Dienstvorschrift im Jahr 2005 erlassen
Deutsche Nachrichtendienste praktizieren bereits seit zwei Jahren geheime Online-Durchsuchungen. Das räumte das Kanzleramt nach Aussagen von Teilnehmern im Innenausschuss des Bundestags ein. Vertreter der Opposition reagierten mit Empörung und warfen der Bundesregierung Rechtsbruch vor. Unions-Politiker betonten dagegen die Notwendigkeit der Ermittlungsmaßnahmen.
Laut dem Bericht des Kanzleramts spähen die Geheimdienste seit Juni 2005 verdächtige Computer aus. Sie stützen sich dabei auf eine Dienstvorschrift des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily. Auch das dem Innenministerium unterstellte Bundeskriminalamt (BKA) hatte Online-Durchsuchungen mehrfach bei Ermittlungen eingesetzt. Doch im November vergangenen Jahres weigerte sich ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, einen BKA-Antrag auf Online-Durchsuchungen zu genehmigen. Die Bundesanwaltschaft legte daraufhin Beschwerde bei den Karlsruher Richtern ein, die der Polizei im Februar das heimliche Ausspähen von Computerfestplatten untersagten.
Ministerium verteidigt Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen
Trotz des Urteils vertrat das Bundesinnenministeriums im März noch die Auffassung, dass es den Nachrichtendiensten erlaubt sei, Online-Durchsuchungen durchzuführen. Grundlage hierfür seien die Gesetze über den Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst, argumentierte das Innenministerium in einem Schreiben an den Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland.
Alle drei Gesetze waren vor wenigen Monaten im "Terrorismusbekämpfungs-Ergänzungsgesetz" geändert worden. Das Gesetz räumt Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst im Großen und Ganzen die selben Rechte ein wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Bis dato hatten im Inland die Verfassungsschützer weitreichendere Befugnisse als die anderen Dienste. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Bundesinnenminister.
Kritik auch aus der Union
Die Unionsinnenexperten Hans-Peter Uhl (CSU) und Ralf Göbel (CDU) bezeichneten die Durchsuchungen der Geheimdienste als "rechtsstaatlich fraglich". Die Maßnahmen seien unbedingt erforderlich, dafür bedürfe es aber einer tragfähigen Grundlage. Der SPD hielten sie vor, sie erwecke den Eindruck, sie sei gegen Online-Durchsuchungen. "Sie selber hat diese Ermittlungsmethode eingeführt."
SPD-Experten verlangen richterliche Kontrolle
Der Innenausschussvorsitzende Sebastian Edaty (SPD) bezeichnete Schilys Dienstvorschrift als "nicht tragfähige Grundlage". Die Zahl der vorgenommenen Durchsuchungen liege zwar "im einstelligen Bereich". Der Bundestag solle nun aber "ein klares Signal" setzen, dass es für die Maßnahmen bislang keine ausreichende Gesetzesgrundlage gebe. Er könne sich eine derartige Überwachung lediglich für besonders schwere Straftaten vorstellen und nur mit richterlicher Kontrolle. Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hatte sich mehrfach für eine rechtliche Grundlage für Online-Durchsuchungen ausgesprochen.
Empörung bei der Opposition
Grünen-Abgeordnete Wieland warf den Geheimdiensten nach der Sitzung des Innenausschusses nun eine "Missachtung des Grundgesetzes" vor und forderte die Bundesregierung auf, "die illegalen Praktiken sofort zu beenden". Auch die Innenexperten der Links-Fraktion, Ulla Jelpke und Jan Korte, sprachen von einer "völlig haltlosen Rechtsgrundlage". Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, verlangte die Aussetzung der Maßnahme bis zu einem ausstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts. "Eine Dienstanweisung ist unter keinem Gesichtspunkt eine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Grundrechte."
Quelle: [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6658014_NAV_REF2,00.html]tagesschau.de[/URL]