Erdbebenopfern in Pakistan brauchen dringend Hilfe

  • "Sonst ist niemand mehr zu retten"


    Auch mehr als drei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben sind viele Überlebende in Pakistan noch immer ohne ausreichende Hilfe - es fehlt vor allem Geld der internationalen Gemeinschaft. Die Zahl der Todesopfer stieg inzwischen nach Regierungsangaben auf über 73.000. Hunderttausende Menschen sind noch immer obdachlos - und der Winter steht vor der Tür. Nun droht der Tod durch die eisige Kälte.


    Von Christoph Heinzle, ARD-Hörfunkstudio Südasien


    Wer Glück hatte am 8. Oktober, der hat das Beben überlebt - wer Glück hatte, bekam ein Zelt und ein bisschen Brennholz und wer Glück hatte, der überstand bis jetzt Verletzungen und Kälte, Mangelernährung und katastrophale sanitäre Verhältnisse.


    Doch für hunderte, ja tausende könnte dieses relative Glück bald zu Ende sein. Bis zu eine Million Menschen im nordpakistanischen Gebirge sind immer noch ohne Unterkunft. Dabei ist es nachts bereits frostig kalt, erster Schnee ist gefallen - und Mitte dieses Monats kommt der Winter mit voller Wucht.


    Harte Monate stehen bevor


    Es werde ein besonders harscher Winter werden, warnt der pakistanische Armeeoffizier Mohammad Abbas: "Das Wetter wird jetzt schlechter. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. In den hochgelegenen Gebieten leben immer noch zehntausende von Menschen. Dort fällt die Temperatur jetzt unter den Gefrierpunkt. Bald werden wir minus 15 Grad haben und Schnee - der wird dort im Winter ein bis drei Meter hoch liegen. Unter solchen Bedingungen können die Menschen dort oben nicht überleben."


    Die Zeit läuft ab und alle drei Millionen Menschen brauchen alles gleichzeitig: vor allem eine Unterkunft, bis zu 200.000 Zelte sollen noch fehlen. Und mehr als zwei Millionen Menschen brauchen Lebensmittel: Weil die meisten Vorräte zerstört sind, müssen sie den ganzen Winter über versorgt werden, sonst könnten sie an Auszehrung sterben, warnen die Vereinten Nationen.


    Uno: "Wir brauchen jetzt Geld"


    Doch es fehlt an Geld für die Nothilfe, hinten und vorne. Bald schon werde man die so dringend benötigten Hubschrauber, die pro Flugstunde bis zu 11.000 Dollar kosten, nicht mehr finanzieren können, und die Hilfe herunterfahren müssen, fürchtet Rashid Khalikov, UN-Koordinator im kaschmirischen Muzafarrabad: "Um Lebensrettungsmaßnahmen sechs Monate durchführen zu können, brauchen wir jetzt Geld - sonst gibt es in einigen Monaten keine Leben mehr zu retten. Wir müssen den Menschen jetzt helfen, und dann auch über den jetzigen Spendenaufruf hinaus", sagt er.


    Viele Straßen ins Erdbebengebiet werden monatelang nicht befahrbar sein, die Hubschrauberkapazitäten reichen bei weitem nicht. Die Menschen in den entlegenen Bergdörfern müssen deshalb viele Stunden laufen und Hilfsgüter zu Fuß mit zurücknehmen. Im Winter wird das kaum mehr gehen, fürchtet die pakistanische Regierung und fordert, die Betroffenen auf, ihre Dörfer zu verlassen. "Auch wenn wir Zelte aufbauen in den Bergregionen und medizinische Versorgung anbieten, können die Menschen dort meiner Meinung nach nicht leben. Wir sollten die Menschen herunter ins Tal bringen, an Orte wo sie besser leben können. Diese Bewegung hat bereits begonnen, wir wollen das jetzt besser organisieren, um sie hier in Lager zu bringen", sagt Armee-Offizier Abbas.


    Eine zweite Katastrophe droht


    Vielerorts sind inzwischen Zeltlager entstanden, längst nicht alle unter akzeptablen Bedingungen. Kalt ist es auch in den Zelten, Unterkühlung droht, Atemwegserkrankungen schwächen vor allem Frauen und Kinder zusätzlich. Und häufig fehlen Latrinen. Dies sei die nächste große Gefahr, warnt Bill Fellows von Unicef: "Wir haben eine tickende Zeitbombe hier - und das sind menschliche Exkremente. Jeden Tag haben wir zusätzlich 150 Tonnen Kot im Freien. Wenn wir keine sicheren sanitären Einrichtungen hierher bekommen, besteht die Gefahr einer zweiten Katastrophe."


    Dass dennoch Geberstaaten und Spender weiterhin so zurückhaltend sind, können sich viele Helfer nur schwer erklären. Die Welt habe das ganze Ausmaß dieser Katastrophe wohl noch nicht verstanden, sagen sie verzweifelt.


    Quelle: [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4914102_NAV_REF3,00.html]http://www.tagesschau.de[/URL]