Kritik der 1. Staffel der Serie „In 80 Tagen um die Welt“

  • Die erste Folge der ZDF-Weihnachtsserie Around the World in 80 Days zeigte, dass die Neuauflage des Abenteuerklassikers einige interessante Neuerungen in sich birgt, die Lust auf mehr machen. Doch wie geht weiter? Kann die Staffel im Gesamtüberblick überzeugen?


    Der fehlende Inspektor Fix: auf nach Brindisi

    Nachdem sich im ersten Teil der Neuadaption von Around the World in 80 Days abgezeichnet hat, dass sich die Autoren manche Freiheit in der Figurenzeichnung herausnehmen, war absehbar, dass auch die Handlung einige Neuerungen mit sich bringt. Dass diese allerdings so umfassend ausfallen, ist schon überraschend. Bereits im ersten Teil deutete sich mit der Einführung von Abigail Fix an, dass man neue Wege beschreiten musste, da der wichtige literarische Nebenstrang um Inspektor Fix wegfällt. Stattdessen bemüht sich die Serie intensiv um den Figurenaufbau, indem es Fogg und seine Gefährten während der Zugreise nach Brindisi mit dem arroganten Emporkömmling Niccolo Moretti zu tun bekommen. Foggs exzentrische Pedanterie, die die Figur so besonders macht, tritt leider zugunsten einer verunsicherten, aber wissenschaftlich bewanderten Persönlichkeit mit leicht dysfunktionalen Tendenzen in den Hintergrund, mit der man sich über weite Strecken der Season nicht recht anzufreunden vermag.


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    Für ein wenig Dramatik sorgt indes eine beschädigte Brücke, die zu einer Notbremsung führt, bei der Alberto, Morettis Sohn, schwer verletzt wird. Phileas Fogg muss sein ganzes Wissen in die Waagschale werfen und wächst über sich hinaus. Er bringt den Zug nicht nur über die Brücke, sondern rettet dem Jungen das Leben. Auf emotionaler Ebene ist der Part schön geschrieben, gespielt und inszeniert, wirkliche Spannung kommt aber leider nicht auf. Um dem Publikum dann doch noch einen passenden Antagonisten zu präsentieren, lernen wir in den letzten Minuten der Episode den zwielichtigen Tom Kneedling (schön fies: Anthony Flanagan, Versailles) kennen. Der Schurke handelt im Auftrag des Möchtegern-Gentlemans und notorischen Pleitegeiers Bellamy (unauffällig und blass: Peter Sullivan, The Borgias), der unter allen Umständen die Wettprämie kassieren möchte.


    Durch die Wüste Nordafrikas bis nach Indien


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    In Teil drei der Saga landen die Protagonisten in Nordafrika, um von dort aus nach Indien zu gelangen. Hier treffen sie auf die historische Persönlichkeit Jane Digby, derer in der Serie geschildertes buntes Leben übrigens tatsächlich in groben Zügen der Wahrheit entspricht. Nach der durchwachsenen Vorgängerfolge folgt nun ein Lichtblick mit einer hervorragenden Lindsay Duncan (A Discovery of Witches) in der prominenten Nebenrolle der britischen Aristokratin und Abenteurerin. Im zweiten Drittel wird die Reisegruppe von räuberischen Nomaden überfallen. Das Action-Element lockert die ansonsten stark dialogbasierte Folge enorm auf und kommt zur rechten Zeit. Ein paar mehr Statisten und Stuntleute hätten der Szenerie zugegebenermaßen sichtlich gutgetan, doch das ist nun meckern auf hohem Niveau. Die bisherigen Änderungen der ursprünglichen Story sind zwar spürbar, fallen jedoch nicht weiter ins Gewicht. Mit der vierten Episode ziehen Caleb Ranson und Ashley Pharoah die Zügel der Neuinterpretation aber noch einmal kräftig an. Sie verlassen die wohlbekannten Pfade des Phileas Fogg vollends. Kurzerhand wird der elementar wichtige Erzählstrang um die Rettung der parsischen Witwe Aouda ausradiert und durch die langweilige Liebesgeschichte um Estella und Fogg ersetzt. Dass es Aouda ist, die aus Fogg im Original einen anderen Menschen macht und ihn am Ende sogar heiratet, konterkariert den neuen Erzählkosmos. In ihm herrscht die Legende vor, dass Phileas nur deshalb 20 Jahre seines Lebens im Reform Club verschwendete, weil er an der Feigheit gescheitert ist, sich seiner Liebe zu Estella zu stellen. Weder die Zugreise durch das wilde Indien, noch der beschwerliche Ritt auf dem Elefanten durch den Dschungel kommen vor, und schon gar nicht die heldenhafte Rettung einer Edeldame. Schade drum.


    Triadenbosse und die Familie Robinson


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    Episode fünf spielt, wie zu erwarten, in Hongkong und beginnt damit, dass sich Tom Kneedling als Constable der Metropolitan Police ausgibt und somit endgültig auf die Position von Inspektor Fix vorrückt. Infolgedessen erhält Phileas Fogg kein Geld von seiner Bank, was dazu führt, dass Passepartout sich mit einem Triaden-Boss einlässt, für den er die Frau des britischen Gouverneurs um ihre Juwelen bringen soll. Der Diebstahl ist musikalisch gut unterlegt, aber schnell abgehandelt und unspektakulär in Szene gesetzt. Spannend wird die Folge erst, als Fogg wegen des Raubs des weißen Drachen genannten Schmuckstücks verhaftet wird. So herrlich trocken Anthony Flanagan den Fiesling mimt, die Figur gibt zu wenig her, um die des Inspektors adäquat zu ersetzen. Obwohl er mit allen möglichen Tricks versucht, Fogg, Abigail und Passepartout aufzuhalten, wirkt der Charakter nie wirklich gefährlich.


    Immerhin sorgt der Schurke dafür, dass das Trio auf einer einsamen Insel strandet. Statt eine charmante Etappe in Yokohama zu erleben, entspinnt sich anstelle dessen eine teilweise langatmige Robinsonade in Form eines kammerspielartigen Dramas um Freundschaft und Vertrauen. Das bringt den Plot insofern voran, als dass Passepartout herausfindet, wer die Reise um die Welt in 80 Tagen zu sabotieren versucht. Zudem intensiviert sich die schwelende Romanze zwischen Fix und ihm. Die Wendung passt gut ins Gesamtbild der Produktion, andererseits kann man sich aber des Eindrucks einer günstigen Lückenfüllerepisode nicht ganz erwehren. Vor allem, wer die wundervoll bunten Inszenierungen von 1956 und die Miniserie von 1989 noch vor Augen hat, wird die sympathische Leichtigkeit, die die Reisen des Phileas Fogg versprühen, schmerzlich vermissen.


    The Hateful Three

    Weiter geht es mit der in bester Western-Manier gedrehten siebten Folge, die auf glaubwürdige Weise die Machenschaften des Ku-Klux-Klans mit einbezieht. Der Klan, wie die verbrecherische Organisation zunächst hieß, wurde in der Tat 1871 offiziell aufgelöst, war aber 1872 (dem Jahr, in dem Around the World in 80 Days spielt) in vielen Bundesstaaten gefährlicher als je zuvor. Auch in dieser Episode geht die Leichtigkeit der bisherigen Verfilmungen verloren und macht einer gewissen Schwermütigkeit Platz. Dennoch gehört die Folge zu den stärksten der Staffel, da sie sich angemessen und mit einigen aus dem Quentin-Tarantino-Kultfilm „The Hateful Eight“ entliehenen Stilmitteln des Themas Rassismus annimmt und außerdem richtig Spaß macht.


    Der letzte Teil der Staffel bleibt relativ dicht an der Romanvorlage. Auch hier dürfen einige Änderungen aber nicht fehlen. Der Handlungsfaden um Estelle endet. Im Speisesaal des Schiffes, mit dem die Protagonisten gen England reisen, begegnet uns noch einmal das Schreckgespenst des Rassismus und in der Heimat wird last but not least offenbar, dass aus der Reisegesellschaft untrennbare Freunde geworden sind. Als krönenden Abschluss teasert das Autorenteam eine mögliche Fortsetzung an, in der die Abenteurer dann das Geheimnis um ein mysteriöses Meeresungeheuer lüften wollen, dass „20000 Meilen unter dem Meer“ leben soll.


    Fazit


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    Viele Jahre blieb es weitestgehend still um das Abenteuer-Genre. Wer mit seinen Helden in ferne Länder reisen wollte, um exotische Orte zu sehen und wilde Geschichten zu erleben, musste sich damit abfinden, mit Hexen, Zauberern, fremden Wesen und mittelalterlichen Welten konfrontiert zu werden. Insofern ist es sehr löblich, dass sich Caleb Ranson und Ashley Pharoah an einen der größten der Zunft heranwagen.


    Doch gelingt es ihnen, die fantastischen Romanwelten des Jules Verne in die Gegenwart zu transportieren? Wer die Bücher des französischen Vaters des Steampunks nicht kennt, oder sich mit weitreichenden Änderungen abfinden kann, wird gut bedient. Abgesehen von ein paar Längen, präsentiert sich die Serie visuell, narrativ und schauspielerisch von einer angenehmen Seite. Andererseits kommt zu oft das Abenteuer-Feeling, das solche Geschichten nun einmal ausmacht, zu kurz. Auch versucht man manchmal etwas zu zwanghaft, den Plot zu politisieren und verbannt die eigentlich wichtigsten und schönsten Reiseetappen aus der Staffel. So bleibt insgesamt ein zwiespältiger Eindruck. Auf der einen Seite ist da große Freude über die Wiederbelebung eines altehrwürdigen Genres, auf der anderen die Trauer über den zeitweisen Verlust des Sense of Wonder.


    Quelle: https://www.serienjunkies.de/a…x08-episode-8.html#review

  • Zitat

    Auch versucht man manchmal etwas zu zwanghaft, den Plot zu politisieren und verbannt die eigentlich wichtigsten und schönsten Reiseetappen aus der Staffel. So bleibt insgesamt ein zwiespältiger Eindruck. Auf der einen Seite ist da große Freude über die Wiederbelebung eines altehrwürdigen Genres, auf der anderen die Trauer über den zeitweisen Verlust des Sense of Wonder.

    Diesen zwei Sätzen kann ich nur zustimmen. Es war zwar unterhaltsam, aber ein fader Beigeschmack bleibt ... zumal die Grundfabel stark verbogen wurde.

  • Tja, die Bearbeitungen... Grundsätzlich fand ich an dieser Adaption ganz positiv, dass nicht rein auf Klamauk und Tschingdarassabumm (wie in den vorausgegangenen Filmen) gesetzt wurde, sondern aktuelle Fragen einbezogen wurden. Dass Fogg psychologisiert und damit schwächer dargestellt wurde, findet man witzigerweise schon in der Theater-Version von Cadol, die parallel zum Roman entstand. Naja, und schon Verne & d'Ennery haben in ihrer Theaterfassung viel Schindluder mit dem Original getrieben, um den Publikumsgeschmack zu treffen, wenn auch nicht ganz so grauslich wie bei Grant - wobei sie da dann doch grandios gescheitert sind.


    Ich habe meine Erwartungen von vornherein tief gesetzt und war am Ende doch so positiv überrascht, dass ich mir die Reihe entgegen meinem Plan bis zum Ende angeschaut habe. Nur die Robinsonaden-Episode fand ich daneben und hat mich gelangweilt, aber ich vermute war, dass das "Vorbau" war für die schon angekündigte Fortsetzung.


    Eigentlich erstaunlich, dass das Thema des Romans immer noch soviele Menschen anspricht, obwohl die magische Zahl 80 längst überholt ist...

  • Die Serie ist inzwischen auf Blu-Ray und DVD erschienen.



    Produktinformation

    Alterseinstufung ‏ : ‎ Freigegeben ab 12 Jahren

    Regisseur ‏ : ‎ Steve Barron, Brian Kelly, Charles Beeson

    Laufzeit ‏ : ‎ 6 Stunden und 26 Minuten

    Erscheinungstermin ‏ : ‎ 27. Mai 2022

    Darsteller ‏ : ‎ David Tennant („Doctor Who“, „Broadchurch“), Ibrahim Koma („St. Tropez“), Leonie Benesch („Babylon Berlin“, „The Crown“), Jason Watkins („McDonald & Dodds“), Peter Sullivan („Poldark“)

    Studio ‏ : ‎ Pandastorm Pictures (Edel)

    Anzahl Disks ‏ : ‎ 2 (Blu-Ray)


    Quelle: https://www.amazon.de/80-Tagen…ie+welt%2Caps%2C96&sr=8-4