Vohburg: Reise in die Fantasie

  • Reise in die Fantasie

    Gisela Maria Schmitz inszeniert „In 80 Tagen um die Welt“ als Freilichtspektakel auf dem Vohburger Burgberg


    15.07.2022 |


    Mit Eisenbahn und Dampfschiff reisen der exzentrische Engländer Phileas Fogg (Andreas Kunze), sein Diener Passepartout (Matthias Kolbe) und Mrs. Potts (Klaudia Diepold) um die Welt und müssen zahlreiche Abenteuer bestehen. Foto: Meßner


    Von Anja Witzke


    Vohburg – Ein bisschen erinnert dieses Bühnenbild an eine dieser Schneekugeln, die man als Souvenir von seinen Reisen mitbringt. Schüttelt man das Glas, setzt ein Gestöber ein. Und man blickt versonnen auf den Eiffelturm, das Schloss Neuschwanstein oder was auch immer sich da im Miniaturformat hinter Glas befindet, und wartet, bis alles wieder ruhig ist. Und in diesem kleinen Moment denkt man an all die wundersamen Dinge, die man auf der Reise erlebt hat.


    Die Bühne von Valerie Lutz auf dem Vohburger Burgberg ist so ein Wunderding. Nur ohne Glas. Und um ein Vielfaches größer. Eine Weltkugel als Scheibe steht da im Zentrum, in der Mitte im 90-Grad-Winkel geknickt, so dass sich aus der unteren Hälfte eine bespielbare Fläche ergibt. Die obere Hälfte aber verbirgt hinter aufgemalten Kontinenten und Ozeanen allerlei Überraschendes, das sich klappen, drehen, schieben, ziehen lässt.


    „In 80 Tagen um die Welt“, Jules Vernes populäre Abenteuergeschichte um ein spektakuläres Wettrennen gegen die Zeit, steht heuer auf dem Programm der Freilichtfestspiele Vohburg. 1873 erstmals veröffentlicht, war der Roman sofort ein Sensationserfolg, griff er doch hellsichtig die Strömungen seiner Zeit auf. Schließlich war das Ende des 19. Jahrhunderts von einem fast unerschütterlichen naturwissenschaftlich-technischen Fortschrittsglauben geprägt. Die Wissenschaftler, Erfinder und Ingenieure waren die neuen Helden der Nation. Oder jemand wie Phileas Fogg. Binnen kurzer Zeit wurde der Roman in fast alle Weltsprachen übersetzt. Jules Verne selbst arbeitete an einer Bühnenfassung mit, die mit Erfolg in Frankreich aufgeführt wurde.


    In Vohburg hatte man diese Aufgabe der Regisseurin Gisela Maria Schmitz übertragen, die den Stoff mit großem Geschick und leichter Hand auf die hiesigen Verhältnisse umgemünzt hat: Hier spielt eine eingeschworene, theaterbegeisterte Gemeinschaft aus mehr als 100 Amateuren. Und deshalb gibt es neben wenigen großen Sprechrollen, viele Massenszenen für Frauen, Männer und Kinder, farbenprächtige Auftritte und ein bisschen Lokalkolorit (Vohburger Busserl). Coronabedingt gab es zahlreiche Verschiebungen. Die Premiere am Donnerstagabend wurde dafür umso ausgiebiger gefeiert.


    Ein Glücksfall ist Andreas Kunze als Pünktlichkeitsfanatiker Phileas Fogg, in Haltung, Sprache und Understatement englischer Gentleman par excellence. Ihm hat die Regisseurin neben seinem französischen Diener Passepartout (impulsiv-naiv: Matthias Kolbe) Klaudia Diepold als resolute Haushälterin zur Seite gestellt. Detektiv Fix, der Phileas Fogg für einen Bankräuber hält und ihn deshalb grimmig um den Erdball verfolgt, bekommt dafür Unterstützung von Sergeant Looney. Und diese beiden – dargestellt von Ernst Grauvogl und Martin Schels – sind als kontrastierendes Clownsduo für zahlreiche komische Highlights des Abends verantwortlich.


    Der eigentliche Clou aber ist das perfekte Zusammenspiel: das ausgeklügelte Bühnenbild, das sich mit wenigen Handgriffen in Pagode, Bahnhof, Zugabteil, Gerichtssaal, Westernsaloon und Dampfschiff verwandeln lässt, die unglaublich vielen und vielfältigen Kostüme (Helmuth Eisele) und die Musik von Rudolf Gregor Knabl, die Emotion und Tempo vorgibt. Mit großer Raffinesse wird diese Geschichte erzählt. Das gilt en gros & en detail: Schon die einzelnen Szenen in Suez, Bombay, Kalkutta, Hongkong, oder San Francisco bestechen durch Fantasie und Bilderreichtum (der Saloon, der chinesische Drache, die Ballonlandung), aber Regisseurin Gisela Maria Schmitz legt auch großen Wert auf die Übergänge. Köstlich ist das mechanische Teegesellschaftsballett bei Lady Ensworth (die hier den exklusiven Herrenclub des Originals ersetzt), die Verwandlung der Bühne in immer neue Schiffe, wie sich an jedem Bahnhof unter neuer Uhr neue Passanten tummeln und mit welcher Ökonomie diese Verwandlungen vor sich gehen. Hier ist jeder ein wichtiges Rädchen im Getriebe, und nur wenn alle ineinandergreifen, läuft die Theatermaschine rund. Die Leidenschaft dafür ist im gesamten Ensemble zu spüren.


    „In 80 Tagen um die Welt“ erzählt voller augenzwinkerndem Humor von einer turbulenten Reise, aber auch von der menschlichen Findigkeit und dem Mut, unvorhergesehene Hindernisse zu überwinden. In Vohburg gab es dafür nach zweidreiviertel Stunden langen Applaus.


    ZUR PRODUKTION

    Spielort:

    Vohburger Burgberg,

    Agnes-Bernauer-Straße


    Regie:

    Gisela Maria Schmitz

    Bühne:

    Valerie Lutz

    Musik:

    Rudolf Gregor Knabl

    Vorstellungen:


    bis 24. Juli


    Karten:

    http://www.freilichtfestspiele.de, okticket.de



    Quelle: https://www.donaukurier.de/nac…e-in-die-fantasie-6419384