"Fluch der Karibik 2" fehlt der Feinsinn seines Vorgängers

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    "Fluch der Karibik 2" fehlt der Feinsinn seines Vorgängers


    VON DANIEL KOTHENSCHULTE


    Im Kino, sagt man, überleben die Mythen. Tatsächlich aber verblassen die eigentlichen Kinomythen oft überraschend schnell. Als Kevin Costner seinen Film Der mit dem Wolf tanzt gedreht hatte, traf er auf ein Publikum, das in seiner Mehrzahl noch nie einen Western auf der Leinwand gesehen hatte. Dabei lagen die letzten italienischen Ausläufer des Genres gerade ein Jahrzehnt zurück. Das kollektive Gedächtnis ist eine Schultafel, die sich von selbst auswischt. Nur noch winzige Spuren bleiben zurück. Das hat durchaus sein Gutes: So staunt man umso unbefangener über das, was einmal selbstverständlich war - die Wirkung imposanter Landschaftsfotografie auf ein existentielles Drama in einem Western zum Beispiel. Oder den Zauber eines realistischen Schiffsmodells in einer Waschschüssel.



    Mit Sparrow im Schlamassel


    Im Falle von Fluch der Karibik ist es etwas anders. Fast jeder hat schon einen Piratenfilm im Kino gesehen - nämlich Fluch der Karibik 1. Was dieses Genre einmal jedoch war, als in den fünfziger Jahren die letzten säbelrasselnden "swashbuckler" gedreht wurden, spielt für den Erfolg wohl kaum eine Rolle. Hans Zimmer hat das Tempo noch einmal angezogen. Zu den Klängen des deutschen Hollywoodkomponisten klettert ein Heer von Geisterpiraten aus den trüben Fluten. Johnny Depp hat als Captain James Sparrow eine lebenslange Schuld bei Davy Jones abzuarbeiten, dem medusenköpfigen Kapitän des "Fliegenden Holländers" - kein angenehmer Anblick mit seinem Bart aus lebendigen Krakenarmen. Nun muss der Fluch gebrochen werden. Auch um einem jungen Liebespaar zu helfen - noch immer im Boot: Orlando Bloom und Keira Knightley -, das Sparrow auf seine chaotische Art mit in den Schlamassel hineingezogen hat.


    Was in anderen Zeiten einen hübschen Operettenstoff abgegeben hätte, orchestrieren der bekannteste Actionproduzent und Blockbuster-König Jerry Bruckheimer und sein Vollstrecker im Regiestuhl, Gore Verbinski, mit exakt jenem Kanonendonner, den seine Fans von ihm erwarten.


    Wie beim letzten potenziellen Sommerhit dieses Jahres, der an den Kinokassen wohl nicht einmal die Hälfte seiner Kosten wird einspielen können, Wolfgang Petersens Poseidon, ist es ein Spiel mit der Erwartung. Doch während das erste, kläglich havarierte Seestück diese lediglich antizipierte und vorauseilend zu bedienen suchte, folgt die Bruckheimer-Produktion dem alten postmodernen Credo: dass nicht weniger mehr ist, sondern mehr mehr ist. In diesem Fall also vor allem: mehr Meer. Und mehr Stunt- und Tricksequenzen, die sich umso natürlicher in den Fluss des Spektakels einfügen, als sie jeder dramaturgischen Vernunft entbehren.


    Hier werden nicht die Höhepunkte sorgsam verteilt; sie werden mit vollen Händen über einer nicht weniger verwegen ausgedehnten Laufzeit ausgeschüttet. Ein sich über eine ganze Insel erstreckender Fechtkampf unter Einbeziehung einer Windmühle zum Beispiel, eine Flucht vor Kannibalen in einer rollenden Kugel oder ein Kampf mit einem ausgemotteten Riesenkraken aus der Disney-Schatzkiste, der in seinen besseren Tagen der Star eines eigenen Films gewesen ist - der Jules-Verne-Verfilmung 20 000 Meilen unter dem Meer von 1954.


    Damals komponierte man Abenteuerfilme wie ein mehrgängiges Menü. Heute gleichen sie einem überdimensionierten kalten Büfett, das man schnell aufessen muss, bevor es jemand abräumt. Wenn man sich fragt, wie eine solche Fülle an Actionszenen überhaupt zu bewerkstelligen war, selbst wenn die Drehzeit 200 Tage umfasste, lautet die Antwort: Ganz einfach, man drehte gleichzeitig noch Teil drei parallel. Nach Ausnutzung der längsten im normalen Kinobetrieb möglichen Laufzeit endet der Film, und das ist wirklich ein Freibeuterstück, unverrichteter Dinge. Fortsetzung folgt.



    Der Pirat als Späthippie


    Als im Jahre 2003 der erste der Pirates of the Caribbean heraus kam, wurde das Ergebnis allenthalben bewundert. Johnny Depps absurde Abgründigkeit in der Hauptrolle war ganz und gar seine Erfindung: Der Pirat als überdrehter Späthippie, chronisch desorganisiert und selbst sein größter Stolperstein - man konnte sich nicht sattsehen. Diese Rollenauffassung war einerseits neuartig, ließ anderseits aber auch noch genug durchschimmern vom alten Errol Flynn - jenem Dandy-Freibeuter, der das alte Hollywood nicht zuletzt mit seiner ausgelebten Bisexualität irritierte. Dieser ironische Rückblick auf ein Genre, das sich freilich niemals wirklich ernst nahm, war mehr als man erwarten konnte von einem Film, der seine direkten Vorbilder nicht einmal im Kino fand: Pirates of the Caribbean ist eine legendäre Disneyland-Attraktion.


    Beim zweiten Teil staunt man nicht mehr über die gekonnte Genretravestie. Es gibt in Fluch der Karibik 2 keine Drehbuchideen zu bewundern, das Computerspielen ähnliche jump-and-run ist die vorhersehbarste aller Dramaturgien. Allein die Neugier auf das nächste Level hält uns vorm Computer. Dennoch wäre es ausgesprochen unredlich, dieses Manko zu betrauern. Denn da in fünf Jahrzehnten so selten Kanonendonner Waschzuber aufschäumte, reicht der Hunger auch noch für einen zweiten, vielleicht sogar einen dritten Auftritt der Piraten.


    Pirates of the Caribbean - Fluch der


    Karibik 2, Regie: Gore Verbinski, mit Johnny Depp, Orlando Bloom, Keira Knightley,
    USA 2006, 150 Minuten.


    http://www.fr-aktuell.de/in_un…feuilleton/?em_cnt=936012

  • Zitat

    Original von Poldi
    ...oder ein Kampf mit einem ausgemotteten Riesenkraken aus der Disney-Schatzkiste, der in seinen besseren Tagen der Star eines eigenen Films gewesen ist - der Jules-Verne-Verfilmung 20 000 Meilen unter dem Meer von 1954.


    Aha! Gibt es hier ein Wiedersehen mit dem Kraken? ;)
    [Blockierte Grafik: http://www.j-verne.de/20000_1954_FP7.jpg]

  • hier meine rezi:



    Nach den letzten Abenteuern um die Geheimnisse der Black Pearl wurde es ruhig in den tosenden Gewässern der Karibik und so steht der geplanten Hochzeit der schönen Elisabeth Swann (Keira Knightley) mit dem ehemaligen Schmied Will Turner (Orlando Bloom) eigentlich nichts mehr im Wege. Eigentlich. Doch als urplötzlich das sagenumwobene Geisterschiff "Fliegender Holländer" auftaucht und sein monströser Captain eine Lebensschuld bei dem chaotischen Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) einfordert, ist es mit der Ruhe und den Hochzeitsvorbereitungen erstmal vorbei. Im Kampf gegen den "Fliegenden Holländer" und seine mutierte Crew müssen die drei ungleichen Freunde alle Register ziehen, um dieses Abenteuer lebend zu überstehen...


    In allerbester Monkey Island Manier kommt "Fluch der Karibik 2" daher. Gigantische Kulissen, geniale Kostüme, die zum Teil sehr detailverliebt erschaffen wurden, tolle Spezialeffekte, gepaart mit einer gehörigen Portion Witz und einem Soundtrack, der passender kaum sein könnte. Das sind sicherlich die Haupteigenschaften, mit denen sich dieser Blockbuster umschreiben lässt. Wer hier mehr als Popkorn-Kino der Extraklasse erwartet, sollte sich lieber "Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit" oder "Der Krieger und die Kaiserin" reinziehen. :lol:
    Besonderen Lob verdienen sicherlich die zahlreichen Effekte im Film, die nahezu immer zu überzeugen wissen. Vor allem die Szenen mit dem Riesenkraken sind echt mal Megageil umgesetzt. Eines sei jedoch zum Schluß noch erwähnt.... am Ende gibt's einen fiesen Cliffhanger, der mit voller Absicht auf den dritten und letzten Teil der Trilogie hinweist, welchen wir nächstes Jahr im Mai bewundern dürfen. Bleibt zu hoffen, dass der Showdown dann mindestens den Vorgängern ebenbürtig und hoffentlich noch besser ist.

    Unterwegs sein


    das ist es doch
    per pedes per Rad
    per Bahn per Flugzeug
    per Kopf in ferne Zonen
    zu finden was unauffindbar
    jenseits der Grenzen
    deiner selbst

  • Zitat

    Original von Poldi
    Danke, Johnny! Und, hast Du die Krake gesehen? ;)


    wirklich einer der highlights im film. :]

    Unterwegs sein


    das ist es doch
    per pedes per Rad
    per Bahn per Flugzeug
    per Kopf in ferne Zonen
    zu finden was unauffindbar
    jenseits der Grenzen
    deiner selbst