Rätsel - Achtung kein Jules Verne!

  • Nachfolgend gebe ich euch mal den Klapptext eines Buches aus meiner Sammlung wieder, der mich als Abenteuer- und Science-Fiction-Interesierten gnadenlos in die Irre geführt hat mit meinen Erwartungen an dieses Buch und der gleichzeitig zutreffender nicht sein könnte. Wie lautet der Name und der Schriftsteller dieses Buches?


    Lieber Leser,


    Sie sind es gewohnt, an dieser Stelle etwas über den Inhalt des Buches zu erfahren, das sie gerade in den Händen halten. Drei oder vier Sätze, die Sie informieren und Lust auf die Lektüre machen sollen.
    Dieses aber, ein außergewöhnliches und vielschichtiges Werk, entzieht sich jeder Beschreibung und jeder Kategorie.
    "London ist unterhöhlt, Roboter rücken an, Revolution droht:
    In seinem Roman (Titel), einem grotesken Geschichtsschmöker voller Schauerszenen, entdeckt der junge Engländer (Name des Autors) im Hexenkessel des 18. Jahrhunderts aktuelle Ängste - ein aufsehenerregendes, wortgewaltiges literarisches Debütwerk."
    .....
    Aber was sagt das über dieses phantastische, unbeschreibbare Buch? Es fehlen die Worte, es bleibt nur die Empfehlung:
    Lesen Sie es! Es ist ein Abenteuer.


    Einen Preis möchte ich nicht ausetzten (googeln kann schließlich jeder!, obwohl auch das nicht allzu einfach werden dürfte). Vielleicht diesen Preis: Eines der besten Bücher der letzten 20 Jahre zu kennen und vielleicht sogar gelesen zu haben.


    Ralf

  • Wirklich schwierig zu sagen, ob das Buch das Richtige für dich ist. Wenn du dich für die Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts interessiert, definitiv ja. Aber ich sage gleich, es ist ein schwieriges Buch,zumindest die ersten 100 Seiten. Man sollte schon ein bißchen bewandert sein in der europäischen Geschichte, aber auch in der griechischen Mythologie, damit man auch nur ansatzweise der Geschichte folgen kann und es nicht nach den ersten paar Seiten genervt zur Seite legt. Lies dir mal den WikiLink zu Lawrence Norfolk durch. Dort werden auch die 3 Bücher von Norfolk in 2 bis 3 Sätzen beschrieben. An eine Rezension von Lempriere's Wörterbuch hat sich aber bei wikipedia noch keiner gewagt, du siehst wie schwierig das Thema ist.



    http://de.wikipedia.org/wiki/Lawrence_Norfolk




    Der Übersetzerstreit mit Hanswilhelm Heafs hat ihn aber offenbar dazu bewogen, späteren Ausgaben des Buches (meines ist beispielsweise von Bertelsmann u. nicht von Knaus), ein Dossiers des Übersetzers beizufügen, welcher der eigentliche Schatz dieses Buches ist. Lempriere's Wörterbuch ist nämlich zwar ein historischer Roman, aber er ist aus der Sicht des 18. Jahrhunderts geschrieben, nicht aus der des 20.! (wo es eigentlich entstanden ist) Der Leser muss also "aktuellen" Bezüge für das 20. und 21. Jahrhundert selbst interpretieren können. Und der Roman ist so genau historisch recherchiert, dass der Roman wirklich wahr sein könnte, trotz seiner Science-Fiction Elemente. Der Autor geht dabei von folgender Theorie aus, das etwas Unwichtiges genauer recherchiert werden muss, als etwas für die Geschichte Wichtiges, um den Roman glaubhaft zu machen. Beispiel: Am 2. November 1792 früh um 9 hat es in Frankreich geregnet (ist so basta, dem Autor kann das Gegenteil niemals bewiesen werden, das ist die EINZIGSTE historische "Unwahrheit diese Buches"). ALLES andere ist penibel und wasserdicht recherchiert. Darin liegt die große Leistung des Romans, dass man als Leser Historie und Romanhandlung nicht mehr voneinander trennen kann.



    Der 2. Roman von Norfolk "Ein Nashorn für den Papst" ist genauso peinlichst genau recherchiert worden,um nicht zu sagen penibel, eine Geschichte, die ihren Bogen von einem Kloster auf Usedom bis nach Indien spannt. Und wieder geht es um "undurchsichtige Organisationen" und Geheimbünde wie die Ostindien-Gesellschaft. Die Welt befindet sich hier direkt an der Schwelle der Reformation. Grosse Dinge kündigen sich an, wie die beginnende Kolonialisierung Amerikas durch Spanien und Portugal, die Renaisance (die hat ja auch ihren Ursprung in der Antike). Dabei stellt Norfolk Fragen wie "Warum hat Albrecht Dürer dem Nashorn in seinem Holzschnitt von 1515 ein 2. Horn hinzugefügt? Wie kam es, das es eine Fistel am Anus Giovanni de Medicis ermöglichte Papst Leo X zu werden?



    Der 3. Roman Norfolks "In Gestalt eines Ebers" geht ganz auf in der griechischen Mythologie. Hier wird im im Ersten Teil die kalydonische Jagd auf einen Eber beschrieben. Eine Nacherzählung der griechischen Sage, wo selbst mir die Fußnoten zu lang waren (teilweise über ganze Seiten). Der 2. Teil ist dann die spannende Jagd auf einen SS Hauptmann (mit Namen Eber!) , geführt durch griechische Partisanen. Der "Eber" wird dabei genauso zur Strecke gebracht wie in der griechischen Mythologie.



    Also ich sage mal, Norfolk ist etwas um seinen Horizont zu erweitern, ohne Vorbildung und/oder Sekundärliteratur geht es kaum. Im krassesten Fall, falls man da unbedingt durchwill durch diese Bücher, einfach das Buch von Schwanitz "Bildung - Alles was man wissen muss" gleich mitbestellen. Bildung ist nicht angeboren (hier werden maximal die sozialen Weichen gestellt), Bildung kann man wirklich und wahrhaftig erlernen!



    Norfolk ist keine "Giftschranklektüre", sondern definitiv etwas, das ich jedem ans Herz legen kann, der bereit ist seinen Horizont zu erweitern.




    Die Person Lemprieres gab es übrigens wirklich. Zitat wikipedia:


    Zitat

    Literarisch verarbeitet wurde die Person Lemprière von Lawrence Norfolk, der mit seinem Erstlingswerk "Lemprière's Wörterbuch" den jungen Wissenschaftler in eine wüste, aber literarisch hervorragende Räuberpistole um Familienflüche, Geheimbünde, Verschwörungen und Automatenmenschen hineinwirft, in deren Verlauf er Lemprière auch sein Wörterbuch erstellen lässt.


    Nunja, so kann man natürlich den Inhalt dieses Erstlings von Lawrence Norfolk auch auf den Punkt bringen :huh:




    Auf jeden Fall finde ich gut, dass überhaupt jemand eine Antwort gepostet hat, sogar die Richtige :danke:



    Ralf