Raubtiere in Verne's Romanen

  • Mir ist aufgefallen, dass Verne u.a. immer sehr detailliert auf die Tierwelt der Region eingeht, in welcher der jeweilige Roman spielt.
    Irritierend finde ich in diesem Zusammenhang, dass stets "Tiger, Löwen, Panther und Geparden..." zusammen erwähnt werden, völlig unabhängig davon, in welcher Region der Roman spielt und diese Tiere in der Natur nie zusammen in einem Lebensraum vorkommen.


    Hat jemand hierzu eine Erklärung? Die Lebensräume und Verbreitungsgebiete der Großkatzen dürften doch im 19.Jh. bekannt gewesen sein...
    Oder liegt es vielleicht am Übersetzer, der an diesen Stellen in den Romanen nicht genau gearbeitet hat?

  • ... trotz detaillierter Beschreibungen der Flora und Fauna tat sich Verne mit der regionalen Abgrenzung recht schwer. Wenn er Einzelländer beschrieb, dann war er sehr zielgenau (Anden in "Kinder des Kapitän Grant" oder Afrika in "Kapitän von 15 Jahren"). Chaotisch wird er bei seinen Inselschilderungen. Denn hier schuf er meist Ideallandschaften, die vom Bewuchs und vom Tierlleben auf dieser Fläche nie parallel hätten existieren Können (z.B. Geheimnisvolle Insel, Schule der Robinsons). Wobei im Roman Schule der Robinsons sagar noch wilde Tiere ausgesetzt wurden um die Dramatik zu steigern. Ähnliches hatte es auch schon in seiner Jugend-Lieblingslektüre "Der Schweizer Robinson" gegeben. Siehe dazu auch meine Seite:


    http://www.j-verne.de/abenteuer6.html


    in der ich im Quervergleich u.a. feststellte: "Die Flora und Fauna der Insel stellt eine außergewöhnliche Ansammlung von Arten da (siehe weiter oben). Diese Häufung unterschiedlichster und eigentlich widersprüchlicher Arten treffen wir auch auf der Lincolninsel an. Eine Neuentdeckung jagt die andere. Viele Klima- und Vegetationszonen treffen sich auf einem Eilande."


    Wobei war es dir verstärkt aufgefallen?

  • Verstärkt aufgefallen ist es mir gerade beim "Stahlelefanten", den ich momentan lese.
    Die Jagd-Abenteuer nehmen doch einen Großteil des Romans ein und es werden da Tierarten genannt und gejagdt, die in Indien in natura nicht vorkommen.


    Ich habe mal folgendes Beispiel herausgesucht:
    - Der Stahlelefant, 2.Band, Kapitel 3:
    „Hier [südlich des Himalaya] tummeln sich in Menge die Bisonochsen, Büffel, Zebus, Eber und Antilopen, welchen Löwen, Tiger und Panther unablässig nachstellen.“


    Weitere Beipiele aus anderen Romanen wären:
    - Der Südstern, Kapitel 7:
    „Pharamond Barthès war höchst befriedigt von seinem Jägerleben und dessen Abenteuern [in Südafrika]. Er hatte schon drei Löwen, sechzehn Elephanten, sieben Tiger und eine Unzahl Giraffen und Antilopen erlegt, ohne das eßbare Wild zu rechnen.“


    - Der Südstern, Kapitel 18:
    „Vor jeder Belästigung in seinem ganzen Gebiete sicher, zog ich nun vorgestern aus, um Tiger und Strauße zu jagen. Einen Tiger hatte ich das Glück, vergangene Nacht zu erlegen und es sollte mich wundern, wenn Du den Lärm, der jenem Zweikampfe voranging, nicht vernommen hättest. Stelle Dir vor, daß ich neben dem Körper eines vorher getödteten Büffels eine Schutzhütte errichtet hatte, in der gegründeten Hoffnung, einen Tiger im Laufe der Nacht heranschleichen zu sehen.“


    „Du wirst auch meinen Tiger sehen, das schönste Thier, welches ich seit meiner Ankunft in Afrika erlegt habe.“


    - Der stolze Orinoco, 1.Band, Kapitel 4:
    „Der Sergeant hatte seinen Verstoß gegen die Disciplin diesmal indeß nicht zu beklagen. Die großen und kleinen Katzenarten, die Jaguare, Tiger, Löwen, Ozelote und Wildkatzen, kommen meist nur in den dichten Urwäldern am Oberlaufe des Stromes [Orinoco] vor.“


    - Der stolze Orinoco, 1.Band, Kapitel 8:
    „Ferner bemerkte man mehrere Paare von Raubthieren, die in Venezuela heimisch sind, nämlich Jaguare, Pumas, Tiger, Ocelote, die alle hier nicht minder gefährlich waren, als wenn sie frei im Walde oder auf der Ebene umherstreiften.“



    Wie gesagt, meine erste Überlegung war, dass der Übersetzer halt nicht korrekt gearbeitet hat. Aber bei dieser Häufung - und unter Berücksichtigung deiner Anmerkungen, Andreas - war dann wohl unser aller Lieblingsautor bei den Tieren etwas großzügig, um es mal so auszudrücken. ;);

  • Aber bei dieser Häufung - und unter Berücksichtigung deiner Anmerkungen, Andreas - war dann wohl unser aller Lieblingsautor bei den Tieren etwas großzügig, um es mal so auszudrücken.

    ... ha ha - besser hätte ich es auch nicht formulieren können! Ich denke mal, dass man diese Großzügigkeit dem Publikum Ende des 19. JH noch ungestrafter "unterjubeln" konnte.

  • Zitat

    Ich habe mal folgendes Beispiel herausgesucht:
    - Der Stahlelefant, 2.Band, Kapitel 3:
    „Hier [südlich des Himalaya] tummeln sich in Menge die Bisonochsen, Büffel, Zebus, Eber und Antilopen, welchen Löwen, Tiger und Panther unablässig nachstellen.“


    Hallo Marduk,
    Du hast da eine faszinierende Frage mit vielen Facetten aufgeworfen. Da wäre einiges zu klären. Ich hab mal angefangen mit deiner ersten Zitatstelle (s.o.). Also ...
    ... nach Wiki finden sich irgendwelche Arten aller der genannten Gattungen in Asien. An welches Tier hast du speziell gedacht?
    ... ein Übersetzungsfehler liegt nicht vor (siehe Datei-Anlage),
    ..., aber jetzt kommt's, in Vernes Manuskript fehlten die Zebus und die Antilopen, die muss er erst beim Korrekturlesen eingefügt haben, frage mich nicht, warum!


    Also, wenn man jetzt deine anderen Beispiele durchforsten würde, ein spannendes Thema!
    LG
    Norbert


  • Ich habe inzwischen auch mal gegoogelt... ;);
    Meine "verdächtigen" Tiere waren Panther, Löwen, Bisonochsen...


    Panther (Gattung Panthera) ist in dem Sinne ja nur eine Sammelbezeichnung. Dazu zählt man u.a. auch den in der Himalaya-Region vorkommenden Schneeleoparden; genauso wie den in den subtropischen Gebieten Indiens (somit südlich des Himalaya) vorkommenden Leopard.


    Tiger kommen unstrittig in Indien vor.


    Aber Löwen? Die bringt doch jeder Normalsterbliche ausschließlich mit Afrika in Verbindung, oder?
    Aber siehe da: Im Gir-Nationalpark in Indien gibt es eine kleine Population des asiatischen Löwen. Wieder was dazu gelernt...
    Wobei der Bestand des asiatischen Löwen aber schon längere Zeit sehr stark dezimiert war und - meiner Meinung nach - zum Zeitpunkt der Romanhandlung auch nicht mehr ein für Indien typisches (Raub-)tier darstellte.


    Löwen und Tiger gehören auch zur Gattung der Panthera, werden von Verne in dem genannten Zitat aber explizit erwähnt, während er die anderen Großkatzen nur allgemein als Panther benennt.



    Was es in Indien aber definitiv nicht gibt sind die Bisons.


    Dein Vergleich der Romanfassung mit dem Manuskript ist sehr interessant!