Auflagen Hartleben

  • Hallo ;),


    ich sammle seit einiger Zeit Jules Verne Hartleben Erstausgaben und ich frage mich immer wieder wie hoch damals die Auflage war und ob die Druckereien alle Ausgaben gedruckt haben oder sich den Druck der Ausgaben geteilt haben. Also ob nur eine Druckerei Band X- bis X gedruckt hat und die andere Druckerei die nächsten Bände. Ich habe aus 3 Druckereien Bücher - meist aus Wien, wenige aus Leipzig. Vielleicht kann mir hier einer helfen oder es steht schon irgendwo..habe lange gesucht und nix dazu gefunden. Grüße Euch, merchi

  • Hallo!


    Willkommen im Forum.


    Ich werde mal recherchieren.. Ich weiß, das Hartleben selber in seiner Periodika "Der Stein der Weisen" über seine Buchproduktion ausführliche Artikel abgedruckt hat, möglicherweise gibt es da Hinweise auf Deine Frage, und ansonsten krame ich mal in Sekundärmaterial bzw. befrage mal unseren Spezialisten. Kann aber etwas dauern.


    Gruß


    Bernhard

    :seemann: :baer:


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  • Hallo,

    vorweg: Mit Erstausgaben sind die Rotbraunen - Prachtausgaben gemeint denke ich
    mal?

    1.) Zur Frage der Auflagenhöhe:

    Mir sagte Wolfgang Thadewald eben auf Nachfrage das die Auflagehöhen generell
    nicht bekannt sind, also auch nicht ob. etwa die Auflagehöhe der einzelnen
    Auflagen unterschiedlich war.

    Es gibt eine Diplomarbeit eines Martin Bruny über Hartleben vom 7. März 1995,
    aus der ich mir erlaube einige Informationen zu entnehmen. Zu der Anzahl der
    Auflagen:

    ... erreichten nur die ersten acht Bände Neuauflagen. Band 1/2 (vereinigt zu
    dem Doppelband "Von der Erde zum Mond“! „Reise um den Mond“) erreichte
    fünf Auflagen, Band 4/5 (der Doppelband „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“) erreichte drei
    Auflagen, Band 6 („Reise um die Erde in achtzig Tagen“) erreichte ebenfalls drei Auflagen

    Zwei Auflagen erreichten die Bände 3 („Reise nach dem Mittelpunkt der Erde“)
    und 7/8 (der Doppelband „Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras“).


    Man muss jetzt allerdings wissen, dass sich die Anzahl der Auflagen
    produktionsbedingt nicht nur auf die Prachtbände bezieht, sondern generell auf
    die illustrierten großformatigen Ausgaben der Reihe "Bekannte und
    Unbekannte Welten - Abenteuerliche Reisen", also im Grunde auf die
    gedruckten und erstellten Buchblöcke; Diese Buchblöcke wurden dann durch
    verschiedene beauftragte Buchbindereien eben nicht nur in die rotbraune
    goldgeprägte Prachtbindung eingebunden, sondern auch verkauft in Form von
    Lieferungen zum selbst-einbinden (Hartleben bot darüber hinaus die fertigen
    Einbände ebenfalls an), als Broschur-Fassungen, in weniger aufwendigeren
    Bindungen (die schlichte rotbraune oder die gelbe Bindung mit Goldprägung von
    Autor und Titel) und der Restbestand wurde dann nachher von Michel aufgekauft
    und sowohl in gelber Broschur wie in den mehr bekannten sog. "gelben
    Prachtausgaben" eingebunden. All diese Formen der Bindung sind in die
    Auflage mit hinein zu zählen.

    2.) Die Frage der Druckereien:

    Mir scheint es ja so, das die Buchblöcke eines Bandes und einer Auflage immer
    in einem Rutsch gedruckt (und geheftet / konfektioniert) wurden und dann, so
    wie es damals üblich war, nach und nach nach Bedarf eingebunden wurden. Dies
    würde, wenn es zutrifft, bedeuten, dass pro Auflage jeder jeweilige Band
    ausschließlich in EINER Druckerei gedruckt wurde. Danach sieht es mir auch aus,
    denn in den Fällen, wo ich mehrere Ausgaben eines Titels habe, ist kein
    Unterschied festzustellen. Unterschiedliche Druckereien können also nur zur
    Ausführung gekommen sein bei unterschiedlichen Titeln oder (neuen) Auflagen
    eines Titels. Laut W. T. ist dies bei neuen Auflagen tatsächlich vorgekommen,
    hierzu aber gleich mehr.

    Ich selber habe meine Sammlung diesbezüglich bereits einmal analysiert, d.h.
    ich habe eine Listung, welcher Band (ggf. welcher Auflage) wo gedruckt wurde.
    Demnach sind alle ab Mitte bis Ende 1880 gedruckten Bände bei Friedrich
    Jasper in Wien gedruckt. Nun wird sicher jemand sagen 1880 gab es gar keinen
    Prachtband... richtig, insofern man sich nur auf die eingedruckte Jahreszahl
    bezieht, hier besteht nämlich eine Lücke zwischen 1879 (Band 27-28, Kapitän von
    15 Jahren) und 1881 (Band 29-30, Entdeckung der Erde) - letzterer bei mir
    übrigens der letzte nicht bei Jasper, sondern Steyrmühl, Wien, gedruckte Band
    (und daher zeitlich vermutlich vorher bereits gedruckt). Da aber im Prinzip
    alle Bände schon zum Weihnachtsgeschäft des Jahres vor der eingedruckten
    Jahreszahl erschienen muß der Wechsel zu Jasper als alleinige Druckerei
    irgendwann zwischen Ende 1879 und Mitte 1880 erfolgt sein.


    Da die Neuauflagen auch eine entsprechende Jahreszahl tragen (so habe ich z.B.
    den Hatteras in 2. Auflage von 1881 u.a.m.), lässt sich auch hier sehen: Drucke
    nach 1880 immer von Jasper, Wien.


    Umgekehrt ist es so, dass mir keinerlei Druck von Jasper von VOR 1880 vorliegt,
    d.h. bis 1880 wurden die illustrierten Großformate entweder bei Steyrmühl in
    Wien oder Grimme & Trömmel in Leipzig gedruckt und ab 1880 alles bei
    Jasper, auch die Neuauflagen nach diesem Datum. Insofern ganz klar, es kann
    ein- und den selben Titel aus verschiedenen Druckereien geben, nämlich wenn er
    in mehreren Auflagen gedruckt wurde und dabei die späteren Auflagen nach 1880
    gedruckt wurden. Die theoretische Möglichkeit, das von den bis 1880 gedruckten
    Titeln ein und der selbe Titel bei den beiden beauftragten Druckereien für
    ein-und die selbe Auflage parallel gedruckt wurden ist zwar unwahrscheinlich,
    aber auch nicht unmöglich - wobei: Würde man da von der Logik her dann nicht
    von zwei Auflagen sprechen??? ...


    Kurzfassung der Fragen:


    - Auflagenhöhen sind nicht bekannt.


    - Bis 1880 erfolgte der Druck in zwei Druckereien (Wien / Leipzig), von der
    Logik her fertigte jede Druckerei aber die komplette Auflage eines Titels mit
    großer Wahrscheinlichkeit alleine.


    - Ab 1880 wechselte Hartleben zu einer 3. Druckerei in Wien, die beiden
    vorherigen waren damit "raus".


    Anhang: Bzgl. der Produktionspraxis, insbesondere die Konfektionierung
    und Bindung, habe ich jetzt noch nicht weiter nachgesehen, meine mich aber
    erinnern zu können, das in einem der Artikel im Stein der Weisen die Firma
    Hartleben selber berichtet, dass der Arbeitsaufwand der Einbindung so groß sei,
    daß das Binden nicht in einer Binderei gemacht werden könne und daher mehrere
    Bindereien beauftragt seien. Falls dies von Interesse ist bitte mitteilen, dann
    guck ich nochmals nach.


    Gruß

    Bernhard

    :seemann: :baer:


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  • Hallo Bernhard,


    vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Sie haben mir sehr geholfen und ich habe gleich mal kontrolliert, aus welcher Druckerei genau die Bücher vor 1880 waren.
    Ja, ich meine die Rotbraunen Einbände.
    Ich habe auch in einem Online Wiki im Netz den Herrn Jasper gefunden mit der Berufsbezeichnung "Buchdrucker".
    https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Friedrich_Jasper


    Zum Thema Bindung ist mir halt aufgefallen, dass es verschiedene Bindungen gibt. Ich kann sie namentlich nicht bezeichnen, dafür bin ich zu Leihe. Liegt dann wohl an den Druckerei.


    Also nochmal Danke für die Willkommensgrüße und den recherche Aufwand. Weitere Fragen folgen sicher die Tage noch ;)


    Grüße
    merchi

  • Eine ganze Reihe von Erläuterungen hat ja Bernhard schon zusammengestellt. Wobei ich noch zwei Anmerkungen los werden will:


    1.) Der Aufhänger der Frage waren "Erstausgaben von Hartleben". Zur Klarstellung: Keine der großformatigen Ausgaben von Hartleben waren deutschsprachige Erstausgaben. Diese waren immer kleinformatig.


    2.) Und zum Thema Prachtausgaben: Dort gibt es nur zwei Varianten: Die originalen Ausgaben mit dem dementsprechenden Buchdeckel original gebunden und mit blauen Farbschnitt umläufig und die nachträgliche gebundenen mit gekauften Buchdeckel der Prachtausgaben. Alle anderen Varianten sind zwar vollillustrierte Ausgaben der Reihe "Bekannte und unbekannte Welten ..." - aber eben keine Prachtausgaben. Hartleben legte Wert auf die Feststellung, dass dies nur die rostbraunen/vergoldeten Buchdeckel der Edition waren, die so hießen. Siehe hier Hintergrundinformationen dazu:


    http://www.j-verne.de/verne_edit3.html

  • Alles richtig, Andreas. Die Frage war ja aber v.a. nach den Druckereien der illustrierten großformatigen Ausgaben - im Grunde also den "Buchblöcken", die dann je nach Bindung Prachtausgaben wurden oder halt nicht. So zumindest habe ich die Frage verstanden.


    LG


    B.

    :seemann: :baer:


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  • ... die meisten meiner Blöcke wurde bei Jasper gedruckt. Es könnte ja jeder mal in seinen Bestand gehen. Würde es ein Zugewinn sein, wenn man diese Informationen zusammenträgt? Ich meine Aufwand und Erkenntnis im Verhältnis. Wenn die Meinung besteht, dass es nützlich wäre, dann würde ich mitmachen ....

  • Hallo Andreas,


    das geht doch aus meiner Analyse hervor: Alles nach 1880 wurde bei Jasper gedruckt - was das Meiste ist. Interessant wäre nur eine Aufschlüsselung welche der zuvor erschienenen Bände bei wem der beiden anderen gedruckt wurden, und ggf., wenn Neuauflagen bereits vor 1880 stattfanden, ob diese bei der gleichen Druckerei oder bei der anderen gedruckt wurden.


    LG


    Bernhard

    :seemann: :baer:


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  • Vielleicht noch zur Veranschaulichung, wie damals die Verlage tickten: Man muss sich Hartlebens Prachtausgaben so vorstellen wie ein Sammelalbum. Es war so: Zeitgleich mit den kleinformatigen Ausgaben erschienen die Abenteuerlichen Reisen von Julius Verne als sog. Lieferungen, also lose geheftet zu je 32 Seiten, beginnend am 1. November 1873. Jeden Monat erschienen 3 Lieferungen. Der Inhalt insgesamt hatte die bekannte Reihenfolge: Mondromane, Mittelpunkt, 20.000 Meilen, und 80 Tage. Die Druckerei, meiner Meinung nach Grimme und Tröme in Leipzig,*) druckte also fleißig nach und nach nicht in "Buchmengen" sondern an den Erfordernissen der Kolportage ausgerichtet. D.h. die 2 ersten Lieferungen, die zum Kundenfang benötigt wurden, hatten bestimmt eine höhere Auflage als die weiteren. Im Oktober 1874 war es so weit, dass Hartleben die erste Serie abgeschlossen hatte, und nun ließ er die Druckbogen, die er zurückgelegt hatte, in Einbände "verpacken", es entstanden die Prachtausgaben mit dem bekannten blauen Karmin-Schnitt. Außerdem verkaufte er auch Einbanddecken, für die Leute, die regelmäßig und fleißig die Lieferungen erworben hatten, und sie nun binden lassen wollten. Dazu gingen zum Buchbinder um die Ecke entweder mit der zusätzlichen Einbanddecke unterm Arm, oder überließen ihm, wie er den Einband gestalten wollte. Aber letzteres haben Bernhard und Andreas ja schon beschrieben.
    Ich habe das Ganze deshalb so ausgemärt, um zu demonstrieren, dass ein Buchblock (also das bedruckte Papier) im Prinzip nichts mit dem Einband zu tun hatte. Da waren jeweils andere Firmen, ja andere Gewerbe, zu gange, die sich untereinander argwöhnisch beäugten, dass der andere nicht in sein Gefilde eindringt.
    Ach so, wenn Du mich nach der Auflagenhöhe fragst: Bei Hetzel waren es immer 1000 Stück pro Auflage, also wird es bei Hartleben ähnlich gewesen sein.
    *) Mein Exemplar der Mondromane mit dem Jahr 1874 als Auflagejahr hat jedenfalls Grimme & Trömel angegeben.


    Herzliche Grüße und danke für Dein Interesse
    Norbert