N28 / N31: Robert Kraft vs. Jules Verne

  • Ich wollte erst allgemein ein neues Unterthema eröffnen, aber hier passt es auch, da ich zu dem Zweck gerade die Nautilus Nr. 28 und Nr. 31 konsultiert habe...


    Es geht um den oft genannten Robert Kraft, verlegerisch zu Lebzeiten gerne als der "Deutsche Jules Verne" bezeichnet, über den in den beiden Ausgaben der Nautilus auch ein wenig nachzulesen ist. Außerdem findet man den Namen hier im Forum in Zusammenhang mit der Weltbild-Ausgabe seines Romans "Der Herr der Lüfte" - und genau hierauf nehme ich Bezug. Ich lese nämlich aktuell genau diesen Band, der erste "Kraft", den ich überhaupt lese.


    In dem Artikel in der N 31 von Martin Schulz ist ausgeführt, dass sich Kraft durchaus nicht nur ersichtlich, sondern teils auch sehr bewusst und sogar direkt zitierend oder verweisend bei JV bedient hat. So ist es wenig erstaunlich, dass auch der genannte Roman vor allem zu Beginn deutliche Parallelen zu "Robur der Eroberer" hat.


    Der Roman liest sich gut und flüssig und ist spannend geschrieben, und für einen Verne-Liebhaber oder an sich Liebhaber von Literatur in dem Stil von JV durchaus attraktiv und in einem gewissen (eingeschränktem) Maß durchaus vergleichbar. So weit zu gehen ihn als "deutschen" JV zu bezeichnen würde ich allerdings nicht unbedingt gehen, zumindest nicht in Bezug auf diesen Roman.


    Ich kann mich jetzt nur auf diesen einen Titel beziehen, da ich sonst noch nichts weiter von Robert Kraft gelesen habe. Eine sehr wesentliche Unterscheidung zu JV (abgesehen von den Nationalitäts-bezogenen Elementen - so wie JV eben gerne den Franzosen und Frankreich positiv präsentiert tut dies Kraft mit Deutschland und dem Deutschen ...) liegt vor allem in den "wissenschaftlichen" Inhalten.

    Während JV immer bemüht war, tatsächliche Erkenntnisse, Entdeckungen, Erfindungen usw aus allen möglichen wissenschaftlichen Bereichen korrekt zu seinem Romanstoff zu verarbeiten bzw. einzuarbeiten, und bei der so attraktiven Portion Phantasie nur in sehr seltenen Fällen über ein streng-konsequent logisches Weiterdenken wie etwas in naher Zukunft sich noch entwickeln könnte (und oft entwickelt hat, weshalb man ihm gerne prophetische Eigenschaften unterstellt hat), erscheinen die "wissenschaftlichen" Ausführungen Krafts eher prophezeienden Mutmaßungen über "was könnte da noch alles mit entwickelt werden wenn ..." zu entstammen, ob diese nun ausschließlich seiner eigenen Phantasie oder etwaigen zeitgenössischen Kommentaren zu derartigen neuen Erkenntnissen oder gar Mutmaßungen von damit befassten Wissenschaftlern entstammen entzieht sich meiner Kenntnis - sie machen aber diesen Eindruck. Während JV sich überwiegend bemüht reale Erkenntnisse, Erfindungen usw. zu beschreiben und deren Anwendungsmöglichkeit logisch auszumalen greift R. Kraft halbherzig-halbgare "wissenschaftliche" Erkenntnisse auf, verknüpft diese miteinander, dabei teils da schon wenig plausibel, und überführt dies dann am Ende in eine noch weiterentwickelte "Erfindung", die seinem Erzählzweck dienlich ist, die aber von dem "Erfinder" in der Erzählung "streng geheim" gehalten wird.

    Genauer, er benennt zwei, drei oder auch mehr Dinge (Bestandteile), welche die jeweilige Erfindung (oder Gerätschaft, wie ein Apparat, der nahezu endlos elektrischen Strom aus Wolken gewinnen kann, oder ein Stoff, der in ihn gehülltes schwerelos macht) ausmachen, hält aber einen maßgeblichen Bestandteil, der für das Funktionieren dieser Erfindung unerlässlich ist, geheim. Das hiermit im Grunde bei jeder beschriebenen Erfindung, selbst wenn die beschriebenen Bestandteile möglicherweise plausibel dargestellt sind (was aber, ehrlich gesagt auch nicht der Fall ist...) eine wissenschaftlich-haltbare erscheinende Erklärung verhindert wird bzw. eben nicht stattfindet und der Leser es einfach so annehmen muss, ist der entscheidende Unterschied zu Vernes Art und Weise seines "Wissenschaftlichen Romans".


    Auch wenn Verne ebenfalls immer mal wieder über die Plausibilität hinweg geht (bspw. Reise zum Mittelpunkt derErde, Reise durch die Sonnenwelt,...), so war es nicht nur sein erklärtes Ziel, sondern auch seine Praxis, zeitnah reale wissenschaftliche Entwicklungen seiner Zeit in den Romanen zu verabeiten und auf deren Grundlage denkbare (plausible) Anwendungen in der Zukunft hineinzuphantasieren. Kraft hingegen stützt sich von Beginn an nur scheinbar auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und fabuliert umgehend abseits logischer Realitäten irgendwelche Anwendungen ...


    Der Reiz und Charme von Vernes Werken und seiner bis heute wirkenden Bekanntheit liegt auch in seiner Art Wissen literarisch aufzubereiten - etwas, das Kraft so nicht getan hat und weshalb er daher auch nicht mit JV vergleichbar ist. Bei Erzählstil, Lesbarkeit, die Verwendung "phantastischer Apparate", ja, da lassen sich Vergleiche ziehen. Aber die inhaltliche Qualität eines Verne hat er vorne und hinten nicht einbringen können. Wenn man dan nauch noch den Artikel von Martin Schulz gelesen hat, dann weiß man auch wieso ...


    Ich denke aber trotzdem, sollte ich mal noch andere Texte von Robert Kraft an die Hand bekommen wrede ich mir die auch mal zu Gemüte führen ...

    :seemann: :baer:


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    I love you, you love me, ja wo lawe ma denn hi??

  • Poldi

    Hat den Titel des Themas von „N28 / N31: Robert Kraft“ zu „N28 / N31: Robert Kraft vs. Jules Verne“ geändert.
  • Sehr interessant, vielen Dank für den Tipp. Der Herr der Lüfte befindet sich ebenfalls in meiner Sammlung und wartet noch darauf, gelesen zu werden. Genau wie viele andere Bücher, unter anderem 5 weitere Romane von Robert Kraft. Ich werde den Herrn der Lüfte direkt nach Robur und Herr der Welt in mein Verne-Lese-Projekt einschieben.