Wochenlanger Streik an Unikliniken

  • "Die Nerven liegen überall blank"


    Mehr als sieben Wochen streiken die Mediziner an den Unikliniken schon, und die Folgen für alle Betroffenen sind erheblich. Viele Kliniken haben die Zahl ihrer Operationen zurückgefahren. Patienten müssen warten, den Krankenhäusern gehen dringend benötigte Einnahmen verloren. Die Kliniken drängen deshalb die Länder bei der heutigen Runde der Tarifverhandlungen zu einer Einigung zu kommen.


    Von Eckart Aretz, tagesschau.de


    Wer nur ein künstliches Hüftgelenk braucht, hat Pech gehabt. Auch wenn der Patient schon lange auf die Operation wartet - seine Chancen sind gering, derzeit unters Messer zu kommen. Viele Universitätskliniken haben als Folge des wochenlangen Streiks der Klinikärzte die Zahl ihrer Operationen drastisch reduziert.


    Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) führt derzeit nur noch jede zweite Operation durch. Notfälle, Kinder, Schmerzpatienten oder Patienten in einer durchgeplanten Therapie werden behandelt - alle anderen müssen warten. "Das ist eine sehr belastende Situation", sagt der Ärztliche Direktor der MHH, Andreas Tecklenburg im Gespräch mit tagesschau.de, "die Nerven liegen überall blank und der Umgangston ist rauer geworden". Damit steht die MHH nicht allein. Auch die Uniklinik Köln kann nur knapp die Hälfte aller Patienten operieren, berichtet Sprecher Markus Lesch gegenüber tagesschau.de. Sogar das Ambulanzprogramm habe man einschränken müssen, und die Folgen seien noch gar nicht abzusehen.


    Zitat: "Das ist kein Ärztestreik, das ist ein Sklavenaufstand."
    Quelle: Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer Marburger Bund


    Patienten machen sich auf die Suche


    Denn wer noch einmal wochenlang auf seine Operation wartet, riskiert eine Verschlimmerung seines Leidens. Andere Patienten wollen dieses Risiko nicht eingehen und suchen sich eine andere Klinik. Das bedeutet nicht nur verlorenes Vertrauen, wie Mathias Brandis von der Freibuger Universitätsklinik befürchtet, sondern auch einen erheblichen finanziellen Verlust. In Hannover betrug das Minus im ersten Quartal des Jahres allein drei Millionen Euro, in Köln rechnet man sogar mit einem Vielfachen.


    Und dies kann erst der Anfang sein. Brandis sagt für den Fall einer Ausweitung des Streiks voraus, dass noch mehr Patienten wieder nach Hause geschickt werden müssen. Im Deutschlandfunk sprach er von einer "Katastrophe". Die Vorstellung eines längeren Streiks sei "nicht angenehm", formuliert es Markus Lesch zurückhaltend.


    "Verhandlungen zu Lasten Dritter"


    Die Universitätskliniken wünschen sich deshalb eine rasche Einigung zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder und dem Marburger Bund. "Wir können mit dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen nicht zufrieden sein", stellt Andreas Tecklenburg und kritisiert die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL). Die Universitätskliniken befürchten, auch nach einer Einigung nicht mehr Geld von Krankenkassen und Landesregierungen zu bekommen und deshalb die Mehrkosten selbst erwirtschaften zu müssen - durch Sparmaßnahmen oder Umschichtungen.


    Tecklenburg wirft den Ländern deshalb vor: "Die TdL verhandelt zu Lasten Dritter", und er fügt hinzu: "Uns wird nach dem Streik niemand helfen." Der Verband der Universtätsklinika verlangt deshalb, dass die Kliniken direkt und einzeln mit dem Marburger Bund verhandeln können.


    Wissenschaftsstandort in Gefahr


    Für die Forderung der Ärzte nach einer leistungsgerechten Bezahlung hat man in Köln und Hannover Verständnis. Eine "Spitzenversorgung können wir nur dann bieten, wenn wir vernünftige Gehälter bieten, und das ist nicht in allen Bereichen gegeben", sagt Markus Lesch von der Kölner Universitätsklinik. Andreas Tecklenburg betont, die "Unterfinanzierung der Forschung" müsse beendet werden, denn die Gesellschaft brauche einen hohen medizinischen Standard. Mit den derzeitgen Bedingungen werde der Wissenschaftsstandort Deutschland "systematisch kaputt gemacht".


    Doch die Unikliniken verlangen von den Ärzten auch mehr Flexibilität. Eine Arbeitszeitregelung von 38,5 Stunden sei zu starr, meint Markus Lesch. Man brauche ein beweglicheres Modell, damit die teuren Maschinen und Apparate der Kliniken länger eingesetzt werden können.


    Quelle: [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5505808_NAV_REF1,00.html]http://www.tagesschau.de[/URL]


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    [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5507838_REF1_NAV_BAB,00.html]Marburger Bund verlangt mindestens sieben Prozent[/URL]
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