Als ich eines Abends das Sherlock Holmes Hörspiel „Der Daumen des Ingenieurs“ in den CD-Spieler legte, ahnte ich nicht, wie sehr es mich überraschen würde. Ich dachte zu wissen, was mich erwartet. 18 vorangegangene Hörspiele von Titania Medien in dieser Serie schienen mir da sehr verlässlich.
Es könnte ein großer Vorteil gewesen sein, nichts weiter als den Titel des Hörspiels zu wissen. Selbst dem Cover schenkte ich keine Beachtung. Im Nachhinein freute ich mich darüber, da gerade die Kombination einiges über den Inhalt verrät. So hatte ich eine weitere Überraschung.
Alles fängt harmlos an: Doktor Watson ist mit seiner morgendlichen Rasur beschäftigt. Kurz darauf erscheint ein eiliger Notfall: Der Patient ist ein junger Ingenieur, dem ein Daumen abhandengekommen ist. Etwas klischeehaft wird auf ärztlichem Rat hochprozentiges auf den Schrecken verordnet und der Patient scheinbar bevorzugt ausgefragt statt ihn richtig zu behandeln. Später erfährt der Zuhörer, dass der gewiefte Ingenieur sich sein Fachwissen zu eigen machte und seine Wunde fachgerecht verband. Also vielleicht doch nicht so dramatisch?
Auf Drängen von Dr. Watsons Frau Mary begleitet dieser seinen Patienten zu Sherlock Holmes, der Licht in die Sache bringen soll. Es folgt die packende Darstellung der Ereignisse, die zum Verlust des Daumens des Ingenieurs führten.
Lange habe ich nicht mehr bei einem Krimihörspiel so mitgefiebert wie bei diesem. Verantwortlich dafür ist unter anderem die herausragende Geräuschkulisse. Es gibt stets etwas auf die Ohren. Sei es ein passendes Musikstück oder die stimmigen Geräusche. Besonders die Geräusche sorgen für eine spannende Atmosphäre, wo Musik oder gar Stille (bis auf die Sprechereinsätze) sicherlich keine ebenso mitreißende Stimmung erzeugt hätten. Wobei ich hier unter Geräusche auch wohl einzelne schwingende Töne verstehe und nicht als Musikstück auffasse.
Begeistert haben mich ebenfalls die Sprecher. Allen voran Lutz Mackensy. Dank ihm wirkte die ganze Angelegenheit um den Ingenieur besonders unheimlich und subtil bedrohlich auf mich. Eine besondere Faszination geht für mich aufgrund seiner Darbietung von der Rolle des Lysander Stark aus.
Das Dream-Team, pardon, -Quartett Joachim Tennstedt (Holmes), Detlef Bierstedt (Watson), Regina Lemnitz (Mrs. Hudson) und Janina Sachau (Mary Watson) ist gut aufgelegt. Es ist eine Freude ihnen zu lauschen. Die übrigen Sprecher bilden keine Ausnahme.
Das Cover ist überaus passend, verrät meiner Meinung nach aber zu viel. Gerade weil dieses Hörspiel von der unheimlichen Atmosphäre lebt und damit geradezu ein Beispiel für ein Gruselhörspiel der Reihe Gruselkabinett darstellt, hätte ich bevorzugt den Ingenieur bei der Arbeit gesehen oder bei Doktor Watson in der Behandlung.
Fazit
Ein packendes Hörspiel, dessen Schwerpunkt auf der Darstellung des Ingenieurs über dessen Daumenverlust liegt. Ermittlungen gibt es nicht. Sherlock Holmes folgert korrekt und mit einer Ortsbegehung, die der Untermauerung der Theorie dient, wird das Hörspiel abgeschlossen.