• Weiß hier zufällig jemand Bescheid, ob Paul Verne noch mehr geschrieben hat als nur die beiden Reiseberichte, "Eine Mont-Blanc-Besteigung" und "Von Rotterdam nach Kopenhagen – An Bord der Dampfjacht „Saint Michel" und ob, wenn ja, irgendwas davon veröffentlicht worden ist?

  • Nein, konkret Texte sind mir da nicht bekannt. Paul hat seinem Bruder wohl ausführlich durch Recherchen zur Navigation ausgeholfen, wie weit aber diese Schreiben oder Studien veröffentlicht wurden (im Rahmen der Korrespondenz - Veröffentlichungen) ist mir nicht bekannt.


    Grüße


    Bernhard

    :seemann: :baer:


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    I love you, you love me, ja wo lawe ma denn hi??

  • Hei, es gibt doch noch was, zwei Bände mit Klavierkompositionen (17 + 14 Stücke), der erste 1873 bei Louis Gregh, der zweite 1891 bei V. Durdilly, Paris. Beide tragen des Titel "Esquisses musicales". Dann mal viel Spaß beim Suchen, Finden und Spielen!!


    wünscht Volker

  • Der Spezialist hatte das letzte Wort...
    Jetzt, wo ich es gelesen habe, dämmert so ganz in meinem Hinterkopf das da so etwas gewesen sein könnte... aber es wäre mir garantiert so nie eingefallen, das lag zu fern all meiner Erinnerungen...


    B.

    :seemann: :baer:


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    I love you, you love me, ja wo lawe ma denn hi??

  • Danke, Bernhard, für die Blumen, die ich aber mit Doris Oldenburg, ehemalige Lehrerin am Johanneum, teilen möchte. Sie hat mich ursprünglich auf den Namen von Friedrich Lindenbrog gebracht. Die Verbindung zwischen Lindenbrog und dem Johanneum ist in Bezug auf die Bibliothek klar, weniger steht allerdings fest, dass L. wirklich am Johanneum gelehrt hat. Die Person des (realen) Französischlehrers hat Doris nur aufgenommen, um die Geschichte etwas lebendiger zu gestalten, für ein solches Treffen gibt es keine Anhaltspunkte, zumal Verne damals (1861) ja noch gar nicht bekannt war.


    Doris Oldenburgs Artikel lautet übrigens wie folgt:


    "Wie kommt das Johanneum in den Mittelpunkt der Erde?"
    in: Symposion. Festschrift zum 475-jährigen Jubiläum der Gelehrtenschule des Johanneums. Hamburg: Johanneum 2004, S. 225-227


    Neben Friedrich Lindenbrog kann auch dessen Vater Erpold den Namen von Lidenbrock und die Person Arne Saknussemms angeregt haben. E.L. war ebenfalls ein Gelehrter und hat u.a. auf lateinisch die erste Beschreibung Islands herausgegeben. Verne hat ja stets aus mehreren Quellen geschöpft. Mehr Informationen dazu (und ein Porträt von Friedrich Lindenbrog) in einem der Anhänge "Jules Verne und das Johanneum" in der Winkler-Ausgabe vom "Mittelpunkt", die nächste Woche in den Druck kommt und definitiv im September erscheint. Der vielen Zusatzdokumente wegen nicht mehr 350 S., sondern 420 S. dick. Und deshalb leider auch etwas teurer als ursprünglich geplant...

  • Ich fürchte, die Antwort von Volker Dehs ist im falschen Thread gelandet :D


    Ich finde als Lektüre zu den Hintergründen der Verne-Romane ja Peter Costellos "Jules Verne - Der Erfinder der Science-Fiction" recht aufschlußreich. Von dem originalen Lindenbrog hat er freilich natürlich noch keine Ahnung. Allerdings findet sich da bei der Besprechung von "Reise zum Mittelpunkt der Erde" im Zusammenhang mit den Namen der realen isländischen Gelehrten folgender Hinweis: "Manche der von ihm verwendeten Namen sind leicht abgewandelt, nicht um Sie unkenntlich zu machen, sondern aus dem einfachen Grund, daß Verne oft außerstande war, seine eigenen Notizen zu entziffern." Trifft eigentlich ja auch auf "Lindenbrog" und "Lindenbrock" zu. :grins:


    By the way, ist irgendwo auf deutsch - oder zumindestens auf englisch - dokumentiert, welche Modifikationen Verne bei der 1867er Neuausgabe von "Reise zum Mittelpunkt" genau gemacht hat? Die deutschen Übersetzungen scheinen ja alle der Neufassung zu folgen. Hat er da einfach nur die Urmenschen-Szene zusätzlich eingebaut, oder ist da auch etwas vom alten Text gestrichen worden?


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    Schließlich noch eine Alibianmerkung zu Paul Verne: War er nicht auch Kapitän? Vielleicht hat er da ja zumindestens noch Logbücher verfaßt? :DD

  • Sorry, da bin ich wirklich im falschen thread gelandet. Und auch jetzt ist's nicht angemessen, aber ich will nur auf die Frage nach den Veränderungen antworten. Verne hat tatsächlich 1 1/2 Kapitel in der Neufassung vom Mittelpunkt eingefügt (Episode mit Knochenmeer, Urmensch, dem erleuchteten Wald, Mammutherde und "Schäfer") und nur einige Textanpassungen vorgenommen, die nicht weiter ins Gewicht fallen. Ansonsten wurde die Interpunktion mal hie und da geändert, einige stilistische Änderungen vorgenommen, die in einer Übersetzung sowieso kaum ins Gewicht fallen bzw. überhaupt nicht nachvollziehbar sind. Deshalb folgt auch die neue Übersetzung dem definitven Text; dem Leser geht da wirklich nichts verloren.


    Etwas interessanter liegt der Fall bei "20.000 (bzw. 40.000*) Meilen unter den Meeren, wo es größere Abweichungen vom Vorabdruck gibt. Auf die wird in den Anmerkungen hingewiesen, überall da, wo es sich lohnt. Aber das Erscheinen dieser Übersetzung ist eh erst für Oktober 2006 vorgesehen, und die Zeit braucht es auch für die Recherchen.


    *) 40.000 deshalb, weil Verne im frz. Titel nicht von Meilen spricht, sondern von "lieues" (Wegstunden, d. h. der Weg, der bei zügigem Fußmarsch in einer Stunde zurückgelegt wird), ein altes frz. Maß, das in der von Verne genutzen Variante exakt 4 km entspricht. Also müsste der Titel eigentlich "20.000 Wegstunden..." lauten, was sich bescheuert anhört, oder "80.000 Kilometer...", was nicht zulässig ist, weil Verne die von der Revolutionsregierung als verbindlich vorgeschriebenen Kilometer aus ideologischen Gründen abgelehnt hat) oder - auf ne runde Summe gestutzt - "40.000 (See-)Meilen" à 1.852 m oder so (Bernhard wird's richten, ich zitiere aus der Erinnerung). Recht kompliziert, was?

  • Man mag sich natürlich fragen, warum man sich - jedenfalls wenn das informative, offensichtlich sehr ausführliche Nachwort ("Wort" ist gut!) nicht wäre - eine weitere Übersetzung vom "Mittelpunkt" zu legen sollte. Sicher, es gibt da keinen definitiven Text, weil es nun einmal keine eindeutige exakte 1:1 Wortwahl bei einer Übersetzung geben kann, insofern kann man bei einer neuen Übersetzung auch immer wieder den Ursprungstext "neu" lesen.


    Ich weiß ja nun nicht, ob der "Mittelpunkt" gänzlich neu übersetzt wurede, oder in Anlehnung an eine ältere Übersetzung wie etwa der von Hartleben. Jedenfalls hoffe ich doch, daß die Übersetzung diesmal vollständig ist. Denn was Hartleben und Diogenes angeht, so scheinen diese Texte - jedenfalls wenn man die CD der Digitalen Bibliothek bzw. die Diogenes-Taschenbuchausgabe zum Maßstab nimmt - nicht bis ins Detail vollständig zu sein.


    Dazu mal ein paar Beispiele. Zunächst einmal ist auf der CD im Gegensatz zu Vernes Original und der Diogenes-Version der 21. Mai und nicht der 24. Mai als Beginn des Abenteuers angegeben. Möglicherweise ist dies aber nur ein Fehler auf der CD und nicht im Harleben-Original. Im zweiten Kapitel aber fehlen auf der CD etwa die folgenden [hier auf französisch ergänzten] Sätze komplett:


    "(...) Und an diesem Rücken sieht man nach sieben Jahrhunderten noch keinen Riß! [Ah! voilà une reliure dont Bozerian, Closs ou Purgold eussent été fiers!"
    En parlant ainsi, mon oncle ouvrait et fermait successivement le vieux bouquin.] Ich konnte nichts besseres thun, als ihn über den Inhalt zu fragen, obwohl der mich wenig kümmerte. (...)


    Die fehlenden Sätze findet man dafür bei Diogenes:


    "(...) Ach, das ist ein Einband, auf den Bozerian, Closs oder Purgold stolz gewesen wären!"
    Während mein Onkel das sagte, schlug er das alte Buch abwechseld auf und klappte es wieder zu. (...)


    Es gibt aber auch genau umgekehrte Beispiele. So heißt es im dritten Kapitel:


    (...) kehrten wir mit dem Dampfboot zum Kai zurück.
    [Or, j'en étais là de mon reve, quand mon oncle, frappant la table du poing, me ramena violemment à la réalité.]
    "Mir scheint," sagte er, "der erste Gedanke, auf den man kommt (...)"


    In der Übersetzung muß man also raten, wer überhaupt mit "sagte er" gemeint ist. Das spricht eigentlich dafür, daß der Aussetzer rst beim Druck passiert ist. Bei Hartleben heißt es jedenfalls entsprechend:


    Als ich in meinen Träumen hier ankam, ward ich von meinem Oheim durch einen Faustschlag auf den Tisch gewaltsam in die Wirklichkeit zurückgerufen.


    Noch krasser liest sich ein Beispiel aus dem 19. Kapitel. Hier fehlt bei Diogenes eine Dialogzeile, so daß die Sätze Axels unvermittelt in den Mund des Professors geraten und so der ganze Sinn verkehrt wird:


    "Nein, bergan, wenn ich das sagen darf."
    [- A monter! fit mon oncle en haussant les épaules.]
    "Allerdings. Seit einer halben Stunde schon geht es langsam wieder hinauf (...)"


    Auch hier findet sich der ausgelassene Satz bei Hartleben:
    - Aufwärts! sagte mein Oheim, und zuckte die Achseln.


    Da die Auslassungen in den Diogenes-TBs zu logischen Fehlern führen, sieht es so aus, daß hier nicht der Übersetzer, sondern die Drucker nachlässig waren. Vielleicht ist der Text in der Hartcover-Version ja noch komplett und die Zeilen sind erst beim TB-Umbruch aus Versehen verlustigt gegangen.


    Jedenfalls wäre es wünschenswert, daß in der neuen Übersetzung nun wirklich jeder Satz übersetzt ist.

  • Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei Diogenes einiges auf das Konto des Setzers geht. Die Seiten sind übrigens bei Hardcover- und TB-Ausgabe gleich. Ein weiteres Beispiel findet sich auf S. 274 (Axels Wachtraum):


    "Auf dem öden Sandstrand ziehen die großen Säugetiere der Urzeit vorbei. Das Leptothe-Herz allein schlägt in dieser entvölkerten Welt."


    Was bitte ist ein Leptothe-Herz? Ganz einfach, es müsste eigentlich heißen:


    "...Das Leptotherium, das man in den Höhlen Brasilien gefunden hat, das Mericotherium aus den Eisregionen Sibiriens." Es folgt der Text einer ganzen fortgefallenen Seite. "...Die Zoophyten der Übergangsperiode kehren ihrerseits ins Nichts zurück. Das ganze irdische Leben konzentriert sich in mir, und mein Herz allein schlägt in dieser entvölkerten Welt."


    Der Text ist bei Winkler vollständig übersetzt. Neben ausführlichen Erklärungen der wenig geläufigen Ausdrücke und Namen folgen im Anhang:
    - die Aufforderung des Captain Symmes, soch seine Expedition ins Erdinnere zu unterstützen (18189
    - Jules Vernes Verteidigungsschrift im Plagiatsprozess von 1877
    - ein Auszug aus Alexander von Humboldts "Kosmos" (eine von Vernes Quellen
    - "Unter der Erde", ein Aufsatz von Vernes Sohn Michel (1888)
    - mehrere Bilder, die Verne zum Schreiben seines Buches angeregt haben.

  • Zitat

    Original von Poldi
    Thosch, Du kannst ihm vertrauen, er hat die Übersetzung gemacht...


    Das ist sehr beruhigend, aber allein schon der Anhang macht die Winkler-Ausgabe ja zu einem must have. John Cleeves Symmons Theorie soll ja schon auf Poe (MS Found in a bottle, Arthur Gordon Pym [Poe-Symmons !?]) gewirkt haben, der selber wiederum Verne beeinflußt hat


    Meine Diogenes-TB-Ausgabe ist ja nun schon etwas älter, und so habe ich mir mal den Spaß gemacht, in einer größeren Buchhandlung in der aktuellen Auflage zu blättern (wobei die ../04/.. im Impressum wohl für 2004 stehen dürfte). Das Leptothe-Herz auf S. 274 ist immer noch da, selbstredend auch die anderen kleinen Abweichungen. 30 Jahre lang wird das Buch also nunmehr unkorregiert lustig weitergedruckt. Wie sieht es den mit der neulich bereits diskutierten Bücherbund/Bertelsmann-Prachtausgabe im Hartleben-Design aus? Dort ist ja auch die Diogenes-Textversion abgedruckt. Hat man dort den Text ungeprüft übernommen oder einer Revision unterzogen?


    Thomas Sch.

  • Zitat

    Original von Thosch
    Wie sieht es den mit der neulich bereits diskutierten Bücherbund/Bertelsmann-Prachtausgabe im Hartleben-Design aus? Dort ist ja auch die Diogenes-Textversion abgedruckt. Hat man dort den Text ungeprüft übernommen oder einer Revision unterzogen?


    Thomas Sch.


    Hi Thomas,
    guter Hinweis, ich schau mal nach!