Warum ein russischer Vater gegen die Serie "Die Simpsons" klagt

  • Der Sohn der Kröte


    Warum ein russischer Vater gegen die Serie "Die Simpsons" klagt


    Am frühen Abend, draußen ist es längst dunkel, liegt Igor Alexandrowitsch Smykow in einem Sessel vor dem Fernseher und erwartet die Ankunft des Feindes. Er hat sich ein Glas Wodka eingeschenkt, vor ihm steht ein Teller mit Gebäck und Schokolade, daneben die Fernbedienung; Smykow ist vorbereitet. Es gehe um die Zukunft der Kinder, sagt er, um die Zukunft des Landes: Wenn niemand etwas unternehme, drohe der "Untergang Russlands".


    Aus der "Süddeutschen Zeitung"


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    Smykow, 38 Jahre alt, Rechtsanwalt in Moskau, hat beschlossen, sich dem Untergang entgegenzustellen. Schließlich war es sein Sohn Konstantin, von Smykow zärtlich Kostja gerufen, der dem Feind die Tür geöffnet hat: Jeden Werktag um 19 Uhr, am Wochenende um 9.30 Uhr, macht sich der gezeichnete Clan der "Simpsons" für drei, vier Folgen im Haus von Igor Smykow breit, der sich deshalb entschieden hat, in der amerikanischen Fernsehserie das Reich des Bösen zu sehen.


    Smykow ist ein schwerer Mann, der viel arbeitet und früh ergraut ist. Er studierte Jura, als die Sowjetunion auseinanderfiel, er beklagt die Korruption, die Gleichgültigkeit, die allgemeine Verwahrlosung. Nach dem Studium war er kurze Zeit zuständig für die Vergabe von Lizenzen an Straßenhändler, danach versuchte er sich im Ölgeschäft. Heute verdient er sein Geld als Unternehmensberater, ehrenamtlich arbeitet er für eine Menschenrechtsorganisation - es sieht aus, als suchte er noch immer einen Platz in der neuen Gesellschaft.


    Wahrscheinlich war es sein Glück, dass ihm Kostja irgendwann zu Hilfe kam.


    Der Junge ist neun Jahre alt, er geht in die dritte Klasse und liebt Computerspiele. Wenn er aus der Schule kommt, macht er Hausaufgaben, sieht fern, isst etwas, spielt. Dann sieht er wieder fern. Smykow hat das Gefühl, er müsse seinen Sohn gegen die neue Freiheit schützen.


    Gleich in der ersten Klasse bekam Kostja eine Lehrerin, die ihm mehrere Einsen gab - was in Russland Sechsen entspricht. Smykow wollte sie verklagen. Erst der Schuldirektor bewegte ihn dazu, die Klage zurückzuziehen, die Frau habe vier Kinder, sei praktisch unkündbar.



    Eines Tages schenkte Smykow seinem Sohn einen eigenen Fernseher zum Geburtstag, der Junge sollte beizeiten lernen, damit richtig umzugehen. Kostja mag Zeichentrickserien, Komödien, am liebsten mag er die "Simpsons": Bart Simpson, den beschränkten Sohn, dessen Schwester Lisa und vor allem Homer, den Vater, der mit seinem dicken Bauch und seinen schütteren Haaren ein wenig aussieht wie Igor Smykow.


    Leider, sagt Smykow, veränderte die Fernsehserie Kostjas Charakter, der Junge wurde immer schwieriger und aggressiver.


    "Ich würde meine Mutter töten", sagte er eines Tages, ein andermal rief er: "Hau ab, Papa, ich kann sehr gut auf dich verzichten."


    Kostja wollte wissen, was Kokain ist, zudem äußerte er den Wunsch, einen Mann zu küssen. "Warum schaust du dir nicht die guten alten sowjetischen Zeichentrickfilme an?", fragte der Vater. "Sie sind hübsch, sie sind friedlich, in ihnen gibt es nur das Gute."


    Als Kostja seine Großmutter, Smykows Mutter, mit den Worten "du stinkende Kröte" beschimpfte, sah Smykow den Zeitpunkt gekommen, einzuschreiten.


    Er reichte beim Moskauer Stadtgericht Klage ein: Die "Simpsons" propagierten Gewalt, Brutalität, Drogenkonsum und Homosexualität, die Serie stelle die Eltern als Debile dar und die Kinder als Idioten, und ständig werde über Sex geredet.


    Smykow verlangte, die Ausstrahlung zu verbieten. Falls das nicht möglich sei, wollte er einen späteren Sendetermin sowie die Anmerkung "nur für Erwachsene". Schließlich forderte er Schadensersatz. Smykow schätzte den moralischen Schaden, den Kostja erlitten hat, auf 300.000 Rubel, rund 9000 Euro. Er wollte einen Präzedenzfall schaffen - für andere Eltern, für andere Sender, für das ganze Land.


    Der Prozess zog sich über drei Jahre. Das Gericht setzte rund 20 Verhandlungstermine an und lud zahlreiche Zeugen, darunter eine Psychologin von der Russischen Akademie der Wissenschaften.


    Ob die "Simpsons" Propaganda enthielten, fragte der Richter.


    Ja, sagte Natalja Markowa, die Psychologin, mit fester Stimme.


    Könne die Serie seelische Schäden bei Kindern anrichten?


    Ja, sagte Natalja Markowa, sie beobachte einen "Kult der Grausamkeit und Gewalt".


    Smykow atmete auf. Im Oktober 2003 bewarb er sich für die Kandidatur zum Moskauer Oberbürgermeister. Alles schien auf einmal möglich. Er organisierte den Wahlkampf, gab Interviews. Doch er trat nicht an.


    Man sei sich über die Finanzie- rung des Wahlkampfs uneins gewesen, sagt Smykow leise. Vielleicht hatte er auch einfach das Gefühl, sich zunächst um seinen Sohn kümmern zu müssen.


    Ende 2005 schließlich wies das Gericht Smykows Klage zurück. Der Fernsehsender Ren-TV, an dem RTL zu 30 Prozent beteiligt ist, darf die "Simpsons" weiterhin ausstrahlen, um 19 Uhr.


    Smykow will jetzt nach Straßburg ziehen, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, er möchte alles bekämpfen, was russische Kinder süchtig macht.


    Als Nächstes, sagt er, will er Pepsi- Cola verklagen.


    Quelle: www.spiegel.de

  • Wenn er mit dem Simpsons-Humor (der ja noch eher kritisch ist) schon nicht klarkommt, hoffe ich nur, dass ihm niemals South Park in die Finger fällt :lach:
    Aber wahrscheinlich war er nur sauer über die Verarsche der russichen Zeichentrickserien ("Arbeiter und Parasit") in der einen Krusty-Folge :spot: