Nicht nur die deutschen haben gepatzt
Die Niederlande sind verstrickt im eigenen Konzept. Nach der 1:2-Niederlage gegen Bulgarien gibt es neue Debatten bei Oranje.
Es war der Test, auf den eine ganze Nation gewartet hat. Ein Probelauf für die Offensive in Oranje zwei Wochen vor dem EM-Start. Endlich: Robin van Persie 28) auf dem Platz, Klaas-Jan Huntelaar 28 an seiner Seite, die beiden Gladiatoren vereint im Mega-Sturm.
Ein Experiment mit den Top-Torjägern, die die Niederländer nach 1988 wieder zu Europas Königen schießen sollen, bei der Partie gegen Bulgarien. Einer hatte den Ausgang geahnt. Es werde schwer, sagte Rafael van der Vaart (29) schon im Trainingslager in Lausanne, die beiden zu einem Duo zusammenzufügen. "Ich glaube nicht, dass beide gemeinsam in der Mannschaft stehen." Prophet van der Vaart darf sich bestätigt fühlen. Der Versuch mit den Schützenkönigen aus der Premier League und der Bundesliga misslang, auch wenn Trainer Bert van Marwijk (60) öffentlich nach dem 1:2-Schreckschuss dieses Urteil nicht fällen wollte: "Sie haben sich an die Anweisungen gehalten."
Das mag sogar stimmen, doch perfekt war die Vorstellung der Kanoniere keineswegs. Es harmonierte nicht zwischen dem Arsenal-Held van Persie auf dem rechten Flügel, wo er seine ersten Profijahre erlebte, und Schalkes Huntelaar im Zentrum. Profitiert davon hat die Elftal nicht - trotz des Tores durch den "Gunner". Die "totale Offensive", da auch van der Vaart als linker Flügelmann agierte, funktionierte noch nicht.
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Mathijsen läuft die Zeit davonIm Gegenteil: Der Schuss ging nach hinten los. Zwei Gegentore durch die harmlosen Bulgaren, insgesamt 13 Oranje-Gegentreffer in den letzten sechs Partien. Der Niederlande mangelt es an der nötigen Balance. Die hintere Abteilung macht Sorgen.
Akute Sorgen, zumal Joris Mathijsen (32) sich den linken Oberschenkel zerrte, möglicherweise beim Turnierstart fehlt. Alternativen sind rar: Wilfred Bouma (33) und Ron Vlaar (27) haben nicht die Qualitäten des Ex-Hamburgers. Der Bondscoach, der Vurnon Anita (23), Siem de Jong (23), Jeremain Lens (24) und Adam Maher (18) aus dem Kader strich, muss zittern.
Wackel-Abwehr hin oder her. Oranje denkt offensiv. Es liegt im Blut der Holländer, die sich pünktlich vor einem Turnier wieder an einer Strategie-Debatte reiben. Experten hatten zum Experiment mit dem "Doppel-Torjäger" geraten. Nachdem van Marwijk gefolgt ist, bekommt er nun neuen Gegenwind. Ein Familienmitglied springt ihm dabei zur Seite. "Nie ist es bei uns gut", echauffierte sich Mark van Bommel (35), des Trainers Schwiegersohn. "Ich habe keine Lust auf die ständigen Taktik-Diskussionen." Van Bommels Begehr bleibt ein frommer Wunsch. Van Persie und Huntelaar, beide pochen auf ihren Einsatz: "Ich will spielen." Van Marwijk wird sich entscheiden müssen. Er kann es keinem recht machen - in der diskussionsfreudigen Fußball-Familie Hollands.