Einen sehr schönen Artikel habe ich bei einem Commander Perkins-Fan gefunden:
ZitatAlles anzeigenEUROPAs Jules-Verne-Hörspiele
Welche Musik wurde als Soundtrack verwendet?
1) Klangwelten für Jules Verne ...
Drei Jahrzehnte wurde unter Hörspielfans gerätselt, welche Musik EUROPA wohl für die Vertonung ihrer beliebten Verne-Adaptionen verwendet hat. Insbesondere das Hörspiel "20000 Meilen unter dem Meer" und dessen indirekte Fortsetzung "Die geheimnisvolle Insel" fielen nicht nur durch die grandiosen Auftritte des Schauspielers Horst Frank auf, sondern eben auch durch jene stimmige und ausdrucksstarke Orchestermusik.
Durch einen wunderbaren Zufall konnte das Geheimnis um den Jules-Verne-Soundtrack nun gelüftet werden, Grund genug für diesen kleinen Exkurs in die Anfänge der Science-Fiction-Literatur ...
Zugegeben: wie meistens beim Einsatz klassischer Originale in Hörspielen, so wirkt auch dieser Soundtrack stellenweise etwas zu "groß", etwas zu "pompös" für das tatsächliche Handlungsgeschehen. Dennoch wird durch die fein arrangierten, leiseren Passagen auch eine Verbindung zu den handelnden Charakteren erzeugt. Sehr passend für Jules Verne, der seine Figuren ja gern inmitten gewaltiger Naturkulissen platzierte. Bei EUROPA bewies man ein glückliches Händchen mit der Auswahl dieser Musik, denn die melancholischen Harmonien und die kräftigen romantischen Themen rufen das große Abenteuer geradezu herbei.
Für das, was der Franzose Ernest Chausson 1882 tatsächlich mit seiner Tondichtung Op.5 beschrieb, ist die Komposition allerdings erst recht ein wenig übermächtig geraten. Eigentlich geht es bei dem Stück "VIVIANE" nämlich um folgende "kleine" Legende aus der Artus-Sage:
Viviane ist die Geliebte des weisen Zauberers Merlin. Im Wald von Brocéliande verrät er ihr seine magischen Geheimnisse, worauf sie ihn mit seinem eigenen Zauber bannt.
Chaussons Orchesterstück gliedert sich in vier Abschnitte:
1. Liebesszene im Wald von Brocéliande: Merlin und die Fee Viviane
2. Trompetenrufe – Boten von Artus auf der Suche nach Zauberer Merlin
3. Merlin erinnert sich seiner Aufgabe und versucht sich Vivianes Umarmung zu entwinden
4. Zauberszene: Um Merlin festzuhalten, schläfert Viviane ihn ein
Stilistisch ist Chaussons Kompositionen der Einfluss Richard Wagners (1813 – 1883) anzumerken. Trotzdem besitzen seine Werke eine große Eigenständigkeit und verweisen bereits auf den Impressionismus, wie ihn Chaussons guter Freund Claude Debussy mitprägte (1903: "La Mer"). Debussy war zwar ebenfalls ein Bewunderer Wagners, aber anders als Chausson imitierte er dessen Stil nicht. Weil ihm mehrere Pariser Kritiker Wagnerianismus vorwarfen, arbeitete Ernest Chausson seine "VIVIANE" 1887 zu einer Neufassung um.
Es dürfte auch kein Zufall sein, dass uns "VIVIANE" heutzutage so verblüffend geeignet für die Vertonung von Jules Vernes Romanen erscheint: Beide Urheber wurden wohl vom selben spätromantischen Zeitgeist geprägt ...
1868 – (Jules Verne) – Die Kinder des Kapitän Grant
1870 – (Jules Verne) – 20000 Meilen unter dem Meer
1875 – (Jules Verne) – Die geheimnisvolle Insel
1882 – (Ernest Chausson) – Viviane
Södele, ... ich weiß ja nicht, wie es Euch ergeht, aber wenn ich Ernest Chaussons erstem gültigen Orchesterwerk lausche, dann breitet sich vor mir die silbrige, endlose See aus. Ich sehe keinen Zauberwald und keine Feen vor mir, sondern fühle mich sofort auf eine Tauchfahrt mit der Nautilus versetzt, den Wundern der tiefsten Meere auf der Spur ...
Beitrag von
BONDURKAN
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14-12-2008
Hörbeispiel 1:
Das Stück "VIVIANE" beginnt mit sehr leisen, suchenden Streicherakkorden, die sich langsam steigernd in einen hervortretenden Dur-Akkord auflösen. Es folgt ein Moment der Stille, in dem nur eine dumpfe Pauke zu hören ist. Danach wird das tiefe Blech- und Holzbläserthema eingeführt, das im Verlauf des Stücks noch öfter zu hören sein wird. Diese kleine Melodie ist als Titelthema für "Die geheimnisvolle Insel" und für beide Teile von "Die Kinder des Käpt'n Grant" verwendet worden. Die sich anschließenden tiefen Unisono-Streicher bringen eine besonders düstere und bedrohliche Stimmung zum Ausdruck, die hervorragend die Ankunft auf "Draculas Insel" und die Erzählereinleitungen der drei genannten Jules-Verne-Hörspiele unterstützt.
Hörbeispiel 2:
Die zweite Hälfte dieser Passage präsentiert ein deutlich lieblicheres Streicherthema, das so zum Beispiel in "Die Kinder des Käpt'n Grant (2)" am Ende der ersten Szene Verwendung findet. Eine spätere Bläservariante dieser Melodie wird als Titelmusik für "20000 Meilen unter dem Meer" eingesetzt (siehe HÖRBEISPIEL 3).
Hörbeispiel 3:
Zunächst noch zaghaft, kommt hier ein neues Trompetenthema ins Spiel, welches das Stück später in den bewegten Höhepunkt treibt (siehe HÖRBEISPIEL 4). Auch das vorangegangene Streicherthema erklingt nun wieder, diesmal von tiefen Hörnern übernommen und von sirrenden Vibratostreichern begleitet. In genau dieser Variante wird die Melodie als Titelmusik für das Hörspiel "20000 Meilen unter dem Meer" eingesetzt.
Hörbeispiel 4:
Etwa in der Mitte erfährt "VIVIANE" eine Wendung: Das Trompetenthema wird nun von einer treibenden Streicherbegleitung zu einem der dramatischen Höhepunkte gesteigert. Die Streicher lassen sich sehr gut mit Wellenbewegungen und rauher See in Verbindung bringen, daher kommt diese Passage in den Nemo-Hörspielen besonders gut zur Geltung.
Sehr eindrucksvoll zum Beispiel in "Die geheimnisvolle Insel": Nach Nemos Tod brechen die Gestrandeten auf, um die Insel mit dem Floß zu verlassen. Die panische Eile, auf See zu entkommen, wird dabei ausschließlich durch die Zwischenmusik von Chausson ausgedrückt. Das sich steigernde Orchester wirkt wie ein Zurückweichen vor der untergehenden Insel, eine Totale auf den Vulkan, der exakt mit den Schlussakkorden dieser Passage zum Ausbruch kommt... Viel besser ließe sich die Geschichte an dieser Stelle kaum vertonen, weil sich trotz der "Action" auch die Emotionen, die mit Nemos Tod und seiner Vorgeschichte verbunden sind, fantastisch widergespiegeln.
Ein Teil dieser Musikpassage wird auch in "20000 Meilen unter dem Meer" eingesetzt, als Ned Land, Conseil und Professor Arronax am Ende der ersten Szene an Bord der Nautilus genommen werden.
Hörbeispiel 5:
Auch hier bleibt Chaussons Stück noch aufgewühlt und suchend, voller wirbelnder Emotionen, bevor es sich nach einem langen Spannungsakkord schlagartig beruhigt. Der erste, lebhafte Teil der Hörprobe unterstützt viele Szenen in "20000 Meilen unter dem Meer". So illustriert er den Kampf gegen den Riesenkraken und die Flucht von der sinkenden Nautilus. Auch verstärkt er Arronax' eindringliche Warnung an Ned Land, bloß keinen Fluchtversuch zu unternehmen (Ende der ersten Seite). In "Die geheimnisvolle Insel" dient die Steigerung bis hin zum hämmernden Spannungsakkord als Abschlussmusik.
Auch die nachfolgende ruhige Passage wird vielfach in "20000 Meilen unter dem Meer" eingesetzt. Unter einem demütig sirrenden Streicherton taucht neben dem Trompetenthema auch die Hörnerfanfare vom Beginn des Stückes wieder auf. Das ist zu hören, nachdem Ned Land Kapitän Nemo vorm Ertrinken gerettet hat, nach dem vergeblichen Rettungsversuch an John und nach dessen Beerdigung auf dem Meeresgrund. Auch die nachdenklichen Schlusssätze des Hörspiels werden durch diese Passage hervorragend unterstützt.
2) Musik von Ernest Chausson ...
Hallo Bondurkan,
herzlichen Glückwunsch zur "Auflösung" eines der grossen Europa-Rätsel. Die Musik, die so oft bei den Jules-Verne-Vertonungen verwendet wurde, stammt also von Ernest Chausson und heißt Opus 5 / Viviane. Vielen Dank!
Mich würde sehr interessieren, wie Du das heraus gefunden hast!
Ich habe gerade bei amazon gesucht und festgestellt, daß es z.Zt. zwei Versionen davon auf dem Klassikmarkt gibt; beide allerdings neuere Einspielungen. Ich habe bereits einige CDs mit klassischer Musik gekauft, z.B. Dvoraks 9. Symphonie (Schatz im Silbersee, zweiter Teil) und Suppès "Die schöne Galathee" (Das Vermächtnis des Inka). Gerade letzteres Stück wird bei Europa sehr oft verwendet. Ich nehme an, daß Dr. Breuermann, der ja Fachmann für klassische Musik ist, die Musikauswahl getroffen hat. So wurden auch schöne Melodien unbekannterer Künstler in den Kanon "Hintergrundmusik" aufgenommen. Leider hat Europa ja nie erwähnt, welches Stück verwendet wurde. Das herauszufinden wird auch tendenziell schwieriger, da sich die grossen Klassikanbieter wie Deutsche Grammophon, EMI und Philips immer mehr auf Produktionen verkaufsträchtiger Solointerpreten einschiessen. Will sagen: Manches klassische Stück ist kaum auf CD zu finden, weil es nicht mehr verlegt wird. Da kann oft nur noch ebay Abhilfe schaffen.
Nichtsdestotrotz - vielen Dank für Deine Entdeckung. Ich habe mir bereits gestern eine CD mit Viviane bestellt und bin gespannt!
Beitrag von:
KARSTEN
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16-12-2008
3) Klassik bei Europa ...
Hallo, Karsten!
Das Stück von Chausson hat zufällig ein Hörspiel-Fan im Radio gehört und die Entdeckung dann bei Europa-Vinyl.de gepostet. Ohne Internet also keine Chance für eine Aufklärung uralter Insiderrätsel. Aber manchmal spielt das schöne alte Medium Radio eben auch noch ein entscheidendes Röllchen.
Danke auch für die Tipps zu weiterer Hörspiel-Klassik. Das können wir ja gern bei nächster Gelegenheit in unsere Listen der > EUROPA-Soundtracks < aufnehmen. Hier findest Du vielleicht auch für Dich noch den ein oder andere brauchbaren Hinweis.
Und wenn nicht heute - die Liste wird wohl immer mal wieder ergänzt werden ...
cu
Bondurkan
Beitrag von:
BONDURKAN
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16-12-2008
4) Klassik bei Europa ...
Hallo Bondi,
ich bin jetzt stolzer Besitzer der Aufnahme von Ernest Chausson "Opus 5 / Viviane". Habe mir die CD vom Naxoslabel gekauft und bin einfach hin und weg! Meine Güte! Seit über 30 Jahren kennt man nun diese Musik - im Hörspiel natürlich immer nur passagenweise, und nun hört man die knapp 11 Minuten in einem Rutsch durch - natürlich in ohrenbetäubender Lautstärke und sieht dabei im Geiste die Nautilus, wie sie sich auf ihre letzte Fahrt begibt! Grandios! Aber auch merkwürdig, daß dieses Stück trotz seiner grossen Melodiösität bis jetzt von niemandem zugeordnet werden konnte. Ich hatte es inzwischen aufgegeben. Ich war inzwischen fest der Ansicht, daß es eine Europa-Eigenproduktion sein müsse.
Also nochmals danke, Bondi - das war ein Highlight!
Schönen Gruß,
Karsten
Beitrag von:
KARSTEN
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22-12-2008
5) Ohrenschmaus...
Genauso wars bei mir:
Das Werk am Stück zu hören, ist wirklich ein großes Erlebnis, wenn man schon seit Kindertagen diese ganzen Bilder dazu im Kopf hat. Noch dazu erinnert der Stil irgendwie an alte Filmmusiken, was zusätzlich die Phantasie beflügelt.
Die Dankesworte reiche ich glatt durch an Marcus Ebeling und den Radiolauscher Oliver Fülster.
Merci Quadrat!!!!
Beitrag von:
BONDURKAN
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23-12-2008
6) Europa Eigenproduktionen...
Die meisten klassischen Musiken wurden vom Europa-Studio ja noch abgeändert. Das ist sicher ein Grund warum man vieles nicht unbedingt zuordnen kann. Darüber hinaus kennen verhältnismäßig wenige Leute die Europa-Hörspiele. Es sind vornehmlich 1965 bis 1975 geborene Personen. Ein Großteil der Bevölkerung kennt zwar klassische Musiken, aber dafür dann kaum diese Hörspiele ...
Auch grafisch ein Augenschmaus (mit Beispielen für die Ohren) findet ihr hier den Original-Link: http://www.sektor7blau.de/labor_julesverne.htm