In Vorbereitung des Steampunk-Festivals STEAMROSE 2022 hatten wir uns ein Steampunk-Spaßmobil gebaut. Heute sagt man: Ein Upcycling-Project – denn es bestand nur aus Schrottteilen: Herz war ein Benzinmotor mit 3 PS aus einer defekten Motorhacke, gesetzt auf ein selbst gebautes Fahrgestell mit mehreren Getrieben aus alten Landwirtschaftsmaschinen. Denn die Kraft aus einer senkrecht stehenden Motorwelle musste über eine Riemenscheibe umgelenkt werden, drehzahlminimiert um dann über ein Schaltgetriebe auf die Hinterachse gebracht zu werden. Das Ganze wurde dann mit diversen Fantasiezutaten zu einem Spaßgefährt dekoriert. So konnte ich mit meiner Frau mehrere „Ausfahrten“ auf Steampunk-Veranstaltungen machen.
Im Mai dieses Jahres bei einer Probefahrt bei uns zu Hause versagte ein Umlenkgetriebe: Ein Teil welches vor vielleicht 50 bis 60 Jahren mal in einem Landwirtschaftsgerät verbaut wurde. Technisch war es nicht zu identifizieren – das ist eben das Risiko beim Upcycling. Es war ein absoluter Individualbau. Das war ein technische K.O. unseres Fahrzeugs, es wurde rückgebaut (siehe Bild mit den traurigen Überresten).
Meinen Hilferuf im Freundes- und Bekanntenkreis erhörte u.a. ein Nachbar aus unserer Straße, der einen seit acht Jahren defekten Aufsitzrasenmäher besaß. Da er damals begeisterter Besucher unseres Festivals war, schenkte er uns den unbrauchbaren Mäher. Das Fehlerbild klang gut: Irgendwann hatte er einfach den Geist aufgegeben. Da er nicht von mechanischem Knirschen, Knallen oder Medienverlusten sprach, schien mir das Teil reparierbar. Es stand acht Jahre im Freien, hatte Plattfüße, Moosansatz und Rost – aber die Sache schien lohnenswert.
Nach einem Monat lief der Motor wieder (Hauptproblem Vergaser und Benzinleitung), dann begann das „Abspecken“. Dabei kam umfangreich meine Flex zum Einsatz. So wie in den70er Jahren die Chopper-Motorräder entstanden, alles nicht benötigte wurde abgeschnitten (chop = zerhacken, kürzen und trennen), z.B. Kotflügel und Verkleidungen – so verlor der Rasenmäher alle Verblechungen, Mähwerk und nicht benötigte Teile. Nach dem Zerschneiden wurden so aus Teilen der Frontverkleidung u.a. kleine Kotflügel. Den Rest übernahm ich mit Anpassungen vom alten Gefährt. Markant die neugestalteten breiten Trittflächen und die Doppelsitzbank, sowie eine eckige nostalgisch angehauchte Motorverkleidung mit Kutscherlampen die mit LED beleuchtet werden. Wer genau hinsieht, der erkennt noch Messinggardinenstangen, Uhrenteile, alte Armaturen und Motorradschrotteile (alles Spenden aus unserem Umfeld). Viele Teile sind ohne Funktion: Z.B. der Kühler, der eigentlich von einer Klimatruhe stammt oder alte Anzeigen und Messgeräte.
Jetzt können wir im September dieses Jahres bei STEAMROSE 2024 erneut mit einem Fahrzeug starten. Diesmal mit 11,5 PS, 5 Gängen (ich denke wir kommen auf rund 25 Km/h, was aber auf Veranstaltungen gar nicht benötigt wird) und einem Antriebskonzept, zu dem es noch im Ernstfall Ersatzteile gibt. Über den nächsten Winter will ich noch das zentral liegende Lenkrad seitlich verlegen, damit die Traktorenoptik noch mehr verloren geht.
PS: Nach der markanten Kühlerfigur wurde das Gefährt in der Verwandschaft FROSCH getauft. Das ist zwar nicht steampunkmäßig, aber lieb gemeint ...