischen McLaren-Mercedes und Montoya war ein absehbarer Schritt, über den beide Seiten nicht unglücklich sind - das Team, weil es nun einen Fahrer los ist, den man nach seinen jüngsten Chaosaktionen ohnehin nicht mehr wollte, und der Fahrer, weil er in Gedanken schon im NASCAR-Auto sitzt und sich in der Formel 1 nicht mehr wohl gefühlt hätte. Interessanter Nebenaspekt: Montoya wird 2007 ein DaimlerChrysler/Dodge-Auto fahren, bleibt Mercedes also indirekt verbunden...