Vasselon: "Der schlimmste Kurs für die Bremsen"

  • 19. Juni 2006 - 22:54 Uhr

    Pascal Vasselon, Toyotas Chef der Chassisabteilung, über die Besonderheiten des Rennens auf Montréals Île Notre-Dame


    (F1Total.com) - Frage: "Was sticht bezüglich Montréal hervor?"
    Pascal Vasselon: "Für mich die Atmosphäre, es ist die zweitbeste nach Monaco. Es ist wirklich schön, dorthin zugehen. Wir werden von den Leuten in Montréal herzlich empfangen. Beim Rennen herrscht eine gute Stimmung."


    Frage: "Hat der 'Circuit Gilles Villeneuve' einige spezielle Charakteristiken?"
    Vasselon: "Er ist nicht wie typische Rennkurse. Er hat lange Geraden und langsame Kurven. Wenn das Auto schnell fährt, dann auf den Geraden, den Rest der Zeit ist es eher langsam unterwegs. Der Herausforderung ist es daher, eine gute Bremsstabilität bei hohen Geschwindigkeiten zu erreichen, ohne bei langsamen Geschwindigkeiten ein Untersteuern zu bekommen."


    Frage: "Es wird immer wieder gesagt, dass die Bremsen besonders gefordert werden. Aber wie groß ist deren Belastung wirklich?"
    Vasselon: "Der Unterschied zwischen den schnellen Bereichen und den langsamen Kurvengeschwindigkeiten bedeutet, dass die Bremsen eine schwierige Zeit haben. Für die Bremsen ist es einfach der schlimmste Kurs der Saison. Daher widmen wir besondere Aufmerksamkeit auf die Kühlung der Bremsen."

    Den Bremsen gilt fast die ganze Aufmerksamkeit


    Frage: "Testet man dabei auch verschiedene Materialien für die Bremsklötze?"
    Vasselon: "Ich würde sagen, dass der wichtigste Parameter die Bremsenkühlung ist und dass wir sicherstellen müssen, dass diese genau im Arbeitsfenster liegt, denn wir kennen dieses Fenster, in dem die Bremsscheiben arbeiten, sehr genau. Danach geht es nur um die Schätzung des Bremsenverschleißes. Wir werden einen Teil der geplanten Runden dafür nutzen, sicherzustellen, dass wir den Verschleiß unter Kontrolle haben, dann können wir es für das Rennen vorhersagen."


    Frage: "Jarno Trulli hatte im Vorjahr Bremsprobleme. Was war da passiert?"
    Vasselon: "Unsere Kühlung war grenzwertig und nach einigen Runden verloren wir die Telemetrieverbindung, um den Verschleiß und die Temperatur zu beobachten. Wir hatten die Grenze erreicht, konnten den kritischen Punkt aber nicht erkennen, da wir keine Datenverbindung hatten, so ab Runde 37, wenn ich mich recht erinnere. Wenn wir das Problem hätten erkennen können, dann hätten wir Jarno sagen können, dass er den Bremsdruck etwas besser kontrollieren soll oder die Bremsbalance verstellt."


    Frage: "Wie sehr muss ein Fahrer zurückstecken, um die Bremse ausreichend zu schonen?"
    Vasselon: "Das ist interessant. Der Verschleiß geht mit der Temperatur der Oberfläche der Bremsscheibe oftmals nicht sehr linear einher. Damit kann man mit etwas weniger Bremsdruck, der die Leistung und die Rundenzeit nur wenig beeinflusst, einen großen Unterschied erreichen. Es gibt genug Raum, um es zu kontrollieren."


    Frage: "Spielt auch das Wetter dabei eine Rolle?"
    Vasselon: "Nein. In der Formel 1 arbeiten die Bremsen bei Temperaturen von teilweise bis zu 800 Grad Celsius. Ein Unterschied von fünf Grad bei der Umgebungstemperatur nach oben oder unten macht da nichts aus."

    Die ersten Rennrunden sind am kritischsten


    Frage: "Wie sieht es aus, wenn man einem anderen Fahrzeug folgt?"
    Vasselon: "Das kann Probleme verursachen. Für die Temperatur und den Verschleiß ist die erste Runde des Rennens im Verkehr der schlimmste Moment. Es kann passieren, dass zu diesem Zeitpunkt der Verschleiß einsetzt und immer weitergeht. Das kann gegen Ende des Rennens Probleme verursachen. In den ersten Runden findet meist der größte Verschleiß statt."


    Frage: "Aerodynamisch gesehen fährt man in Montréal mit wenig Abtrieb, nicht wahr?"
    Vasselon: "Mit Sicherheit. Montréal ist einer der Orte, auf der wir die maximale Effizienz suchen, nur geschlagen von Monza, würde ich sagen. Wir müssen das Auto für das Bremsen bei hohen Geschwindigkeiten stabil genug machen, ohne bei langsamen Geschwindigkeiten ein Untersteuern zu riskieren."


    Frage: "Ist die Traktionskontrolle bei dieser Vielzahl von langsamen Kurven besonders wichtig?"
    Vasselon: "Ja, die Traktion ist in Montréal wichtig, hier spielt auch die Reifenwahl eine Rolle. Wir tendieren meist zu den weicheren Reifen, um die Traktion zu unterstützen."


    Frage: "Kann man generell weichere Reifen wählen, da es kaum schnelle Kurven gibt?"
    Vasselon: "Wir können weichere Reifen fahren, denn die größte Belastung für die Reifen kommt von schnellen Kurven, die gibt es in Kanada aber nicht. Wenn es regnet, was zuweilen passieren kann, ist der Grip auf der Strecke sehr gering. Das liegt auch in der Glattheit der Streckenoberfläche begründet, wir müssen da mit der Wahl der Reifenmischung sehr sorgsam sein, um sicherzustellen, dass sich der Regenreifen gut auf Temperatur bringen lässt."

    Keine Zeit für Montréal


    Frage: "Gibt es auf der Strecke viele Überholmöglichkeiten?"
    Vasselon: "Es ist wie immer nicht einfach, aber möglich vor der letzten Schikane vor der Start-Ziel-Linie zu überholen. Dort sehen wir fast alle Überholmanöver, manchmal aber auch in der Haarnadel."


    Frage: "Was erwartest du dir vom TF106B in Montréal?"
    Vasselon: "Wir freuen uns darauf, denn wir haben mechanische und aerodynamische Weiterentwicklungen für Kanada am Auto. Wir wollen wissen, wie gut diese funktionieren."


    Frage: "Was möchtest du dir persönlich in Montréal ansehen?"
    Vasselon: "Das mag jetzt etwas traurig klingen, aber wir haben so wenig Zeit, dass es einfach nur um die Atmosphäre geht, wenn wir an die Strecke kommen und wieder zurück zum Hotel reisen. Für gewöhnlich kommen wir erst am Mittwoch in Kanada an, ab Donnerstag beginnt dann für uns die Arbeit an der Strecke. Jacques Villeneuve hat ein Restaurant, 'Newtown', in der Crescent Street. Vielleicht gehen wir am Samstagabend für eine Stunde hin - wenn wir Glück haben!"