Fall Schumacher: Nichts als die Wahrheit!

  • 29. Mai 2006 - 15:57 Uhr

    Der spanische Rennkommissar Joaquín Verdegay hat enthüllt, welche wichtigen Daten ihm und seinen beiden FIA-Kollegen am Samstag vorlagen


    (F1Total.com) - Fast acht Stunden lang war das Resultat des Qualifyings am Samstag in Monaco nur provisorischer Natur, weil nach Michael Schumachers verdächtig aussehender Parkaktion in der Rascasse-Kurve die Rennleitung den Zwischenfall erst einmal im Detail analysieren musste. Schlussendlich wurde der Ferrari-Pilot mit einer Rückversetzung auf den letzten Startplatz belegt.


    Das Fahrerlager reagierte praktisch geschlossen erzürnt auf den Vorfall, während die deutschen Formel-1-Fans ihrem Superstar mit einer überwältigenden Mehrheit das Vertrauen aussprachen. Die 'F1Total.com'-Redaktion wird seit Samstag mit Leserbriefen regelrecht bombardiert, viele Internetforen und Chatrooms sind virtuelle Schauplätze hitziger Diskussionen und auch in Fachkreisen ist Schumacher weiterhin in aller Munde.

    Experten sind sich sicher: Es war Absicht!


    Die Frage, die sich alle stellen: Hat der siebenfache Weltmeister absichtlich gehandelt oder nicht? Vom TV-Sender 'Premiere' und den ehemaligen Grand-Prix-Piloten Marc Surer und Alexander Wurz wurden am Sonntag vor dem Rennen Bilder und Informationen vorgelegt, die Schumacher zumindest nicht allzu gut aussehen lassen, während der Betroffene selbst auch nach seinem fünften Platz keine Reue zeigte und auf nicht schuldig plädierte.


    Die drei Personen, die den Fall neben Schumacher am besten beurteilen können, sind die von der FIA nominierten Rennkommissäre, die die Rennleitung bilden. Dabei handelt es sich um ein Gremium, welches erst seit diesem Jahr permanent von Chefkommissar und Ex-Rennfahrer Tony Scott-Andrews geleitet wird. Ihm zur Seite stand am vergangenen Wochenende unter anderem Joaquín Verdegay, der die Gründe für die Strafversetzung nun offen gelegt hat.


    "Ich bin sehr stolz, denn wir haben uns richtig entschieden", erklärte der Spanier gegenüber der 'Marca'. "Wir haben überlegt, ob wir ihn um zehn Plätze nach hinten versetzen oder ob wir all seine Zeiten streichen sollen, weil es nicht einfach war, ein absichtliches Handeln hundertprozentig nachzuweisen. Wir fragten uns aber, warum er bei 16 km/h noch einmal gegenlenken musste, und wir fragten uns, warum er um 50 Prozent härter bremste als sonst."

    Schumachers Lenkbewegungen nicht erklärbar


    Verdegay sprach damit die zweite Lenkbewegung des Deutschen an, die letztendlich den Ausschlag dafür gab, dass der Lenkeinschlag des Ferrari 248 F1 nicht mehr ausreichte, um ohne Schaden durch die Rascasse-Kurve fahren zu können. Dies wäre aber trotzdem noch möglich gewesen, wenn Schumacher die Passage nicht von vornherein viel weiter innen angefahren wäre als in seinen schnellen Runden zuvor, wie auch 'Premiere' nachweisen konnte.


    Freilich hätten diese Argumente alleine noch nicht für eine Verurteilung gereicht, doch die Rennkommissäre stießen sich vielmehr daran, was nach dem Fahrfehler Schumachers passierte: dass sein Auto gerade noch rechtzeitig abgebremst wurde, um einen Schaden zu verhindern, und dass plötzlich auch noch der Motor abstarb. Wäre der Motor noch gelaufen, hätten Streckenposten die heikle Situation binnen weniger Sekunden bereinigen können.

    Wie gut kennt Schumacher den Ferrari 248 F1?


    Ein Argument war, dass er den Rückwärtsgang eingelegt und dabei den Motor abgewürgt haben könnte, was die Rennkommissäre nicht glaubten, weil sein Ferrari einen Ruck nach vorne machte, als er abstarb. Es muss also der erste Gang eingelegt gewesen sein. Schumacher selbst berief sich auf ein System, welches den Motor automatisch nach zehn Sekunden abstellt, doch man darf sich fragen, warum er dieses nicht per Knopf im Cockpit deaktivierte - eigentlich reine Routine.


    Natürlich gibt es an der Aussage von Ferrari-Teamchef Jean Todt, wonach niemand in den Kopf eines Fahrers hineinschauen kann, nichts zu rütteln, doch man darf davon ausgehen, dass sich die Rennleitung ihre Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Fast acht Stunden lang wurde intensiv beraten, wurden Daten studiert und Schumacher gleich zweimal vernommen. Auch wenn es also keine Absicht gewesen sein sollte: Ein bitterer Beigeschmack bleibt auf jeden Fall...