Verlag Neues Leben Berlin

  • Hallo


    was haltet Ihr denn so generell von der Gestaltung der Hardcover aus dem Verlag neues Leben?
    Ist teilweise die Kürzung einiger Bücher so extrem?
    Man stelle "die Reise um die Erde in 80 Tagen/ Reise zum Mittelpunkt der Erde" gegenüber den 2 Reprints der Hartlebenbände. Von der Seitenzahl betracht ist es ja doch schon ein unterschied.
    Ein paar Bände aus der Reihe stehen bei mir mittlerweile auch im Bücherschrank und ich muss sagen das die mir ganz gut soweit gefallen.
    Rein Optisch betrachtet.


    Gruß
    Patrick

  • Hallo Patrick,


    vielleicht mal zuerst zu den Kürzung: Die Texte der NL Ausgaben beruhen bis auf weinge Ausnahmen nicht auf Eigenübersetzungen. Der Verlag hatte sich die unterschiedlichsten Quellen "zusammengesucht". Zu erkennen am Hinweis in der Titelei: Basierend auf eine alte Übersetzung. Wenn die Quelle dann eine Weichertausgabe war, dann findest du eben die "bearbeitete" Version von Weicherts Übersetzer/Bearbeiter Heichen (Vater und Sohn) wieder. Eigenübersetzungen, z.B. Kinder des kapitän Grant, waren so gut, dass sogar Diogenes oder die Bücherbundausgaben diese übernommen haben. Noch ein Hinweis zu den öfters in bestimmten Medien genannten "politischen Kürzungen / Bearbeitungen": Ich habe solche Stellen noch nicht gefunden. Ich denke, dass es sich dabei um Fehlinterpretationen durch nicht Erkennen der alten Quellen handelt (die eben schon im Ursprung vom Original abwichen). Ich glaube Verne war so unpolitisch, dass es keiner Überarbeitung Bedarf. Und seinen Groll gegen den britischen Kolonialismus durfte er auch in diesen Büchern 1:1 rüberbringen, da das linienkonform war ...


    Zur Gestaltung: Auf jeden Fall eine individuelle Lösung, obwohl manchmal, grad in den End-80ern Künstler zum Einsatz kamen, deren Stil ich nicht passend zum Werk Vernes finde. Aber das ist Geschmackssache. Im Gegensatz dazu finde ich einige Bücher ich optisch gelungen (z.B. Illus von Häntschel, Binder).

  • Hallo Patrick, ich habe die Serie vom Verlag Neues Leben erst spät kennengelernt. Als Kind hatte ich zunächst die 20 Taschenbücher aus dem Fischer Taschenbuch Verlag, deren Gestaltung ebenfalls außergewöhnlich ist, hier ein Beispiel:


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    Die Gestaltung der Hardcover-Ausgaben vom Verlag Neues Leben gefällt mir ähnlich gut, deshalb sammle ich sie auch. Diese Serie hat ihren eigenen Charme, die Illustrationen sind zwar nicht immer gut, aber immer außergewöhnlich. Mir gefällt's!

  • Also ich bin mit den schwarzen Paperbacks von Jules Verne aufgewachsen und sie waren nicht nur bei mir „heißgeliebt“. Insofern bin ich dem Verlag Neues Leben dankbar die Fahne für Jules Verne hochgehalten zu haben. Die Gestaltung der Bücher war nicht überwältigend aber angemessen. Der Inhalt zählte und die abwechslungsreichen Schauplätze.

    An so etwas wie "politischen Kürzungen / Bearbeitungen" habe ich damals als Kind bzw,Jugendlicher gar nicht gedacht. Heute bin ich da allerdings schlauer.

    Natürlich war Jules Verne weitgehend „unpolitisch“. Trotzdem wurde durch den Verlag Neues Leben Berlin Jules Verne in ein sozialistisch gefälligeres Licht gerückt, bzw. war Jules Verne geradezu prädestiniert dafür ihn für „sozialistisches Gedankengut“ zu missbrauchen.

    Dies möchte ich auf folgende Art beweisen:

    1. Durch die Auswahl der Titel:

    Bsp. „Die geheimnisvolle Insel“ (im Verlag Neues Leben erschienen) vs. „Die Schiffbrüchigen der Jonathan“ (Nicht bei VNL erschienen).

    „Die geheimnisvolle Insel“ handelt salopp formuliert von 5 Personen die auf einer Insel stranden. Sie schaffen es nicht nur zu überleben, nein sie bilden binnen kürzester Zeit eine kleine Gesellschaft. Dafür brauchen Sie kein Geld, einer ist für den anderen da, gerechte Arbeitsteilung ect…. Genau so funktioniert doch Kommunismus (oder nicht?)

    Dagegen „Die Schiffbrüchigen der Jonathan“. Auch hier ist eine Gruppe Personen (ich glaube es waren 200) die nach einem Schiffbruch gezwungen sind eine Gesellschaft zu bilden. Die Versuche sind hier allerdings kläglich. Neid, Missgunst und Habgier lassen dieses Vorhaben fast scheitern. Ohne die Hilfe eines starken Führers, der noch dazu außerhalb der Gesellschaft steht (Kaw-djer), wären die Leute verhungert und zugrunde gegangen.

    „Die Schiffbrüchigen der Jonathan“ in der DDR zu veröffentlichen, wäre dem Eingeständnis gleich gekommen, dass Sozialismus bestenfalls nur im ganz Kleinen funktioniert und nicht bei 17 Millionen Menschen.

    Wie gesagt, dies ist nur EIN Beispiel, hätte bestimmt noch 3 oder 4 auf Lager…(z.B.“Der Archipel in Flammen“, griechisch-türkischer Freiheitskampf, die Griechen wollten doch bestimmt den Kommunismus oder ? :D: )


    2. Durch politischen Kürzungen / Bearbeitungen

    Hier hatte ich besonders an den Doppelband Robur – Der Sieger / Der Herr der Welt gedacht. Vielleicht später mehr dazu.



    Ralf

  • Vielen Dank für die vielen Antworten.
    Vorallem sind viele Interessante Informationen dabei.


    Mir fällt auch auf das es teilweise extrem viele unterschiedliche Cover pro Band bei den Hardcvoverausgaben gibt.
    Von Auflage zu Auflage unterschiedlich.


    Gruß


    Patrick

  • Jedes neue Cover bedeutete, dass es inhaltlich Änderungen gab. Meist Kürzungen. Bei Grant ist z.B. die ganze Geschichte der Entdecker Australiens und so in einer späteren Ausgabe gestrichen worden. Oder das Vor- und Nachwort ist weggefallen. Ich denke das lag daran, dass beauflagt wurde von zentraler Stelle, dass in einem Planjahr soundso viele neue Bücher aufgelegt werden sollten. Da wurde eben "alter Wein in neue Schläuche" verpackt - und simsalabim - ein neues Buch war auf dem Markt. Der Plan war erfüllt ....

  • Hier der Nachtrag von gestern:


    2. Durch politischen Kürzungen / Bearbeitungen


    Besonders das Ende der beiden Romane Robur der Sieger und Der Herr der Welt (als Doppelband erschienen beim Verlag Neues Leben) ist politischen Bearbeitungen unterworfen worden.

    Beim „Robur“ fehlen fast 2 Seiten Schlussteil. Dadurch wird der Focus besonders auf gesellschaftspolitische Aspekte gerichtet „…Und dieser Tag wird kommen, …, dass sie in Frieden und Eintracht miteinander lebt (die Menschheit)….“. Hier ist der Roman zu Ende.

    Bei Hartleben geht’s aber noch weiter:
    z.B.“…Robur ist die künftige Wissenschaft von morgen….Reserve für die Zukunft“
    oder
    „Die Zukunft der Fortbewegungsmittel gehört dem Luftschiff, nicht dem Ballon“.

    Die technische Innovation, für die Jules Verne in vielen seiner Romane steht, wird hier einfach zugunsten einer gesellschaftlichen übergangen.

    Im Roman „Der Herr der Welt“ wurde hingegen ein gesamter Absatz „hinzugedichtet“ und er endet beim Verlag Neues Leben nun so:
    “Und möge er es nicht zulassen (Gott)“ setzte ich hinzu, “ dass solche Übeltäter, die den Erfindungsgeist des Menschen missbrauchen, in der Zukunft der Strafe für ihre Verbrechen entgehen...“ “Das gebe der Himmel“

    Diese Änderungen geschahen in der DDR wohl vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Mitteleuropa.

    Ich hoffe mal, dass meine Ausführungen nicht allzu langweilig waren und mir keine gravierenden Fehler unterlaufen sind. ;);

    Ralf

  • Ich habe mir neulich das Buch "Die Kinder des Kapitäns Grant" gekauft. Nun wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es davon sowohl gekürzte als auch ungekürzte Ausgaben gibt.


    Es gibt viele Beiträge dazu, aber keinen der mir beantwortet, WORAN man erkennt, ob meine Ausgabe gekürzt ist oder nicht.


    Meine Ausgabe ist vom:
    Verlag Neues Leben
    Hardcover
    Jahr 1960
    ca. 528 Seiten
    6. Auflage
    Übersetzt von Walter Gerull-Kardas

  • Hab mal Fotos gemacht aus meinem Archiv:


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    Gebrüder Weiss Verlag, Berlin Schöneberg, 1958, Neue dt. Übersetzung von Walter Gerull-Kardas, Mit kolorierten Federzeichnungen von Werner Klemke, Nachwort Wolfagang Bator


    Fällt da was auf? Könnte es sein, das dies das erste Mal ist, dass diese Übersetzung außerhalb DDR auftaucht? (Berlin-Schöneberg müsste West Berlin gewesen sein, Preisangaben im Buch sind in DM). Die Federzeichnungen von Klemke sind ja auch noch drin.
    Der Gebrüder Weiss Verlag hat hauptsächlich Science Fiction publiziert. Auch "Reise um die Erde in 80 Tagen" erschien hier als TB.


    Die meisten späteren Publikationen von "Die Kinder des Kapitän Grant" dürften auf der Übersetzung von Walter Gerull-Kardas basieren, (gekürzt und ungekürzt) besonders Diogenes und Hartleben Reprints und alle späteren VNL, zu Bärmeier&Nickel bzw. Fischer Verlag kann ich nichts sagen.


    Die Gebrüder Weiss Ausgabe ist ungekürzt. Sie hat 540 Seiten und ist im Format kleiner als bei Verlag Neues Leben.


    Noch nen Foto der Titelseite als Abschluß:
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    Ralf

  • Dem Verlag Neues Leben (VNL) war es nicht gestattet, den Vertrieb in Westberlin und Westdeutschland durchzuführen. Daher nutzte man die Gebrüder Weiss als "Briefkastenfirma", sprich als Lizenznutzer in Berlin West. Gedruckt wurde das Buch im Osten. In deinem Falle weiss ich es nicht genau, in anderen Fällen erfolgte der Druck und die Bindung bei Wilhelm Leut in Leipzig. Du wirst es am Satz erkennen, der Stock ist 1:1 identisch mit VNL.


    Mit dem Weiss-Verlags-Eindruck durfte die Variante dann aber nicht im Osten vertrieben werden.


    Wer übrigens noch die TB-Variante von "... 80 Tage ..." sucht, die auch umgelabelt bei Weiss so erschienen: 2 Exemplare hab ich noch übrig. Siehe Anlage.



    :rolleyes2:

  • Andreas
    Danke für den Hinweis :thumbsup: . Stimmt alles exakt. Die Gebrüder Weiss Variante von "Die Kinder des Kapitäns Grant" etspricht 1:1. "spannend erzählt" Ausgabe VNL.


    Die späteren Paperbacks sind etwas größer, daher die Irritation. Die "spannend erzählt" Ausgabe von 1953 habe ich nicht. Die immer gleichen Übersetzungen haben mich hier eher abgestoßen, alles haben zu müssen.
    Aus Übersetzer Walter Gerull-Kardas wurde übrigens in den späteren gekürzten Ausgaben Walter Gerull. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. :S
    Spätere Ausgaben wurden dann vermutlich auch für andere Westverlage in der DDR gedruckt als "Devisenbeschaffung". Auffällig wurden die Bücher bestenfalls durch einen anderen Titel (Aus der "Insel des Verderbens" wurde "Vor der Flagge des Vaterlands") Ansonsten sind die Bücher bis auf den Verlagshinweis 1:1 mit VNL.


    Im Großen und ganzen gibt es bei VNL ein ziemliches Auflagenwirrwar. Als erstes erschienen nahezu parallel in der "kompass Reihe" oder in "Spannend erzählt" Reihe Bücher von Jules Verne. Das richtete sich wohl erstmal nach dem Umfang der Bücher. Nächste "Evolutionsstufen": farbige Paperbacks, Titelzusammenführungen (z.B. Von der Erde zum Mond, Reise um den Mond), dann nur noch schwarz (zusätzlich Buchclub65), die Softcover nicht zu vergessen und schließlich die oktav-Einzelausgaben, die die Wende bis 2003 überlebten. Hier waren wieder alles Einzelausgaben bis auf Mathias Sandorf (2 Bände).


    Das Kuriose dabei ist, das kaum ein Jules Verne Buch alle "Evolutionsstufen" durchgemacht hat. Aber "Die Kinder des Kapitäns Grant" ist nah dran (keine Softcoverausgabe?) Hier war wirklich eine Planübererfüllung.


    Ralf

  • @ Andreas
    Du hast wie immer recht. "Die Insel des Verderbens" ? V-E-R-D-A-M-M-T :keule: Und das mit der "Evolutionstheorie stammt natürlich auch ursprünglich von dir.




    O.k. Nochmal zum Mitmeißeln, "Die Erfindung des Verderbens", hier alle Titelklone nebst den wichtigsten Verlagen:


    1. Die Erfindung des Verderbens , Hartleben, Verlag Neues Leben, es gibt auch einen Film mit diesem Titel
    2. Hoch die Flagge des Vaterlandes , Weichert
    3. Vor der Flagge des Vaterlandes, Adolph Schumann Verlag
    4. Der fliegende Tod, Herder Verlag, basierend auf VNL


    Weitere Verlage zu diesem Jules Verne Roman dürfen gerne ergänzt werden.


    Und hier gibts auch gleich noch den anderen Titelklon von Herder bei ebay zu ersteigern:
    http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAP…&ssPageName=STRK:MEWAX:IT


    Ralf