Ictineo II – Das Vorbild der Nautilaus
DAS ERSTE MASCHINELL ANGETRIEBENE U-BOOT DER WELT, AUSSCHLIESSLICH FÜR DEN ZIVILEN EINSATZ
19. Mai 2020 Thomas Ritter
Ictineo II im Einsatz. Bild: Thomas Ritter
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts erschütterten merkwürdige Zeitungsmeldungen die zivilisierte Welt. Ein mysteriöses „Seeungeheuer“ griff bevorzugt Kriegsschiffe der Kolonialmächte an und beförderte sie reihenweise auf den Meeresgrund. Um dieses Ungeheuer unschädlich zu machen, wurde eine Expedition unter der Leitung des Meereskundlers Professor Aronnax entsandt….
So beginnt der Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“, den der bekannte französische Schriftsteller Jules Verne im Jahr 1870 veröffentlichte. Das Buch gehört auch heute noch zu den am meisten gelesenen Werken der phantastischen Literatur. Jules Vernes Geschichte um den menschenscheuen Kapitän Nemo und sein geheimnisvolles U-Boot „Nautilus“ hat Generationen von Lesern begeistert.
Es sollte allerdings noch mehr als 80 Jahre dauern, ehe tatsächlich ein U-Boot gleichen Namens jene Leistungen vollbringen konnte, die an Jules Vernes Schöpfung so faszinierten. Bei diesem Schiff handelte es sich um das erste durch Kernkraft angetriebene U-Boot der Welt, die Nautilus SSN-571. Dieses für die US Navy in der Zeit von 1952 bis 1954 gebaute Boot war mit 97,5 Meter Länge und 8,1 Meter Breite zwar nicht viel größer als damalige dieselelektrische Boote, überragte diese aber durch seine Schnelligkeit und der Fähigkeit, technisch „fast unbegrenzt lange“ zu tauchen.
Der Wunsch des Menschen, länger und tiefer als es die Atemluft zulässt zu tauchen, ist etwa genauso alt wie der Wunsch zu fliegen. Deswegen beschäftigten sich schon immer Forscher und Erfinder damit, entsprechende Vorrichtungen oder Instrumente zu entwickeln, die dies ermöglichen sollten. Aus der Antike liegen diesbezüglich Berichte von Aristoteles und Plinius dem Älteren vor. Selbst Alexander der Große soll bereits Tauchversuche im Mittelmeer unternommen haben. Das bekannteste und auch heute noch verbreiteste „Instrument“ dafür ist ein Schnorchel in der „richtigen“ Länge, da das Tauchen mit einem zu langen Schnorchel (> 30 cm) lebensgefährlich wird. Das liegt daran, dass bei zu langem Schnorchel, das in ihm enthaltene Luftvolumen nicht mehr deutlich kleiner ist als der menschliche Lungeninhalt und so mit wachsender Länge des Schnorchels immer mehr verbrauchte Luft eingeatmet wird – man spricht von so genannter „Pendelluft“. Ebenfalls sehr alt sind Gewichtsgürtel, die es vor allem gut trainierten Tauchern (etwa Schwamm- oder Perlentauchern) erleichterten, länger unter Wasser zu bleiben, ohne ständig gegen den kraftraubenden Auftrieb ankämpfen zu müssen.
Die Geschichte des technisch geprägten Tauchens begann mit dem 15. Jahrhundert. So entwarf 1405 der Nürnberger Kriegsbaumeister Konrad Kyeser in seinem Werk Bellifortis einen ersten Tauchanzug. Bereits 1515 konstruierte Leonardo da Vinci auf dem Reißbrett ein Ein-Mann-Tauchboot. Diese Ideen wurden weiter vorangetrieben, und 1604 fasste der Universitätsprofessor Magnus Pegel erstmalig in einem Buch die Grundgedanken zusammen und beschrieb darüber hinaus die technischen Voraussetzungen für den Bau eines Tauchbootes. Der niederländische Erfinder Cornelis Jacobszoon Drebbel ging schließlich als erster über die bloße Theorie hinaus und baute im Jahre 1620 das erste manövrierbare Unterwasserfahrzeug. Dabei handelte es sich um ein mit Leder überzogenes Holzruderboot. Im Auftrag des Landgrafen von Hessen konstruierte 1691 der französische Physiker Denis Papin, der auch Professor an der Philipps-Universität Marburg war, ein Tauchboot, welches den anschließenden Test im Jahr 1692 jedoch nicht überstand und beim ersten Tauchversuch zu Bruch ging. Dennoch hatte die Idee, ein Unterwasserfahrzeug zu bauen, inzwischen weltweit Erfinder motiviert, und führte 1772 dazu, dass im Steinhuder Meer das erste Tauchboot Deutschlands getestet wurde. Es war aus Holz und hatte die Form eines Fisches, weshalb es den Namen „Hecht“ erhielt. Mit dem Boot wurde etwa 12 Minuten getaucht, während es von Segeln an der Wasseroberfläche angetrieben wurde. Der Amerikaner David Bushnell stellte1776 die „Turtle“ („Seeschildkröte“) vor, eine Konstruktion aus Eisen und Eichenholz, die heute als erstes richtiges U-Boot gilt, da sie sich autark fortbewegen konnte. Ihr dienten als Antrieb zwei über Handkurbeln betriebene Schrauben. Sie wurde nicht wie all ihre Vorläufer durch ein Segel oder Ruderer an der Wasseroberfläche angetrieben. Im Jahr 1799 dann beschrieb der Bergmeister Joseph von Baader eine Konstruktion für ein Zwei-Mann-U-Boot.
Der Amerikaner Robert Fulton entwarf 1801 das U-Boot „Nautilus„. Es besaß einen Handkurbelantrieb für eine Schraube, neu hinzu kamen jedoch Ruder zur Seiten- und Tiefensteuerung sowie ein Druckluftsystem zur Versorgung der dreiköpfigen Besatzung mit Atemluft. Die „Nautilus“ erregte sogar die Aufmerksamkeit Napoleons, galt aber schließlich für militärische Einsätze als zu langsam. 1850 ließ der bayerische Artillerie–Unteroffizier Wilhelm Bauer das erste von August Howaldt in Deutschland gebaute U-Boot zu Wasser, den so genannten „Brandtaucher“. Da der Entwurf unter enormem Kostendruck gebaut wurde, verzichtete man sowohl auf Tauchzellen als auch auf verschiebbare Trimmgewichte. Der Tauchvorgang sollte durch das Fluten von Wasser in das Boot erfolgen. Beim ersten Tauchversuch am 1. Februar 1851 in der Kieler Innenförde verschob sich jedoch der Ballast nach achtern, wobei das geflutete Wasser ebenfalls ins Heck floss. Das Boot sackte daraufhin durch, und weiteres Wasser drang durch die Nähte der Außenhaut und das Einstiegsluk. Das Boot sank bis auf den Grund bei ca. 20 Metern Wassertiefe. Die dreiköpfige Besatzung, unter ihnen Wilhelm Bauer, wartete, bis der Innendruck so groß war wie der Außendruck, öffnete das Einstiegsluk und trieb an die Oberfläche, wo sie gerettet wurde. Der verunglückte „Brandtaucher“ wurde erst im Jahr 1887 geborgen. Nach verschiedenen Museums-Stationen hat das älteste erhaltene Tauchboot der Welt nun seine Heimat im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden gefunden.
Während des amerikanischen Bürgerkrieges wurden 1864 mehrere handgetriebene U-Boote gebaut, so auch die C.S.S. H. L. Hunley. Am 17. Februar 1864 versenkte diese das gegnerische Schiff U.S.S Housatonic und gilt somit als erstes U-Boot der Welt, das ein anderes Schiff zerstört hat. Bei dieser Aktion ging das U-Boot allerdings mitsamt seiner neunköpfigen Besatzung verloren. Erst am 4. Mai 1995 wurde die C.S.S. Hunley gefunden und geborgen.
Diese kurze Zusammenfassung der Entwicklungsgeschichte der U-Boote weist auf ein entscheidendes Merkmal hin, welches alle Konstruktionsversuche verbindet. Stets gingen die Erfinder von einer militärischen Verwendung ihrer Konstruktionen aus. Dies war auch der Grund, welcher Leonardo da Vinci bewog, sein am Reißbrett entworfenes U-Boot schließlich doch nicht zu bauen. Er fürchtete „die abgrundtiefe Boshaftigkeit der Menschen, welche mit dieser Erfindung in der Lage wären, sich auch noch am Grunde des Meeres umzubringen“. Die weitere Entwicklung der U-Boote sollte dem genialen Renaissancekünstler Recht geben.
Doch zu allen Zeiten hat es auch rühmlich Ausnahmen von der allgemeinen Regel gegeben, zumeist einzelne Entwicklungen, denen es letztlich nicht beschieden war, sich durchzusetzen, und die dennoch einen bedeutenden Schritt in der Geschichte des technischen Fortschritts darstellen. Dazu gehören auch die Erfindungen des heute weitgehend in Vergessenheit geratenen katalanischen Erfinders Narcis de Monturiol y Estarriol (* 28. September 1819 in Figueres/Spanien; † 6. September 1885 in Barcelona).
Obwohl Monturiol 1845 sein Studium der Rechtswissenschaften in Barcelona erfolgreich beendete, arbeitete er niemals als Jurist. Durch seine Freundschaft mit Abdó Terrades kam er der Republikanischen Partei Spaniens näher und schloß sich dieser an. Darüber hinaus sympathisierte er auch mit den utopischen sozialistischen Ideen des Franzosen Étienne Cabet. Daher unterstütze er die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, was ihn schließlich ins Exil nach Frankreich zwang.
Nach seiner Rückkehr absolvierte er eine Ausbildung als Schriftsetzer und veröffentliche die Schriften „La madre de familia“ (Die Mutter der Familie, ab 1846) und „La Fraternidad“ (Die Brüderschaft, 1847–1848), welche die erste kommunistische Zeitung Spaniens wurde. Bei seinem Aufenthalt in Cadaqués konnte er die Taucher bei ihrer gefährlichen Arbeit der Korallenernte beobachten und wurde so auch Zeuge eines tödlichen Unfalls, als ein Taucher dabei ertrank. Dieses Erlebnis veranlaßte ihn dazu, über die Möglichkeiten einer ungefährlicheren Korallenernte durch Unterwasserfahrzeuge nachzudenken.