Horner: "Wollen die besten verfügbaren Fahrer"

  • 16. Juni 2006 - 11:55 Uhr

    Red-Bull-Racing-Teamchef Christian Horner im 'F1Total.com'-Interview über Fahrer und Motoren für 2007, die Fortschritte des Rennstalls und vieles mehr


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    (F1Total.com) - Mit seinen 32 Jahren ist Christian Horner nicht nur der jüngste Teamchef der Formel 1, sondern sogar um drei Jahre jünger als sein Fahrer David Coulthard, doch was er seit Anfang 2005 mit Red Bull Racing erreicht hat, kann sich sehen lassen: erst die gelungene Premierensaison, dann die Verstärkung des Ingenieursstabs mit Hochkarätern wie Adrian Newey oder Peter Prodromou und vermutlich schon bald die Verpflichtung eines fahrerischen Superstars oder zumindest Supertalents.


    Auf dem Transfermarkt spielt Horners Team im Moment eine entscheidende Rolle, denn während der Ferrari-Vertrag zur Scuderia Toro Rosso abgeschoben werden soll, ist noch unklar, mit welchen Triebwerken Red Bull Racing 2007 an den Start gehen wird - Cosworth und Renault stehen zur Auswahl, wobei man die französischen V8-Motoren vermutlich gleich im Doppelpack mit Youngster Heikki Kovalainen bekommen würde.


    Horner schon seit mehr als 500 Tagen bei Red Bull


    Offen ist auch noch, welcher der beiden derzeitigen Fahrer sich vom Rennstall aus Milton Keynes verabschieden muss, obwohl momentan vieles darauf hindeutet, dass David Coulthards Vertrag eher verlängert wird als der von Christian Klien. Letzterer genießt intern keinen allzu großen Rückhalt mehr und steht daher auf der Abschussliste ganz oben. Im folgenden Interview mit 'F1Total.com' brachte Horner zu diesen brisanten Themen jedoch naturgemäß wenig Licht ins Dunkel...


    Frage: "Christian, ich habe eben ausgerechnet, dass du heute seit genau 517 Tagen bei Red Bull Racing angestellt bist. Fühlt es sich länger oder kürzer an?"
    Christian Horner: "Die Zeit ist sehr schnell vergangen. Es kommt mir zwar so vor, als wäre ich schon sehr lange hier, aber die Zeit ist sehr schnell vergangen."


    Frage: "Wie stark bist du eigentlich noch in deine Arden-Operation involviert? Deine Aufgabe bei Red Bull Racing ist ja ein Fulltimejob."
    Horner: "Nur noch sehr begrenzt. Das Team bei Arden besteht aus sehr guten Leuten. Sie beweisen, dass sie ohne mich Rennen gewinnen können. Das Team arbeitet schon seit langer Zeit zusammen, aber mein Engagement ist extrem begrenzt. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt Red Bull Racing."


    Frage: "Du bist bei Arden also nur noch Anteilseigner, richtig?"
    Horner: "Im Grunde genommen ja."


    Frage: "Reden wir über die Formel 1. Wie wichtig war David Coulthards Podium in Monaco für die Motivation des Teams?"
    Horner: "Es war sehr wichtig für das Team. Es war für das Team und für David ein großartiges Resultat. Wir hatten einen schwierigen Winter mit vielen Änderungen. Jetzt beginnen wir, uns davon zu erholen. Das Podium war genau das, was alle gebraucht haben, denn man muss auch manchmal sehen, wofür man so hart arbeitet. Wir befinden uns gerade in einem weiteren Aufbaujahr. Wenn man bedenkt, dass wir bis heute erst bei 26 Rennen dabei waren, dann ist das, was wir bisher erreicht haben, recht gut. Wir haben auch einige sehr positive Dinge für nächstes Jahr in der Pipeline."


    Frage: "Ich nehme an, dass du nach Monaco mit deinen Wetten und Versprechungen vorsichtiger geworden bist, auch wenn ihr bei den übrigen Rennen ohnehin keinen Swimmingpool mehr im Motorhome habt..."
    Horner: "Man soll nicht leichtfertig Kommentare von sich geben, die sich irgendwann einmal rächen könnten!"

    Monaco war "ausgleichende Gerechtigkeit" für 2005


    Frage: "Das Podium in Monaco kam aber zu einem unerwarteten Zeitpunkt, nicht wahr?"
    Horner: "Ja, es kam unerwartet. Wir wussten schon, dass David dort stark sein würde, und wir hofften auch auf gute Punkte. Die wären schon vergangenes Jahr überfällig gewesen, als er mit viel Benzin an Bord vor Michael Schumacher fuhr. Das war halt ausgleichende Gerechtigkeit. Natürlich hatten wir am Sonntag ein bisschen Glück, aber dafür hatten wir am Samstag im Qualifying Pech, als David von Fisichella aufgehalten wurde. Es war ein großartiges Resultat für das Team, aber wie gesagt war es auch für David toll, in Monaco das erste Podium des Teams zu holen."


    Frage: "Mit Ferrari-Motoren und einem Designer wie Adrian Newey bildet sich von außen unweigerlich Druck auf, und mit außen meine ich hauptsächlich die Medien. Aber wie ist es teamintern? Hast du das Gefühl, dass Dietrich Mateschitz für dieses Business geduldig genug ist?"
    Horner: "Herr Mateschitz hat stark in das Team investiert, ist schon seit langer Zeit in der Formel 1. Er weiß, was notwendig ist, wenn man erfolgreich sein will. Wir haben jetzt eine fantastische Technikabteilung, in der die Leute sehr gut miteinander harmonieren. Während der Saison konzentriert sich Adrian hauptsächlich auf das nächstjährige Auto, nur sehr wenig um das aktuelle. Er konzentriert sich voll auf den RB3, von dem wir uns eine Menge erhoffen."


    Frage: "In Silverstone hattet ihr die ersten aerodynamischen Teile von Adrian Newey am Auto, nicht wahr?"
    Horner: "Nein, nicht speziell in Silverstone. Adrian ist in die Entwicklung des aktuellen Autos schon involviert, aber das Auto basiert auf einer anderen Philosophie."


    Frage: "Wird es in der Technikabteilung weitere Änderungen geben oder ist das jetzt die Struktur für die kommenden Jahre?"
    Horner: "Unsere Struktur steht jetzt - mit Adrian, mit Mark Smith, unserem Chefdesigner, mit Peter Prodromou, der zu uns stoßen wird. Wir haben die starke technische Gruppe, die wir uns gewünscht haben, beisammen. Jetzt muss sie ihr Potenzial umsetzen."


    Frage: "Wie du schon angesprochen hast, arbeitet Adrian Newey vor allem am neuen Auto. Wie geht es denn damit voran, denn jetzt befinden wir uns ja bereits in der entscheidenden Entwicklungsphase für 2007?"
    Horner: "Adrian hat schon vor langer Zeit mit der Entwicklung des nächstjährigen Autos begonnen. Er arbeitet hart daran. Dank der beiden Windkanäle - der in Bedford ist jetzt ja auch in Betrieb - machen wir gute Fortschritte. Ich freue mich schon auf das erste Red-Bull-Auto von Adrian Newey."

    Ferrari nicht fest an Red Bull Racing gebunden


    Frage: "Weißt du schon, welchen Motor ihr nächstes Jahr verwenden werdet? Ferrari?"
    Horner: "Beide Teams haben Verträge mit unterschiedlichen Motorenherstellern. Das ist unsere Position."


    Frage: "Und nach 2007?"
    Horner: "Da ist alles offen, gibt es noch keine Entscheidung."


    Frage: "Es gibt Gerüchte, dass Volkswagen mit Red Bull in die Formel 1 einsteigen könnte, denn die beiden Unternehmen arbeiten in anderen Bereichen zusammen. Gibt es da Neuigkeiten?"
    Horner: "Nein, keine Neuigkeiten. Das sind lediglich Spekulationen über etwas, das vielleicht noch sehr weit weg ist. Unser Hauptaugenmerk liegt auf 2007 und 2008. Die Formel 1 bekommt jetzt ja von der Entwicklung eingefrorene Motoren, daher wird sich motorenseitig viel Interessantes abspielen."


    Frage: "Euer Motorenvertrag mit Ferrari wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren abgeschlossen, nicht wahr?"
    Horner: "Ja. Der Vertrag, den wir ursprünglich unterschrieben haben, war ein Zweijahresvertrag."


    Frage: "Wie zufrieden seid ihr mit Ferrari? Die Vergangenheit zeigt, dass ihren Kundenteams nie der absolute Durchbruch gelingt - siehe Sauber, siehe Prost -, also muss es ein langfristiges Ziel sein, mit einem Automobilhersteller zusammenzuarbeiten, nicht wahr?"
    Horner: "Ferrari hat eine gewaltige Geschichte im Motorsport. Nach einem schwierigen Saisonbeginn haben sie sich inzwischen sehr gut erholt. Der Motor gewinnt in ihrem Auto Rennen, also müssen wir uns in anderen Bereichen verbessern. Das ist uns bewusst."


    Frage: "Bekommt ihr immer die gleiche Motorenspezifikation wie das Werksteam?"
    Horner: "Wir bekommen im Wesentlichen den gleichen Motor wie Ferrari. Natürlich gibt es mit den Regeländerungen für dieses Jahr im V8-Bereich einen harten Wettbewerb, aber ich denke, dass Ferrari diese Herausforderung recht gut gemeistert hat."


    Frage: "Christian Klien und Adrian Newey sagen, dass es am Saisonbeginn technische Interferenzen mit der Scuderia Toro Rosso gegeben hat. Inwieweit war das für Red Bull Racing eine Ablenkung?"
    Horner: "Es war überhaupt keine Ablenkung, sondern ist als separates Team aufgebaut. Es ist ein Schwesternteam, daher kommunizieren wir mit ihnen klarerweise mehr als mit anderen Teams, aber sie haben eine eigene Managementstruktur und die Teilhaberschaft ist auch eine andere. Das funktioniert sehr gut und lenkt uns nicht von dem ab, was wir in der Formel 1 machen."

    Wie eng arbeiten die Red-Bull-Teams zusammen?


    Frage: "Wie eng ist die Zusammenarbeit an der Rennstrecke? Tauscht ihr zum Beispiel Reifendaten, Wissen über das Setup und so weiter aus?"
    Horner: "Sie fahren ein anderes Auto als wir, fahren oft andere Reifentypen als wir. Sie sind ein Mitbewerber. Wir haben das gleiche Mutterunternehmen, aber am Sonntagnachmittag treten wir gegeneinander an."


    Frage: "Aber es gibt doch Kommunikation an den Rennwochenenden, nicht wahr?"
    Horner: "Nicht wirklich. Beide Teams haben ihre eigenen Ingenieursteams und ihre eigenen Strukturen, ihre eigenen Autos mit unterschiedlichen Motoren und unterschiedlicher Elektronik. Wir teilen uns das Motorhome, daher gibt es unausweichlich gewisse Gespräche, aber das ist eher gesellschaftlicher Natur. Es gibt kein technisches Arrangement zwischen den beiden Teams."


    Frage: "Du würdest also nicht sagen, dass es für die Scuderia Toro Rosso oder für Red Bull Racing an den Rennwochenenden einen Vorteil aus dieser Konstellation gibt?"
    Horner: "Wir haben wie gesagt das gleiche Mutterunternehmen. Wenn es eine Information gibt, die geteilt werden muss, dann teilen wir sie auch. Unterm Strich sind sie aber einer von zehn Mitbewerbern, die wir schlagen müssen. Wir fahren im gleichen Stall, aber am Sonntag wollen sie uns schlagen - und wir sie umgekehrt auch."


    Frage: "Man hat momentan den Eindruck, dass entweder Christian Klien oder David Coulthard das Team am Jahresende verlassen muss. Besteht auch die Möglichkeit, dass an beiden festgehalten wird?"
    Horner: "Wir denken noch nicht einmal an die Fahrer - zumindest noch nicht im nächsten Monat. Unser Fokus liegt auf dem Verbessern des Autos, worauf die Fahrer gut reagiert haben. Wir sind in keiner Eile, was die Fahrerentscheidung oder die Spekulationen angeht."


    Frage: "Gibt es in der Fahrerfrage eine Deadline?"
    Horner: "Nicht wirklich. Vor dem ersten Rennen im nächsten Jahr, schätze ich! Wir sind in einer vernünftigen Position, denn es gibt viele Fahrer, die gerne in einem Auto von Adrian Newey sitzen würden. Die Leute sehen das Potenzial des Teams. Wir haben keine Eile, was die Fahrerentscheidung für nächstes Jahr angeht, und David und Christian wissen das."

    Fahrerentscheidung soll bis Ende Juli fallen


    Frage: "Eine hypothetische Frage: Sollte Christian Klien Red Bull Racing verlassen müssen, könnte er dann bei der Scuderia Toro Rosso landen? Das würde ja Sinn machen, weil er inzwischen schon recht viel Erfahrung hat, die für ein so junges Team wertvoll sein könnte."
    Horner: "Das ist eine schwierige Frage, denn wir haben uns darüber noch nie Gedanken gemacht. Wir denken momentan noch nicht an die Fahrer. Das wird wohl noch mindestens einen Monat dauern, bis Ende Juli."


    Frage: "Wie viel Druck gibt es vom österreichischen Red-Bull-Flügel, Fahrer aus dem eigenen Nachwuchsprogramm unter Vertrag zu nehmen?"
    Horner: "Red Bull hat ein sehr gutes Nachwuchsprogramm, aus dem sich einige gute Youngsters entwickeln. Christian, Tonio (Liuzzi; Anm. d. Red.) und Scott Speed sind zum Beispiel Produkte dieses Programms. Michael Ammermüller macht einen sehr guten Job und in etwas tieferen Klassen gibt es weitere gute Fahrer wie Sebastian Vettel und so weiter. Es gibt also einige sehr gute Youngsters, aber wir müssen erst abwarten, wie sie sich weiterhin entwickeln."


    Frage: "Sind für Michael Ammermüller und Sebastian Vettel Formel-1-Tests geplant - vielleicht im Winter?"
    Horner: "Es ist noch zu früh, um dazu etwas zu sagen. Michael Ammermüller ist mit der GP2-Saison beschäftigt, aber wenn sich am Saisonende eine Möglichkeit anbietet, dann könnten wir diese in Betracht ziehen."


    Frage: "Wie groß war David Coulthards Einfluss bei der Verpflichtung von Adrian Newey? Die beiden kennen sich ja schon aus gemeinsamen McLaren- und Williams-Zeiten."
    Horner: "Adrian hat David nach seiner Meinung gefragt. Adrian und ich hatten viele Gespräche. Wir hatten im vergangenen Mai erstmals Kontakt. Adrian und David kennen sich seit vielen Jahren - und als Freund wollte er Davids Meinung von Red Bull hören. David hat ihm eine ehrliche Antwort gegeben. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Adrian. Das funktioniert sehr gut."


    Frage: "Abgesehen von all den Fahrerspekulationen: Würde es nicht Sinn machen, die beiden weiterhin zusammenarbeiten zu lassen, weil sie sich so gut kennen?"
    Horner: "Wenn David seine Leistungen bringt, dann ja, absolut. Aber nur weil sie sich seit langer Zeit kennen, garantiert ihm das noch lange kein Cockpit für nächstes Jahr. Wir wollen für nächstes Jahr die besten verfügbaren Fahrer. David macht im Moment einen guten Job für uns. Im nächsten Monat werden wir uns überlegen, wie es weitergehen soll."

    Mittelfeld ist so umkämpft wie noch nie


    Frage: "Glaubst du, dass ihr für den Rest der Saison schneller entwickeln könnt als die Werksteams? Die Werksteams haben ja mehr Ressourcen als ihr, zumindest finanziell."
    Horner: "Es ist schwierig. Der Kampf im Mittelfeld ist sehr hart. Wir kämpfen mit Williams, Toyota, BMW. Wir müssen noch einiges aufholen, aber es ist wie gesagt ein sehr umkämpftes Mittelfeld. Wir geben aber alles. Hoffentlich können wir uns weiter steigern."


    Frage: "2007 wird das dritte Jahr des Teams in der Formel 1 sein - mit einem Adrian-Newey-Auto, wie du schon gesagt hast. Was ist euer realistisches Ziel für nächstes Jahr?"
    Horner: "Wir wollen halbwegs regelmäßig auf das Podium und in der Konstrukteurswertung unter die Top 5. Das wäre ein realistischer erster Schritt."


    Frage: "Ist es der Fall, dass schon alles für 2007 in die Waagschale geworfen wird und dass ihr nicht mehr alle Ressourcen in die Weiterentwicklung des aktuellen Autos steckt?"
    Horner: "Nein. Es sind schon viele Ressourcen in Richtung 2007 orientiert, aber wir entwickeln auch das aktuelle Auto weiter. Je länger die Saison dauert, desto mehr verlagert sich unser Fokus auf das 2007er-Auto. Dadurch, dass Adrian so früh bei uns angefangen hat, konnte er mit seinem 2007er-Programm verhältnismäßig früh beginnen."


    Frage: "Etwas Persönliches noch: Wie lange stehst du bei Red Bull unter Vertrag und wie lange siehst du dich noch dort? Im Grunde genommen bist du ja nur ein Angestellter."
    Horner: "Das ist eine offene Frage. Ich bin mit meiner Rolle bei Red Bull sehr glücklich und mache den Job sehr gerne. Ich denke, dass ich weiterhin hier sein werde. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Adrian. Wir haben sehr hart daran gearbeitet, dieses sehr gute Team aufzubauen, also sehe ich keinen Grund für eine Veränderung."


    Frage: "Besteht noch die Möglichkeit, dass du mit Arden irgendwann einmal dein eigenes Formel-1-Team aufbaust, so wie es David Richards vorhat?"
    Horner: "Die involvierten Kosten für den Aufbau eines Formel-1-Teams sind so hoch, dass es für jedes unabhängige Team extrem schwierig wäre, außer man ist ein unabhängiges Team, das einem internationalen Unternehmen wie Red Bull gehört. Ich denke, dass die neuen Regeln helfen werden, aber die neuen Teams stehen ja bereits fest. Ich bin sehr glücklich hier und möchte die Früchte der Arbeit und der Neuerwerbungen hier bei Red Bull ernten."


    Frage: "Die Idee ist also momentan vom Tisch?"
    Horner: "Ja. Es macht keinen Sinn."

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