Elf Poldis müsst ihr sein

  • Elf Poldis müsst ihr sein
    Aus Klagenfurt berichtet Christian Gödecke


    Fragen gab es viele, vor dem EM-Auftakt gegen Polen. Wo steht das deutsche Team nach drei Wochen Vorbereitung? Nach dem 2:0-Sieg ist klar: Alles ist bestens - dank dem zum Mittelfeldspieler umfunktionierten Stürmer Lukas Podolski.


    Klagenfurt - Lukas Podolski kann sich nicht verstellen. Seine Gedanken gießt er in Sätze, die so einfach sind wie kurz. Und wenn ihn etwas nicht interessiert, wird es ignoriert - selbst wenn es ein Pokal ist.


    Im Presseraum des Klagenfurter Stadions ist Lukas Podolski in diesem Moment ganz er selbst, und der graumelierte Uefa-Pressebeauftragte etwas irritiert. Gerade hat der DFB-Stürmer die Trophäe für den besten Spieler der Partie gegen Polen überreicht bekommen, eine in Stahl gegossene Anerkennung für eine großartige Leistung. Doch nach einem Foto und einem kurzen Handschlag wandert das Ding aus Podolskis Händen irgendwo an den Rand des Tisches. Achtlos.



    Man könnte vermuten, dass dem 23-Jährigen die Auszeichnung nicht gefällt. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie ihm einfach nichts bedeutet. "Wir haben ein Spiel gewonnen, gegen Kroatien wird es aber noch schwerer. Da müssen wir uns steigern", sagt er. Er hätte ausgiebig über seine beiden Tore plaudern können, über eine außergewöhnliche Darbietung auf einer immer noch ungewöhnlichen Position im linken Mittelfeld. Stattdessen Understatement in eigener Sache und Worte über den nächsten Gegner.


    Auch Joachim Löw lobt Lukas Podolski nicht als den besten Deutschen in einem guten Team, das Polen vor allem in der ersten Halbzeit taktisch und spielerisch beherrscht hatte. Löw sagt stattdessen: "Die gesamte Mannschaft, nicht nur Lukas Podolski, hat gut gespielt."


    Tatsächlich wurde der 2:0(1:0)-Erfolg gegen Polen zu einem Spiel, das auf alle Fragen Antworten gab - und jede von ihnen klang beruhigend.


    Da war die Unsicherheit gewesen, wo die Mannschaft vor dem ersten Turnierspiel wohl stehen würde, "nach drei Wochen ohne wirkliche Wettkampfpraxis", wie Löw es nannte. Und so richtig wusste es die DFB-Elf auch während der ersten Minuten nicht, als Lehmann, Jansen oder Podolski jede halbwegs gelungene Aktion mit Motivationsgesten unterstrichen. Eine Faust hier, ein Abklatschen dort. Am Ende hatte dieses deutsche Team spielerisch und taktisch auf den Punkt funktioniert, mit Ausnahme eines Teils der zweiten Hälfte. "Wir haben teilweise sehr gut gespielt", lobte Löw.


    Da war der Steilpass von Ballack auf Klose in der 5. Minute, dessen Vorlage Gomez vergab. Da war das erneute Überwinden der polnischen Viererkette durch Gomez, der Klose auf die Reise (und wohl ins Abseits) schickte und dieser wiederum Podolski das 1:0 vorlegte (20.). Oder Clemens Fritz, der in der 38. Minute an Golanski vorbeizog und dessen Hereingabe Gomez nicht nutzen konnte. "Gute Kombinationen" hatte Löw gesehen, dazu eine gut funktionierende defensive Mittelfeldzentrale, lauffreudige Stürmer und schnelle, präzise Konter.


    Eine Antwort gab es auch auf die Frage, ob Clemens Fritz auf der rechten Seite die richtige Wahl sein würde. Er war. So gut spielte der Bremer, dass man sich fragte, warum er in der 50. Minute bereits den Platz für Schweinsteiger räumen musste. Fritz sei "enorme Wege gegangen" und habe großen Druck gemacht, sagte Löw, der danach einen frischen Spieler bringen wollte, die "Option in der Hinterhand".


    Dass diese mal Bastian Schweinsteiger heißen könnte, war lange Zeit unvorstellbar. Aber schwankende Leistungen haben es möglich gemacht, dass der Bayer nicht mehr in der Startelf steht. Die Frage, wie er mit der neuen Rolle klarkommen würde, beantwortete er ebenso unentschlossen: Erst eine Gelbe Karte, dann eine verunglückte Flanke und schließlich nach Ballgewinn die Vorbereitung des zweiten Podolski-Tores. Happy End, auch für Schweinsteiger.


    Selbst Innenverteidiger Christoph Metzelder machte sich gut. Stellungsfehler und Abstimmungsprobleme gibt es zwar immer noch, aber es werden weniger beim lange Verletzten. Zweifel an seiner Fitness konnte Metzelder zumindest vollständig ausräumen. "Kaum Fehler" habe die Abwehr gemacht, sagte Löw.


    Viele Fragen wurden beantwortet, es kam aber auch eine neue dazu: Wie konnte es trotz der Dominanz in der ersten Hälfte zu einer 20-minütigen Schwächephase in der zweiten kommen? Als Polen das Spiel kontrollierte, zu Chancen kam und "total dominierte", wie Coach Leo Beenhakker fand? Die deutsche Mannschaft ließ sich zu weit zurückfallen, spielte die Gegenstöße weniger konsequent, störte später und verlor mehr Bälle. Das alles kritisierte auch Löw, das "Warum" konnte der Bundestrainer nicht beantworten. Warum es dann doch reichte, fasste Trainer Beenhakker so zusammen: "Die Deutschen haben viele Spieler, die den Unterschied machen können. Wir nicht."


    Genaugenommen hatten die Deutschen an diesem Abend einen Spieler, der den Unterschied machte - den das aber überhaupt nicht interessierte. Als Lukas Podolski den Presseraum verließ, musste ihn der Uefa-Pressemann an den Pokal erinnern. Podolski hätte ihn fast vergessen.


    http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,558453,00.html


    Ich fand die Überschrift so schön... :)