Kritik – Offenbachs "Reise zum Mond" am Theater Regensburg

  • Kritik – Offenbachs "Reise zum Mond" am Theater Regensburg

    Galaktischer Trip mit sympathischen Typen

    22.12.2024 von Franziska Stürz

    86 Jahre vor der ersten Mondlandung komponierte Jacques Offenbach die Musik für seine fantastische Operette "Die Reise zum Mond", deren Handlung stark an die Erfolgsromane von Jules Verne angelehnt ist. Dieser verzichtete aber auf Plagiatsvorwürfe, und so kann Prinz Caprice bis heute zusammen mit seinem Vater König Zack und dessen wissenschaftlichem Berater Mikroskop zum Mond fliegen, der von König Kosmos regiert wird. Wie die Erdlinge den Mondbewohnern das Lieben beibringen ist eine herrlich verrückte Geschichte, gespickt mit Karikaturen – und erstmals am Theater Regensburg zu erleben.

    Bildquelle: Marie Liebig

    Am Theater Regensburg war das Stück noch nie zu sehen, und Regisseur Simon Eichenberger weiß für seine opulent ausgestattete, temporeiche und hintersinnige Inszenierung alle Register der Theaterkunst zu ziehen. Atemberaubend präzise schlüpfen das gesamte 12-köpfige Solistenensemble, der ebenfalls solistisch agierende Opernchor und die Tanzcompany in immer neue Rollen und schillernde Kostüme von Susanne Hubrich. Die Video- und Bühneninstallation von Sam Madwar ermöglicht selbst Science-Fiction-Film-verwöhnten Augen faszinierende Momente – angefangen vom Kanonenflug durchs Weltall, über Schneesturm auf dem Mond und den Ausbruch eines Vulkans. In Regensburg ist das Publikum mittendrin und folgt dem galaktischen Trip der sympathischen Charaktere gebannt über drei Stunden.

    Intergalaktisch gutes Liebespaar

    Patrizia Häusermann als Prinz Caprice und Sophie Bareis als Mondprinzessin Fantasia | Bildquelle: Marie Liebig

    Dazu tragen auch die perfekt gearbeiteten und gesprochenen Dialoge bei. Selten, dass man heute bei einer Musiktheateraufführung keine Übertitel benötigt, doch in Regensburg kommt die deutsche Fassung von Stefan Troßbach samt ihrer humorvollen Spitzen bestens über die Rampe. Tom Woods entfacht mit dem Philharmonischen Orchester ein funkensprühendes Feuer im Graben, das die spielfreudigen und stimmlich bestens disponierten Solisten anheizt und beflügelt. Patrizia Häusermann als Prinz Caprice glänzt mit Sophie Bareis als Mondprinzessin Fantasia. Die beiden sind ein intergalaktisch gutes Liebespaar, und ihr Apfelduett ist eine Wonne, wie auch die große Koloraturarie der frisch verliebten Fantasia. Konstantin Igl als pfiffiger Wissenschaftler und Königsberater Mikroskop und Giulio Alvise Caselli als König Zack sind in ihren Rokoko-Outfits ein herrlich komisches Duo, wie auch ihre zugeknöpften Mondkollegen Jonas Atwood als knorriger König Kosmos und Marcel Oleniecki als überspannter Kaktus.

    Diese Reise hat sich gelohnt

    Die von Dominique Brooks-Daw kongenial choreografierten Ballettszenen setzen dem Bilderrausch dieser Staatstheater-würdigen Operettenproduktion noch ein weiteres Glitzerkrönchen auf: Das Schneeflockenballett zu Offenbachs mitreißenden Walzerklängen gelingt futuristisch, romantisch und poetisch. Auch wenn die drei Erdlinge am Ende auf dem Mond bleiben müssen, die Reise hat sich gelohnt. Das Theater Regensburg bietet mit dieser Neuproduktion nicht nur für die Feiertage und den Jahreswechsel einen belebend-beglückenden Augen- und Ohrenschmaus.

    Quelle: https://www.br-klassik.de/aktuell/news-k…emiere-100.html

  • Pariser Raumpatrouille: „Die Reise zum Mond“ in Regensburg

    Von: Markus Thiel

    Barockgockel auf dem Weg ins All: Szene mit Mikroskop (Kontantin Igl, 2.v.li.), König Zack (Giulio Alvise Caselli, Mi.) und Patrizia Häusermann als Prinz Caprice (4.v.li.). © Marie Liebig

    Die Regensburger öffnen alle Theaterschleusen für „Die Reise zum Mond“. Eine überdrehte, nahezu perfekt getimte Aufführung für das zu selten gespielte Offenbach-Stück.

    Und was wäre, wenn wir die Aliens sind? Wenn wir in einer anderen Welt einschlagen, auf dass wir dort unsere Sitten und Gebräuche als Allheilmittel durchsetzen wollen? Nein, die Rede ist nicht von dickbäuchigen deutschen Touristen in Antalya. Das Gedankenexperiment machte 1875 ein Deutsch-Franzose, indem er die Romane von Jules Verne ummodelte zu einem Bühnenstück. Und da wir bei Jacques Offenbach sind, gibt es weder Klangseife noch Handlungsschmalz, sondern Subversives. „Die Reise zum Mond“ hat sich kaum auf unseren Bühnen gehalten. Warum, das lässt sich kaum erklären – erst recht nicht nach dieser Wiederbelebung am Theater Regensburg.

    Die Oberpfälzer öffnen für den Zweieinhalbstünder alle Theaterschleusen. Kostümwechsel im gefühlten Fünf-Minuten-Takt, Kulissen im ironisch handgemachten Schick, intelligent eingesetzte Videos, dazu hochtourige Ballett-Einlagen, es gibt ordentlich was auf die Augen. Offenbach und seine drei Librettisten erzählen vom irdischen König Zack, der sich mit seinem Sprössling Prinz Caprice und dem Hofgelehrten Mikroskop per Kanone auf den ersehnten Mond schießen lässt.

    Dort treffen sie auf Befremdliches. Im Regime unter König Kosmos müssen Frauen an den Herd, sind Luxus-Accessoire oder werden versteigert. Den Nachwuchs bezieht man aus dem Kinderland. Liebe gilt als Krankheit. Dumm nur, dass die Erdlinge im Proviant Äpfel dabeihaben: Wer hineinbeißt, dem steigen die Säfte. Mondprinzessin Fantasia verliebt sich darob in Caprice – und wird ihn, nach heillosen Verwirrungen und operettengerecht, auch bekommen.

    Die Regie tappt nicht in die Modernismus-Falle

    Ein jubelndes Volk, das seinen Monarchen per Kanonenschuss endlich loswird, die bröckelnde Macht der Krone, dazu eine Portion Feminismus (die Erde leistet sich ausschließlich Astronominnen) und ein verbogener Rechtsstaat (der Mond hat nur einen Juristen als Verteidiger und Staatsanwalt): Das Stück strotzt vor galliger Gesellschaftsanalyse, die einem Offenbach & Co. mit abstruser Handlung und unwiderstehlicher Musik unterjubeln. Es ist ein Gruß aus goldenen Zeiten, als Grundsatzkritik solche Operetten und nicht die AfD gebar.

    Regisseur Simon Eichenberger tappt in Regensburg nicht in die Modernismus-Falle. Sein König Zack ist ein Barock-Gockel à la Ludwig XIV. und trifft auf dem Erdtrabanten Wesen zwischen „Raumpatrouille“ und „Star Trek“. Das Stück, dies augenzwinkert die Aufführung, ist so eindeutig zweideutig, da braucht‘s keine Herholung ins Heute. Was nicht heißt, dass es keine Aktualisierungen gibt. Doch die werden nicht ausgestellt, sondern listig eingebaut: angefangen von den Einkaufstüten der Frauen mit verfremdeten Edel-Marken über den Reiseproviant der Erdlinge (neben Äpfeln auch Weißwürste und Haribo) bis hin zu wie weggesprochenen Pointen: Hat da, Söder hilf, nicht gerade einer gegendert?

    Die Ausstattung von Sam Madwar (Bühne, Videos) und Susanne Hubrich (Kostüme) ist eine Augenweide. Das Allererstaunlichste ist aber das Timing. Schon die Premiere flutscht, als laufe die Produktion seit Wochen. Enorm viel Probenarbeit steckt in diesem Abend. Rasante Dialoge, Musiknummern mit fast perfektem Drive und Ballett-Einlagen greifen fugenlos ineinander. Dominique Brooks-Daw hat für die Regensburger Tanzcompany Choreografien zwischen Traumvision und Faschingsgarde ersonnen. Alles ist stückgemäß aufgekratzt, doch nie kurz vor dem Kolbenfresser.

    Nonsens ist hier eine Tugend

    Wie übrigens auch das, was sich im Graben tut. Dort steht Tom Woods und hat den Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters hörbar dreifache Espressi verabreicht. Der Offenbach‘sche Stilmix zwischen duftiger Lyrik, Walzer-Charme und heißlaufendem Can-Can wird bedient. Und immer ist Sorgsamkeit und Stilbewusstsein zu spüren im Umgang mit der auseinanderstrebenden Partitur. Die Kürzungen tun ihr Übriges: Die Ouvertüre gibt‘s nur mehr als Rumpfstück und manchmal nur eine Strophe der Arien.

    Auf der Bühne sind ausschließlich liebenswürdige Typen unterwegs. Giulio Alvise Caselli als gespreizter König Zack, die fernherbstimmige Patrizia Häusermann (Prinz Caprice), der überdrehte Konstantin Igl (Mikroskop), Jonas Atwood als dauerirritierter König Kosmos und die lustvoll sopranbizarre Sophie Bareis als Prinzessin Fantasia – sie und alle anderen verraten ihre Rollen nicht an die Knallcharge. Nonsens ist hier eine Tugend. Dass nicht nur die Dialoge, sondern auch die Gesangsnummern per Mikroport verstärkt werden, bringt zwar Textverständlichkeit, zuweilen aber einen Trommelfelltest. Letzteren wagt auch das Publikum: ungetrübter Premierenjubel. Solch intelligenten Eskapismus lässt man sich in Zeiten wie diesen doch gefallen.

    Offenbachs „Die Reise zum Mond“ am Theater Regensburg
    Premiere am 21. Dezember 2024
    youtu.be

    Quelle: https://www.merkur.de/kultur/die-rei…r-93482424.html

  • 86 Jahre vor der ersten Mondlandung komponierte Jacques Offenbach die Musik für seine fantastische Operette "Die Reise zum Mond", deren Handlung stark an die Erfolgsromane von Jules Verne angelehnt ist. Dieser verzichtete aber auf Plagiatsvorwürfe

    ... na, ich weiß ja nicht. Stark angelehnt? Das hat doch mit Verne gar nichts zu tun ...

  • In der Tat, nichts; aber das gehört zu den unausrottbaren Verne-Mythen wie der Ballon auf den Buchumschlägen von In 80 Tagen oder die Nummern im Namen von Vernes drei Schiffen. Dagegen anzukämpfen ist vergebliche Liebesmüh...

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