Michel Houellebecq - Ein Jules Verne der Ethologie und Soziologie?

  • Die Sendung "Druckfrisch" (zu sehen in der ARD spätnachts oder in der ard-Mediathek) hat am 01.05.2011 ein Interview mit Michel Houellebecq ausgestrahlt. In der Anmoderation wurde Houellebecq als ein "Jules Verne" der Ethnologie und Soziologie bezeichnet. Auch wenn meines Dafürhaltens beide Autoren nichts miteinander gemein haben, außer das sie halt Franzosen sind (und man schon ziemlich querdenken muss) um da Zusammenhänge zu sehen, das Interview ist Doppel-plus-gut. :thumbsup:
    Einfach mal die Sendung 18 Minuten 30 vorspulen und genießen! Ggf. noch vorher die Spiegelbestsellerliste mitnehmen, die vorher läuft (ab 13 Minuten), die Sendung ist noch nicht so alt.


    http://www.ardmediathek.de/ard…517136?documentId=7055398



    Also ich würde für einen persönlichen Vergnügungspark gerne auf die Hunde verzichten. :D:

  • Nachtrag zu Literatur von Michel Houellebecq:



    Houellebecq schreibt recht gute Romane (für meinen Giftschrank!), sehr stilsicher aber bei Weitem nicht so kontrovers und durchgeknallt wie ich es mir gerne erhofft hätte. Für Moralapostel und Menschen mit religiösen Hintergrund mögen seine Romane aber durchaus kontrovers wirken.



    Sein neuestes Buch "Karte und Gebiet" habe ich nicht gelesen, dafür den Science-Fiction-Roman "Die Möglichkeit einer Insel".
    Ein Buch über das Klonen. Da wird das Leben von Daniel1 (heute) und Daniel40oderso (in 2000 Jahren beschrieben). Daniel40 ist also die 40. Kopie von Daniel1. Was daran kontrovers sein soll, weiss jeder Hobbygentechniker: alle Daniels haben den gleichen Charakter, die Vorliebe für Hunde, die gleichen explizit geschilderten sexuellen Vorlieben (blond). Daniel40 ist degenerierter als das Original Daniel1 (auch klar, denn beim Klonen gehen bekanntlich Erbinformationen verloren). Bei Daniel40 ist dann Schluss, weil weitere Daniels im Jahre 4000 aufgrund der Apokalypse abgesagt wurden. Außerdem erfährt man, dass die Daniel- Klone sehr gerne Suizid betreiben bzw. betrieben haben, aber wenn nachgeklont werden kann, ist das kein Problem (diese Aussage soll dann wohl die Religionsanhänger unter uns provozieren).



    Mit den Visionen eines Jules Verne hat dies auf jeden Fall nichts zu tun, da die Technischen Voraussetzungen im 19. Jh. einfach gefehlt haben (daran dachte Jules Verne einfach noch nicht, es gab wichtigere Utopien), bzw.. der technologische Fortschritt hat sich bei Verne in anderen Dingen verankert (z.B. neue Verkehrsmittel, mit all seinem Konsequenzen bis hin zur Raumfahrt). Zumindest Zwillinge und die damit einhergehende Verwechslungsgefahr gleich aussehender Personen, dies war schon mal Thema bei Jules Verne (Nord gegen Süd).



    "Die Möglichkeit einer Insel ist da eher mit Aldous Huxleys "Schöne neue Welt" (1932) zu vergleichen, der seine Klone in Alphas, Betas, Gammas und Deltas einteilt (Alphas sind die Elite, Deltas dann die molochenden aber glücklichen, weil drogenabhängigen Arbeiter). Der Huxley ist da der weitaus bessere Roman zum Thema Klonen, da er ein Szenario beschreibt auf das unsere heutige Wirtschafts- und Medienkultur mit wachsender Begeisterung zuzuarbeiten scheint.



    Ralf

  • ... bei manchen Autoren denke ich, sie schreiben und versetzen sich in eine Welt der Gedanken, weil sie für das praktische Leben nicht geschaffen sind. In dem Interview kam der Autor sehr verstört rüber, vom ersten Auftritt an. Ich konnte mir aber nach einigen Minuten vorstellen, warum er bestimmte Dinge in den Preis von Huren so ohne weiteres umrechnen konnte.


    Seine Bücher kenne nicht, die Sendung hat aber nicht unbedingt meinen Wunsch verstärkt, sie kennen zu lernen. VIelleicht war es ein bisschen zu viel unkonventionell sein zu wollen ....


    Deine Beschreibung des Romans "Die Möglichkeit einer Insel" hat mehr mein Interesse geweckt. Das dort auch wieder der Suizidgedanke drin ist (wie auch im Interview angeschnitten) scheint bei dem Autor irgendwie Programm zu sein ... Trotzdem werd ich das mal auf meine Leseliste setzen.


    :wacko:

  • Also empfehlen möchte ich dir den Houellebecq "Die Möglichkeit einer Insel" explizit nicht! Jedenfalls nicht bei grauem Novemberwetter! Ich habe nicht umsonst geschrieben Literatur für meinen "Giftschrank". Der Roman ist gut geschrieben, ohne Zweifel, aber er potenziert negative Stimmungen. Nicht umsonst ist Suizid ein wohl durchgängiges Thema bei Michel Houellebecq. Außerdem versucht er Menschen mit seiner Literatur zu verletzen (was mich aber Gott sei Dank kalt lässt, da Atheist aus Überzeugung). Die Literatur eines Franz Kafka oder Edgar Allen Poe ist übrigens in ähnlichen Gefilden angesiedelt. Also nur in absoluter Hochstimmung lesen. Literatur quasi als Droge, als Stimmungsverstärker oder -vernichter!
    Und Jules Verne würde ich generell als positive Literatur einstufen, genau das richtige also für den trüben Herbst. "Die Kinder des Kapitäns Grant" ganz besonders, genauso wie den Walter Moers "Die 13einhalb Leben des Käptn Blaubär" (Lachen hilft immer!)
    Die ganze übrige Literatur liegt (für mich) irgendwo dazwischen.
    Also, falls jemand mal einen Tipp hat bezüglich "Literatur für den Giftschrank": Ich habe wieder Platz im Bücheregal, da angebaut! :whistling:


    Ralf