NAUTILUS befahren auf „A Floating City“ wieder Jules Verne‘sche Gewässer

  • NAUTILUS befahren auf „A Floating City“ wieder Jules Verne‘sche Gewässer | 4. November 2022


    Nautilus


    Ihren originellen Mix aus Artrock Marke Mike Oldfieldscher Gitarrenarbeit und traditioneller elektronischer Musik à la Berliner Schule zelebrieren Nautilus schon seit 1998. Seit dem letzten Album „The Mystery Of Waterfalls“ von 2020 haben die Keyboarder Martin Ludwig/Jürgen Dürrbeck und Gitarrist Werner Strätz noch als Sänger und Bassist Meiko Richert hinzugewonnen. Nach der zwölfjährigen Auszeit vor dem „Waterfalls“-Album haben die Kapitän-Nemo-Meeressüchtigen nun wieder mächtig Fahrt aufgenommen. Von den Jules-Verne-Themen, denen sie bereits ihren Band- wie Konzeptalbennamen verdanken, kommen sie aber nicht weg.


    Nach „20.000 Meilen unter dem Meer“ wie zuletzt nun eine Quasi-Vertonung des Romans „A Floating City“ von 1871. Was die musikalischen Seefahrer so sehr an Jules Verne fasziniert, wie sie sich die Zukunft der Menschheit und ihre eigene musikalische Weiterentwicklung vorstellen und ob sie selbst denn Wasserratten sind, all das erläutert uns Mastermind und Keyboarder Martin Ludwig.

    eclipsed: Seit „The Mystery Of Waterfalls“ von 2020 habt ihr offenbar wieder Fahrt aufgenommen. In der gleichen Besetzung kommt nun nach zwei Jahren „A Floating City“. Wie seid ihr an das neue Album rangegangen und warum hat es dieses Mal nur zwei Jahre gebraucht?


    Martin Ludwig: Nun, die ersten sechs Nautilus-Alben sind in einem Zeitraum von zehn Jahren entstanden, insofern sind zwei Jahre Abstand für uns nicht ungewöhnlich. Wir haben nach „The Mystery Of Waterfalls“ einfach direkt weitergemacht und das Thema im Laufe des letzten Jahres entwickelt. Die zwölf Jahre vor TMOW waren tatsächlich eine komplette Auszeit gewesen.


    eclipsed: Jules Vernes Themen scheinen euch immerzu zu beschäftigen. Nach „20.000 Meilen unter dem Meer“ nun eine Vertonung seines Romans „A Floating City“ von 1871. Was fasziniert euch so sehr an diesem Elder Statesman der frühen Science Fiction? Gibt es auch einen Bezug zum Unglück der Titanic später im Jahre 1912?


    Ludwig: An Verne fasziniert – kurz gesagt – die Vielfalt fantasievoller Themen. Für die Titanic ist „A Floating City“ aber keine Blaupause, da es im Roman keine Schiffskatastrophe gibt. Das Cover mit dem über dem Abgrund hängenden Schiff bezieht sich daher nicht auf das Buch, sondern auf den gegenwärtigen Zustand der Menschheit.


    eclipsed: Wie genau nehmt ihr Passagen oder die grundlegende Geschichte zur Vorlage eurer Alben bzw. nun bei „A Floating City“? Wie sehr strickt ihr selbst den Erzählfaden?


    Ludwig: Seit „In Search Of Castaways“ (2004) verwenden wir die Verne-Themen hauptsächlich als Basis und transportieren sie in einem übertragenen Sinne in die Gegenwart. Im Falle von „A Floating City“ also vom Optimismus der Auswanderer im 19. Jahrhundert hin zum Ende der Illusionen von unbegrenzter Freiheit und ewigem Wachstum.


    eclipsed: Das Cover zeigt ja einen Ozeandampfer, der gerade dabei ist, über einen riesigen Wasserfall zu kippen. Strikt Visualisierung der Vorlage oder auch ein versteckter Hinweis auf die Kipppunkte des Klimawandels?


    Ludwig: Eindeutig letzteres. Der sarkastische Text in „The Great Eastern“ ist ja unmissverständlich. Vernes „Great Eastern“, auf dem er selbst gereist ist, hat alle Fahrten heil überstanden (lacht).


    eclipsed: Seht ihr irgendwo den Punkt, an dem euch die Vernes Themen – zumindest die um das wässrige Milieu – ausgehen? Oder macht ihr irgendwann auch die „Reise auf den Mond“? Halt, das war ja schon „Solar Moon“ 2001…


    Ludwig: (lacht) Da geht uns eher das Trinkwasser aus... Andererseits gab es mit „Along The Winding Road“ (2008) auch schon ein Album ohne Verne-Bezug. Wir sind da also keineswegs festgelegt.


    eclipsed: Auch musikalisch bleibt ihr euch treu und spielt auf dem schmalen Grat zwischen epischem Artrock und instrumentaler Elektronik. Das Wechselspiel der Synthesizer mit Werner Strätz‘ melodischer Gitarre zeichnet euch ja aus. Wo seht ihr da Weiterentwicklungsmöglichkeiten und welche Musiker zählt ihr zu euren Verbündeten?


    Ludwig: Wir selbst empfinden es nicht als schmalen Grat, sondern eher als bunte Spielwiese. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung gibt es viele, aber wir setzen uns da keine festen Ziele oder orientieren uns ganz konkret an anderen Musikern. Wir lassen uns da eher treiben und wollen offen und spontan bleiben.


    eclipsed: Meiko Richert ist wieder am Gesangsmikro dabei. Leider ist im Gegensatz zu „Point Of Return“ vom letzten Album „The Great Eastern“ nicht genauso gut gelungen. Im Gesang zu pathetisch und auch musikalisch tut sich zu lange nichts, bis nach 10 Minuten doch noch die Gasturbine angeworfen wird. Versteht ihr diese Kritik?


    Ludwig: Selbstverständlich...nicht! (lacht) Denn es ist doch wie im richtigen Leben: Umso länger das Vorspiel, desto erquickender ist der Höhepunkt. Wir sind uns bandintern jedenfalls einig, dass dieser Höhepunkt ein absolutes Highlight in unserer Diskographie darstellt. Und angesichts des Themas ist etwas Pathos vielleicht verzeihlich, zumal wir sonst eher nicht dazu neigen.


    eclipsed: Schön kommen dagegen das Oldfieldsche „Unguilty“ oder das leicht Electro-infizierte „Moondance“. Steckt da Potenzial für die Zukunft drin?


    Ludwig: Ich würde beide Stücke eher als Nautilus-typisch denn als Fingerzeig in die Zukunft betrachten.


    eclipsed: In welchen Gewässern fahren Nautilus demnächst: Zukunftspläne?


    Ludwig: Vielleicht doch noch eine Reise um die Erde in… 80 Minuten. Dann klappern wir nochmal alles ab und gut ist. Man will ja irgendwann mal sesshaft werden...


    eclipsed: Mal so gefragt: seid ihr eigentlich auch privat Wasserratten? Tauchen, Kreuzschifffahrt? Kanu-Fahren?


    Ludwig: Was mich mit Jules Verne vielleicht am Allermeisten verbindet, ist die Liebe zum Meer, wobei ich am liebsten einfach nur drauf gucke. Die extremste Wassersportart, die ich je betrieben habe, ist Tretbootfahren...Und was für die gesamte Band zutrifft – wir können schwimmen. Immerhin...



    ***Interview: Walter Sehrer


    Quelle: https://www.eclipsed.de/de/akt…jules-vernesche-gewaesser