Tuvalu droht der Untergang

  • Ein Atoll funkt SOS


    In der Fernsehbranche schmückt man sich gerne mit der Internet-Adresse ".tv". Das Kürzel steht für die Südsee-Inselgruppe Tuvalu. Der Winzling hat die Internet-Rechte verkauft und damit seinen UN-Beitritt bezahlt. Wie lange er Mitglied bleibt, ist aber fraglich. Denn Tuvalu wird voraussichtlich im Meer versinken.


    Von Ulli Weissbach, ARD-Studio Tokio


    Die Inselgruppe Tuvalu liegt auf halber Strecke zwischen Hawaii und Australien. Sie besteht aus neun Korallenatollen, alles in allem ist sie 26 Quadratkilometer klein - ein Viertel der Insel Sylt. Hier ist das Südseeleben besonders beschaulich, weiter weg vom Rest der Welt ist kaum ein anderer Staat. Touristen verirren sich nur selten her. Knapp zwölftausend Menschen leben in Tuvalu, die meisten auf der Hauptinsel Funafuti. Reichtümer gibt es hier keine, aber alle werden satt. Angehörige schicken Geld aus dem Ausland, die Insel selbst ist ein tropischer Garten, und das Meer ringsum unerschöpflich.


    Auf den acht Kilometern Inselstraße rollen Motorräder und ein paar Autos, unter anderem das Taxi von Iakopu Molotii. "Wenn du in einem großen Land lebst, dann musst du schwer arbeiten, weil das Leben teuer ist", erklärt Iakopu die Welt aus der Inselperspektive. "Wenn ich hier mal pleite bin, dann fange ich einfach ein paar Fische und lasse es gut sein."


    Das Paradies ist eng und flach


    Das klingt nach Paradies - wenn nicht der Platzmangel wäre. An einigen Stellen ist die Insel kaum breiter als die Straße. Und an der liegt herum, was die Tuvalesen gerne los würden, aber nicht so recht entsorgen können. Südsee, wie sie in keinem Prospekt abgebildet ist - bislang ist dies das größte Problem des kleinen Staates. Doch es könnte noch schlimmer kommen - denn die Insel ist dem Untergang geweiht. Am kleinen Hafen wird akribisch gemessen, wie das Meerwasser sich seit Jahren erwärmt und ansteigt. Bei einer Insel, deren höchster Gipfel drei Meter aus dem Wasser ragt, entscheidet sich Zukunft im Zentimeterbereich. "Wir übermitteln unsere Wasserstände im Stundentakt an das Auswertungszentrum der Universität Adelaide in Australien", sagt Tauala Katea, Tuvalus Klimaforscher. "Aus den langfristigem Messreihen kann man ablesen, dass der Meeressspiegel durchschnittlich fünf bis sechs Millimeter pro Jahr ansteigt."


    Ein Volk von künftigen Umweltflüchtlingen


    Irgendwann wird Tuvalus Glocke deshalb zum letzten Mal läuten. Unter dem Dach der anglikanischen Kirche singt eine Schicksalsgemeinschaft von künftigen Klima-Opfern. In 25 Jahren könnten ihre Inseln unbewohnbar, in fünfzig ganz verschwunden sein, haben die Menschen sich sagen lassen müssen - falls zwischenzeitliche Sturmfluten den Untergang nicht noch beschleunigen. Für die nachwachsende Generation versucht die Regierung schon mal, den Status von Umweltflüchtlingen durchzusetzen. Neuseeland vor allem will nach und nach einen Teil der Bevölkerung aufnehmen. Doch diese Perspektive ist eher bedrückend für die meisten Bewohner der Palmeninseln im grünblauen Ozean.


    "Gott hat uns doch nach Tuvalu gebracht, damit wir hier dauerhaft leben", sagt eine Insulanerin mit "Tuvalu"-Baseball-Kappe, und eine junge Mutter ergänzt: "Wir lieben diese kleine schöne Insel. Wir wollen hier bleiben." "Es wäre wirklich hart, für immer wegzugehen", sagt eine andere Frau, "wir alle würde unsere Wurzeln und unsere Traditionen verlieren." Taxifahrer Iakopu ist hin- und hergerissen. "Mein Herz sagt mir: Bleib in Tuvalu, für den Rest deines Lebens. Aber irgendwie denke ich immer, wir müssen hier weg. Ich weiß zwar noch nicht wann, aber es ist wohl unvermeidlich: Ich werde eines Tages packen, mit der Familie."


    Zum Insel-Untergang gibt es schon einen Song


    Dann zeigt Iakopu auf seinem Computer, wie "Land unter" herrscht auf Tuvalu. Da quillt das Meer überall durch den Inselboden nach oben, bei einer Springflut vor knapp einem Jahr. Er und seine Freunde haben zu den Bildern einen Song gemacht: "Tuvalu versinkt". Auch wenn der Rhythmus munter daherkommt - die Botschaft ist bedrückend. Das trinkbare Grundwasser ist dauerhaft versalzen, auch der Pflanzenbau leidet: Immer mehr Nahrung muss importiert werden. Der Premierminister von Tuvalu appelliert an die Weltgemeinschaft. "Ich bitte alle Länder", sagt Apisai Iememia, "den Abkommen zum Klimaschutz beizutreten. Bitte rettet unsere Zukunft, um der Menschlichkeit willen. Wir sind doch alle Gottes Geschöpfe, wir alle haben das Recht, auf unserem Flecken Erde zu leben. Und nicht vom Meer verschluckt zu werden."

    Den Beitrag können Sie am Sonntag, 21. Januar um 19.20 Uhr im Weltspiegel im Ersten sehen.


    Stand: 20.01.2007 17:17 Uhr
    Quelle: [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6322218_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html]http://www.tagesschau.de[/URL]