Jules Verne in Le Crotoy

  • Da ich eine größere Sammlung historischer Postkarten habe, möchte ich euch an dieser Stelle an der Freude über diese Motive teilhaben lassen. In diesem Themenbeitrag reisen wir also an die Kanalküste, zum malerischen Fischerort Le Crotoy, an der Mündung der Somme gelegen.

    Ich beginne mal chronologisch:

    Das erste Motiv zeigt das Chateau de Millevoye, inder damaligen Rue de Chateau. Hier soll Verne mehrfach EInzelaufenthalte gehabt haben und im Jahre 1866 soll er den ganzen Sommer hier verbracht haben. Das Postkartenmotiv hat allerdings einen Zeitversatz, denn die ungelaufene Karte datiere ich um 1900.


    Wer sich dazu vertiefend belesen möchte, dem empfehle ich diesen Link zu einer Seite von mir: https://www.j-verne.de/verne_bio_le_crotoy.html

    Vie Spaß! :):

  • Der richtige Umzug der Familie Verne nach Le Crotoy erfolgte 1869. Die Familie zog in eine kleine zwei-etagige Villa mit einem kleinen Garten dahinter. Dieses Haus lag in der damaligen Rue Lefèvre, später als Straße Chemin de grande Communication - die heutzutage Rue Jules Verne heißt. Vernes Haus in Crotoy hat die Nummer 9 und den Namen La Solitude (Einsamkeit). Die Vernes wohnten hier bis 1871. Da ich keine alte Postkarte davon habe (früher war das Haus nicht erwähnenswert), habe ich eine eigene Fotografie "auf alt getrimmt".


    Viel Spaß bei der "Kopfreise"!

  • :):


    Na gut, jetzt wieder ein Motiv, bei dem bei der Aufnahme keiner von uns dabei war. Es zeigt den Küstenabschnitt den man sieht, wenn man von Vernes Haus zum Strand geht, um dann nach rechts abbiegend zum kleinen Fischereihafen zu blicken. Übrigens in der Nähe des kleinen Schiffsbauplatzes, auf dem die erste Saint Michel Vernes gebaut wurde. Diese stimmungsvolle Fotografie von 1890 von einem unbekannten Fotografen, fängt aus meiner Sicht besonders schön die Athmosphäre der Fischerstadt Le Crotoy ein. Könnt ihr jetzt auch nachvollziehen, wie sich Verne im Bauche seines kleines Bootes in der Dünung wiegend, zum Schreiben seines Romans "20.000 Meilen unter den Meeren" angeregt fühlte? Es ist verbürgt, dass er auf dem Boot zur Feder griff ...


  • Ich hatte ja schon den Schiffbauplatz angesprochen. Man darf sich diese Stelle nicht als Werft vorstellen. Die Boote, denn meist waren es gar keine Schiffe, wurden an das Ufer geslipt und dort außerhalb des Wassers kalfatert oder eben durch Kleinreparaturen wieder fit gemacht. Kleinere Neubauten wurden hier auch auf Kiel gelegt. Das fand unmittelbar an der "Strandpromenade" statt, wie unten die Aufnahme zeigt.


    Jules Vernes Boot SAINT MICHEL (später mit dem Zusatz I. versehen) war ja nicht sehr groß. Eine Beschreibung gab 1909 Max Popp: "

    Wünschen Sie die Bekanntschaft dem >Saint-Michel< zu machen? .... Das ist eine Jacht von 8 bis 10 Tonnen, getakelt wie die Fischerboote in der Bucht der Somme: Vorn ein Loch für die Mannschaft, hinten ein Zimmer für den Kapitän und seine Gäste, wenn man eine Kabine 4 ½ Fuß Höhe, 6 Fuß Breite >Zimmer< nennen darf; rechts und links zwei Gestelle an die Bordwand gelehnt, die dank ihrer Seegrasmatratzen zwei Betten von zweifelhafter Weichheit repräsentieren. Hinter der Treppe oder vielmehr der Stiege, die von der Brücke des fraglichen Zimmer hinabführt, ein breiter Schrank mit der Schiffsbibliothek, d. h. Mit dem Gezeiten-Kalender, einigen Seekarten, drei oder vier dicken Wörter- und Reisebüchern...."


    Hier eine Aufnahme des Schiffbauplatzes um 1900, so ähnlich wird es aber Jahrzehnte vorher dort auch schon ausgesehen haben.

  • Es freut mich, dass es euch auch gefällt. Hier jetzt eine ähnliche Situation von der Seeseite her. Es zeigt den Hafen bei Flut. Spätestens an dieser Stelle merkt man, das Hafen in einem Fischerstädtchen relativ zu sehen ist. Wie schon weiter oben erwähnt: Von Vernes damaligen Haus bis zu diesem Strandabschnitt sind es vielleicht 15 bis 20 Minuten bequem zu laufen.

  • ... auch heute ist da ja nicht viel mehr "Hafen" - man hat lediglich eine Art Promenade oder seeseitig durch eine etwas erhöhte Mauer / Straße angelegt, die den Strand von der Ortschaft trennt und vor Hochwasser besser schützt ...

    :seemann: :baer:


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    I love you, you love me, ja wo lawe ma denn hi??

  • Um die bisher gezeigten Puzzlestücke zusammenzufügen, habe ich auf Basis einer Luftaufnahme aus den 70er Jahren mal die Gesamtsituation erläuternd dargestellt. Die Zimmer des Verne-Hauses zeigen in Richtung Hafen und der Blick aus den Fenstern war damals, zu Zeiten Jules Vernes, noch nicht von anderen Gebäuden eingeengt oder versperrt. Nur eine kleine, flachgebaute Werft, mehr ein Schiffsbauplatz, befand sich zwischen Vernes Haus und dem Kai. Um die Dimensionen zu erkennen, bitte ich das Bild unten mit meinen Beschriftungen zu betrachten. Aus Richtung Wasser konnte ich heutzutage das Haus Vernes nur zur Hälfte erkennen, da es durch einen Straßenzug eingeengt wird.

    Genau an der Ecke zum Hafen, dort wo im Bild unten das Gebäude mit der seeseitigen Überdachung zu sehen ist, ist seit vielen Jahren stetig ein Restaurant. So wie unten zu sehen existiert es nicht mehr, es wurde in den 80er/90er Jahren modernisiert. Es sieht bedeutend steriler aus.

    Und der "Hafen": So wie es Bernhard ergänzt hat: es ist eben mehr ein Anlegeplatz ....