Vorschau - Radsport

  • Olympische Spiele - Vorschau
    Ein Hauch von Traditions-WM


    ATHEN, 13.08.04 (rsn) - Olympische Spiele sind noch nicht lange ein Höhepunkt im Kalender der Straßenprofis. Bis 1992 kämpften nur Amateure um Gold, 1996 in Atlanta war es für die Profis eher ein Kuriosum. 2000 waren die Spiele erstmals ein wichtiges Profirennen, doch Sydney ist weit weg und manch ein Star verzichtete auf die Reise. Das Rennen am Samstag in Athen ist dagegen ein wirklich großes Rennen. Das illustre Feld erinnert an die "gute, alte Zeit", als Weltmeisterschaften im August stattfanden. Bei dem Rennen auf einem spektakulären Kurs in der Athener Innenstadt gibt es zahlreiche Favoriten. Olympiasieger Jan Ullrich ist einer davon.


    Vier Jahre nach seinem eindrucksvollen Sieg von Sydney geht Ullrich wieder mit großen Ambitionen an den Start. Für den gebürtigen Rostocker war Olympia immer etwas Großes, schließlich wurde er im DDR-Sport groß, bei dem die Spiele das Nonplusultra waren für die Staatsamateure, während in der Bundesrepublik ebenso wie in den klassischen Radsportnationen im Straßenradsport Olympia keine Bedeutung hatte. In anderen "Profi-Sportarten" von Boxen bis Fußball ist die Situation noch heute so, im Straßenradsport hat die Öffnung von Olympia für Profis dem Rennen innerhalb von drei Olympiaden einen völlig anderen Stellenwert verschafft. Dass allerdings Tour de France (wie auch WM) immer noch mehrere Stufen darüber stehen, zeigt nicht zuletzt das Desinteresse von Lance Armstrong, der sich lieber seiner Familie widmet, als nach Griechenland zu reisen.


    Das Rennen am Samstag in Athen verspricht große Spannung. Es ist offen und die Profis wissen selbst nach der ersten Erkundung noch nicht recht zu sagen, ob der Kurs nun eher leicht ist oder schwer. Das wird davon abhängen, wie das Feld die 17 Mal zu absolvierende 13,2km-Runde in der Athener Innenstadt angeht. Offen wird das Rennen auch deshalb, weil die Nationalteams maximal fünf Mann stark sind. Kontrollieren kann man ein Rennen damit nicht.


    Die Nationalmannschaften der stärksten Radsportnationen Deutschland (Ullrich, Zabel, Klöden, Voigt, Rich), Italien (mit Bettini und Pozzato) und Spanien (Valverde, Freire, Astarloa) werden sich gleichwohl belauern. Australien mit Hamburg-Sieger Stuart O' Grady, die Belgier mit Peter Van Petegem und der Kasache Alexandre Vinokourov, der in Sydney mit seinen Telekom-Kollegen Ullrich und Klöden länderübergreifend zusammenarbeitete, gehören ebenfalls zu den erwarteten Protagonisten. Die fünfköpfige Equipe der Franzosen (mit den jungen Voeckler, Chavanel und den erfahrenen Brochard, Virenque und Moreau) ist für Überraschungen gut.


    Im Peloton in Athen gibt es zwei Kategorien von Rennfahrern: Die einen, die die Tour de France gefahren sind und die, die nicht in Frankreich dabei waren. Was nun am Ende günstiger ist, wird man sehen. Für die einen spricht die Rennhärte, für die anderen die Frische. "Ich bin motiviert bis in die Haarspitzen, aber das Rennen ist auch ein bißchen eine Lotterie", sagt Jan Ullrich, der am Donnerstag ins Olympische Dorf einzog nach kurzer Vorbereitung auf Kreta. "Ich hoffe, dass ich die Form habe aus der letzten Tour-Woche", so der Tour-Vierte.


    Vinokourov ist einer von denen, die hoffen, dass es ein Vorteil ist, die Tour de France nicht gefahren zu sein. So könnte sich für den Silbermedaillengewinner von Sydney im Nachinein der Sturz bei der Tour de Suisse, der ihn den Tour-Start kostete, sogar noch als Glück im Unglück erweisen. Bei der Regio-Tour zeigte "Vino" zuletzt, dass seine Formkurve nach oben zeigt. Auch ein Peter van Petegem kommt ohne Tour de France in den Beinen und mit großen Ambitionen nach Athen. Ein anderer Topfavorit, der Italiener Paolo Bettini hat dagegen seit Monaten keine Ruhepause mehr gehabt. Bei der Tour war er dabei und an den letzten beiden Wochenenden mischte er bei den Weltcup-Rennen in Hamburg und San Sebastian vorne mit. Beide Male war er Zweiter. Bettini hofft auf die Unterstützung des italienischen Teams. Die Squadra Azurra hat zweifellos eine starke Papierform - aber das hatte sie auch bei den letzten beiden Olympischen Rennen in Atlanta und Sydney, wo die Italiener untergingen.


    Der vielleicht größte Favorit auf eine Goldmedaille kommt aus Spanien: Der 24 Jahre alte Alejandro Valverde hat in dieser Saison bereits 14 Siege gefeiert. Bei der Burgos-Rundfahrt dominierte der Südspanier zuletzt und zeigte, dass er im Juli nicht nur auf der Couch lag. Die spanischen Fans, die bei der Tour de France enttäuscht wurden von ihren Kletterstars, setzen große Hoffnungen auf Valverde, an dessen Seite u.a. Doppel-Weltmeister Oscar Freire und der amtierende Weltmeister Igor Astarloa fahren. Berechtigte Hoffnungen auf Olympisches Gold haben aber auch die Holländer (Dekker, Boogerd), Norwegen (Hushovd) und selbst die "armstronglosen" USA (Hincapie). Angesichts dieses starken Feldes kommt schon mal Wehmut auf: Als die Straßen-WM noch im August stattfand, gab es auch beim Regenbogenrennen solche Besetzungen.


    Quelle: www.radsport-news.com