Montréal auch technisch sehr herausfordernd

  • "Für die Uno beginnt eine neue Ära"


    Der neu eingerichtete UN-Menschenrechtsrat ist in Genf zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte in seiner Eröffnungsrede, mit dem Rat habe "für die Vereinten Nationen auf dem Feld der Menschenrechte eine neue Ära begonnen". Er appellierte zugleich an die Mitgliedsstaaten des Gremiums, sich nicht in politische Händel verwickeln zu lassen und sich klar von der umstrittenen Vorgängerkommission abzusetzen. Alles soll besser werden - darüber sind sich die Ratsmitglieder einig. Über Inhalte und Umsetzung ihrer Arbeit streiten sie aber noch.


    Von Joachim Schubert-Ankenbauer, ARD-Hörfunk Genf


    Die Erwartungen an den neuen Menschenrechtsrat sind hoch: Schließlich soll er es besser machen als die Menschenrechtskommission, in der viele Mitglieder selbst die Menschenrechte verletzten, sich gegenseitig vor Verurteilungen schützten oder doppelte Maßstäbe anlegten. "Die Menschenrechte sind jetzt aufgewertet als eine der drei Säulen der Uno", sagt Mariette Grange, Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Das zeigt sich auch daran, dass er jetzt direkt der UN-Vollversammlung untergeordnet ist." Grange meint, der Rat sollte deshalb fähg sein, die Menschenrechtsarbeit der ganzen Uno zu steuern. "Deshalb haben wir hohe Erwartungen in das, was der Rat erreichen könnte."

    Leeres Gefäß


    Aber: Die UN-Vollversammlung hat mit dem Rat ein leeres Gefäß geschaffen, weil sie sich in vielen Fragen nicht einig war. Die äußere Form des Gefäßes ist klar: Die 47 Mitgliedsstaaten mussten von der Vollversammlung mit absoluter Mehrheit gewählt werden. Der Rat kommt mehrmals jährlich zusammen, er hat das Mandat, auf aktuelle Situationen zu reagieren. Und er überprüft regelmäßig alle Länder der Welt - gleich ob sie notorische Menschenrechtsverletzer oder gestandene Demokratien sind.


    Der Inhalt des Gefäßes aber ist noch offen: Wie nämlich soll der Rat konkret arbeiten, um die Menschenrechte zu schützen und zu fördern? Das soll der Rat im Lauf eines Jahres selbst festlegen - indem er neue Instrumente schafft und bestehende überprüft.


    Streit über Grundsätzliches


    Keine einfache Sache. Deutlich wird dies zum Beispiel am sogenannten "Peer Review", der Überprüfung aller Länder. Dieser Mechanismus gilt als große Errungenschaft gegenüber der früheren Kommission, die einzelne Länder anprangerte und andere verschonte. "Jeder wird überprüft", sagt UN-Hochkommissarin Louise Arbour. "Das muss fair sein und transparent, die Länder müssen sich äußern und erklären können - auch die Zivilgesellschaft, die Medien, nationale Institutionen. Sie alle müssen sich bei der Überprüfung beteiligen können. Diese universale Überprüfung ist der einzige wirklich neue Ansatz in diesem zwischenstaatlichen System."


    Im Rat selbst aber gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen, wie die Überprüfung aussehen soll. Einige Länder wollen, dass nur ihr offizieller Bericht als Grundlage dient - was natürlich eine Farce wäre. Andere fordern, dass unabhängige Experten die Länder untersuchen und dann an de Rat berichten sollen - wozu einige Regierungen natürlich nie bereit wären.


    Schon die unabhängigen Sonderberichterstatter der Kommission waren heftig umstritten. Sie sind erst einmal in den Rat übernommen worden, stehen aber auf dem Prüfstand. Einige Länder wollen sie abschaffen, andere ausbauen.


    Von der Art und Weise aber, wie die Instrumente geschaffen sind, hängt es ab, wie stark oder wie schwach der Rat am Ende ist. Auch in ihm sitzen Länder, die die Menschenrechte verletzen - wie Kuba, China, Pakistan oder Tunesien, die kein Interesse an einem starken Rat haben. "Es ist die selbe Welt wie vorher", sagt Mariette Grange von Human Rights Watch. "Wir müssen mit den Realitäten arbeiten. Es wird immer schwierig sind. Aber wir sind sehr privilegiert, dass wir die Uno haben - auch mit ihren Fehlern."


    So wird dies auch in den westlichen Ländern gesehen, die in diesem Rat klar in der Minderheit sind. Hier wird man sehr viel mehr auf Zusammenarbeit setzen als auf die Anklage anderer Länder, weil sonst wieder das gleiche Klima entstehen könnte, wie in der alten Kommission. Hohe Erwartungen werden dabei auch auf Deutschland gesetzt, das mit der größten Stimmzahl aller westlichen Länder in den Rat gewählt wurde. Die USA sind im Rat nicht vertreten - sie hatten sich nicht einmal zur Wahl gestellt.



    Stand: 19.06.2006 10:49 Uhr
    Quelle: [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5635864_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html]http://www.tagesschau.de[/URL]