Ausführliche Biografie online? Zweite Skandinavienreise?

  • Gibt es irgendwo im Netz eine ausführliche online-Verne-Biografie? Der Artikel in der französischsprachigen Wikipedia ist nicht schlecht, aber noch ausführlicher wär besser.


    Also, in Ch.-N. Martins Vorwort zu „Un Billet de Loterie“ (Éditions Rencontre) wird eine zweite Skandinavienreise Jules Vernes von 1879 erwähnt, da soll er noch mal in Telemark(en) gewesen sein. Aber in Volker Dehs’ großer Biografie werden als Reiseziele von 1879 nur England und Schottland genannt (S. 278). In der französischsprachigen Wikipedia werden Schottland und Irland genannt: „De juin à août 1878, Jules Verne navigue de Lisbonne à Alger sur le Saint-Michel III, puis, en juillet 1879, en Écosse et Irlande.“ https://fr.wikipedia.org/wiki/Jules_Verne


    War er noch mal in Norwegen oder nicht?

  • Hallo,


    also ich weiß ja nicht was Du mit "ausführlich" meinst ... Auf der Seite des Jules-Verne-Club findest Du die Biografie, wie sie Volker Dehs in seiner RoRoRo-Bildmonographie geschrieben hat, und die ist, wenn auch knapp gehalten, mit den wesentlichen Daten versehen. Ausführlicher geht dann nur die Biografie zu lesen oder noch besser die bei Artemis/Winkler erschienene Bio zu konsultieren.
    Und Du kannst davon ausgehen, das Volker Dehs' Angaben stimmen. Wiki kann immer Fehler beinhalten, und von Irland ist nichts bekannt, genauso wenig von einer zweiten Reise nach Norwegen, schon gar nicht 1879 - so oft ist JV nun auch nicht verreist als das er zweimal in 1879 unterwegs gewesen sein dürfte ...


    Ich habe mir mal eben die mir vorliegenden beiden Biografien von Charles Noel Martin vorgenommen, also einmal die bei Rencontre 1971 veröffentlichte, und einmal die 1978 durch Ormeraie veröffentlichte.
    Ja, Martin schreibt in ersterem Fall (S. 156-159) Verne habe 1880 mit der St. Michel II eine Reise über die Niederlande, Eiderkanal, Kiel, Kopenhagen ... Kattegat, Schweden, Norwegen gemacht.
    Im Ormeraie schreibt er JV habe 1880 eine Reise in die Nordsee, Norwegen und nach Irland gemacht (was allein schon vom theoretischen Reiseweg reichlich unwahrscheinlich ist, liegen Irland und Norwegen von Frankreich aus gesehen in ziemlich verschiedenen Richtungen) und 1881 die bekannte Reise über den Eiderkanal nach Kiel und Kopenhagen.


    Kurz:Ziemlicher Unsinn, den Ch.N. Martin da veröffentlicht hat, und man frage mich nun nicht wo er sich diese Vermischung aus Tatsachen und offenbar Fantasie zusammengesucht hat. Vielleicht kann Volker dazu näheres sagen ...


    Beste Grüße


    Bernhard



    :seemann: :baer:


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    I love you, you love me, ja wo lawe ma denn hi??

  • Vielen Dank! dann weiß ich Bescheid (dass er nicht noch einmal in Norwegen war).


    Die Frage nach einer Online-Biografie war ein wenig eine Frage „ins Blaue hinein“. Es wäre ja nicht ganz ausgeschlossen, dass es einen Verne-Fan gibt, der eine Bio online stellt und alles ganz ausführlich auflistet, also in diesem Fall genaues Abreisedatum, Ankunft in England bzw. Schottland, Datum der Rückkehr usw. Aber die Hauptsache ist / war natürlich die Frage, ob der Meister noch mal in Norwegen war, die Details sind nicht von überragender Wichtigkeit.


    Beste Grüße zurück :)
    Matthias

  • Nein, Verne, hat außer 1881 Skandinavien nicht noch einmal besucht, die inzwischen (noch nicht online) zugänglichen Reisetagebücher widerlegen Martins Angaben, die auf falsche Angaben aus der 1928 veröffentlichten Biografie von Marguerite Allotte de la Fuye beruhen.
    Der Roman Ein Lotterielos bezieht sich allein auf die Reiseeindrücke von 1861.

  • Das ist eben der Unterschied, ob man selbst an die Quellen geht - oder ob man sich auf das Zitieren einer Lebens-Interpretation verlässt. Gerade die Ausarbeitungen von Marguerite Allotte de la Fuye haben ja einige weit verbreitete Ansichten, Idealisierungen oder großzügige Interpretation verbreitet (JV als Schiffsjunge etc.), die im Nachgang nicht nachgewiesen werden konnten.


    C.N. Martin hat bis heute noch viele Nachahmer gefunden, man denke nur an die Autoren die den Hype um Vernes 100. Todestag ausnutzten, um ebenfalls was zum Thema zu Drucken. Viel Neues kam da nicht raus. Da fiel Volkers damalige akribische Untersuchung mit der dann folgenden Ausarbeitung völlig aus dem Rahmen. Zusätzlich gibt es neuerdings noch die Gilde der berufsmäßigen Biographen, die sich alle paar Jahre eine neue Persönlichkeit vornehmen. Da bleibt nicht viel Zeit eigene Untersuchungen anzustellen, da wird nur zusammengesammelt und neu aufbereitet.


    Das musste ich mal loswerden, denn ich habe schon einiges an biographischen Material erworben, was ich dann ohne Wissensgewinn jetzt nur im Schrank zu stehen habe ...

  • Sehr richtig, oft wird zu wenig recherchiert. Und es gibt ja auch generell viele Falschinformationen, die sich in den Köpfen festsetzen und dann quasi nicht mehr ausgerottet werden können, siehe z.B. hier: „Die Annahme, dass insbesondere die mittelalterliche Christenheit an eine Erdscheibe geglaubt habe, wird von der Historical Association of Britain als weitverbreiteter historischer Irrtum aufgelistet.[1] Neuere Untersuchungen insbesondere seit den 1990er Jahren zeigten,[2]
    dass „außer sehr wenigen Ausnahmen seit dem 3. Jahrhundert v. Chr.
    keine gebildete Person in der Geschichte des Westens glaubte, die Erde
    sei flach“, und dass die Kugelgestalt der Erde stets die dominante
    Lehrmeinung blieb.[1]
    Die moderne Fehlannahme, dass der mittelalterliche Mensch an eine
    scheibenförmige Erde glaubte, fand demnach erst im 19. Jahrhundert
    Verbreitung, vor allem aufgrund von Washington Irvings Erzählung Das Leben und die Reisen des Christoph Columbus (1828).[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Flache_Erde


    Bei Ch.-N. Martin gibt es aber wahrscheinlich mildernde Umstände, nehme ich an. Wenn ich mich richtig erinnere, war Allotte d. l. F. ja mit Verne verwandt, da konnte man (nach damaligem Kenntnisstand) wohl erst mal davon ausgehen, dass das im großen und ganzen stimmt, was in ihrer Verne-Bio steht. Und dann hatte Martin wohl auch den Nachteil, dass viele (die meisten? alle?) Manuskripte Vernes damals noch nicht zugänglich waren, wenn ich das richtig verstanden habe.