Radsport - Zeitfahren der Männer morgen

  • Olympia-Zeitfahren am Mittwoch
    Auf dem Papier hat Ullrich schon Gold


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    ATHEN, 17.08.04 (rsn) - Beim Olympia-Zeitfahren am Mittwoch steht Jan Ullrich unter Druck. Der 30-Jährige ist auf dem Rouleur-Kurs in Vouliagmeni über 48 km der große Favorit und hat dabei die Chance, die Enttäuschungen der Saison hinter sich zu lassen. Gewinnt er die Goldmedaille, sind verpatzte Tour de France und erst recht der 19.Platz im olympischen Straßenrennen vergessen. "Das Straßenrennen ist immer ein bißchen auch eine Lotterie. Ich habe große Hoffnungen beim Zeitfahren. Die Form ist da", sagt Ullrich.


    Als Ullrich auf dem Kurs am Badestrand der Athener zusammen mit seinen Teamkollegen Erik Zabel und Andreas Klöden, die beim Zeitfahren am Mittwoch nicht starten, trainierte, wehte ein kräftiger Wind. "Ich hoffe, der Wind legt sich", sagte Ullrich, der ansonsten aber keine Klagen hatte: "Es ist ein Rouleur-Kurs, der mir liegen müsste. Man kann große Übersetzungen fahren."


    Ullrich letzter Starter
    Nicht der russische Olympiasieger Vjatcheslav Ekimov sondern Topfavorit Jan Ullrich fährt am Mittwoch um 16.18 Uhr als letzter Fahrer zum olympischen Zeitfahren über 48 km von der Startrampe. Vor dem Silbermedaillengewinner von Sydney startet der Amerikaner Tyler Hamilton. Mitfavorit Michael Rich (Emmendingen) geht um 16.09 Uhr auf die Küstenstrecke in Vouliagmeni außerhalb Athens.


    Goldmedaille als Urlaubsticket
    Die Goldmedaille im Zeitfahren würde Ullrich in seiner umfangreichen Trophäen-Sammlung noch fehlen. Hält er dem Druck stand und setzt seine augenblicklich gute Verfassung um, könnte sich der Wahlschweizer damit auch schon den ersehnten Urlaub verdient haben. Die WM im Oktober in Italien würde er nur bestreiten, «wenn die Form noch stimmt und Gold möglich ist», hatte der Tour-Vierte nach dem Straßenrennen erklärt. Pevenage sagte am Dienstag: «Über einen WM- Start wird Jan in den nächsten Wochen entscheiden. Aber sein Stress, den er seit der gewonnenen Tour de Suisse hatte, ist nicht zu unterschätzen.»



    Nicht nur der zwei Mal zu fahrende 24km-Power-Kurs in Vouliagmeni spricht für Ullrichs ersten Zeitfahr-Olympiasieg. Es fehlen auch die Gegner. "Der einzige, der ihm richtig gefährlich hätte werden können - David Millar - ist nicht da. Die anderen muss er schlagen: Ich rechne mit Gold", sagte Ullrichs Betreuer Rudy Pevenage, der die Spiele zu Hause am Fernseher in Geraardsbergen verfolgt und mit dem T-Mobile-Kapitän in Telefon-Kontakt steht. Der schottische Zeitfahr-Weltmeister von 2003 war der Polizei vor der Tour de France ins Netz gegangen, hatte Doping gestanden, wurde für zwei Jahre gesperrt und verlor den Titel an den Australier Michael Rogers, der am Mittwoch auch ein Medaillenkandidat ist.


    Rechnen muss Ullrich auch mit Konkurrenz aus dem eigenen Nationalteam. Der erfahrene Michael Rich, der als WM-Vierter ebenfalls von Millars Disqualifikation profitiert und demnächst WM-Bronze zugeschickt bekommt, ist immer zur Stelle, wenn große Rennen anstehen. Zwei Mal schon, 2000 in Plouay und 2002 in Zolder verpasste er den WM-Titel im Zeitfahren ganz knapp. "Wenn es darum geht, aus regeneriertem Zustand ein Zeitfahren zu bestreiten, also außerhalb einer Rundfahrt, zähle ich sicherlich zu den Besten", sagt Rich selbstbewusst.


    Am Dienstag trainierten die beiden Starter des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) auf dem abgesperrten Kurs zweieinhalb Runden und fuhren mit großer Übersetzung in Wettkampf-Geschwindigkeit. "Ich bin optimistisch, sowohl Ullrich als auch Rich können Medaillen holen", sagte Teamchef Mario Kummer.


    Ähnlich wie Rich ist auch der Ukrainer Serhiy Honchar, der Weltmeister von 2000, bei wichtigen Zeitfahr-Rennen immer zur Stelle und kommt auch diesmal perfekt vorbereitet nach Athen. Zu den Favoriten zählen muss man ferner den Ungarn Laszlo Bodrogi, den Ukrainer Yuriy Krivtsov und den Schweizer Fabian Cancellara. Spanien hofft auf Jose Ivan Gutierrez, der aber noch an den Nachwirkungen eines Sturzes im Straßenrennen leidet, und Igor Gonzalez de Galdeano. Die beiden haben etwas gutzumachennach dem Desaster der Spanier im Straßenrennen, bei dem Astarloa, Freire, Valverde und Co. untergingen. Andere Fahrer wollen Revanche in eigener Sache: Die bei der Tour de France enttäuschten wie der Amerikaner Tyler Hamilton (Aufgabe), der Kolumbianer Santiago Botero oder der Kasache Alexandre Vinokourov (fehlte ganz) hoffen im Olympiazeitfahren auf eine gute Platzierung.


    Auf dem Papier hat Jan Ullrich die Goldmedaille eigentlich schon gewonnen. Doch mit solchen Vorhersagen muss man natürlich vorsichtig sein im Sport. Dies hat nicht zuletzt das Olympiazeitfahren vor vier Jahren gezeigt. Damals sprach alles von dem großen Duell zwischen Lance Armstrong und Jan Ullrich. Der Deutsche schlug seinen ewigen Tour de France-Rivalen, doch völlig überraschend war der Russe Viatcheslav Ekimov schneller als beide. Dass dem inzwischen 38-Jährigen ein solcher Coup noch einmal gelingt, ist höchst unwahrscheinlich. Für Überraschungen gut sind dafür andere - vielleicht ja der portugiesische Überraschungs-Zweite im Straßenrennen, Sergio Paulinho, der ein Zeitfahr-Spezialist ist.


    Quelle: www.radsport-news.com