Dienstag, 13. Mai 2008
Immer wieder Nachbeben
20.000 Tote befürchtet
Nach dem schwersten Erdbeben in China seit 30 Jahren befürchten die Behörden bis zu 20.000 Todesopfer. 10.000 Tote wurden bereits offizielle bestätigt. Allerdings berichteten die staatlichen Medien, allein in Mianzhu seien noch weitere 10.000 Menschen unter den Trümmern verschüttet. Die chinesische Regierung teilte mit, sie nehme ausländische Hilfe im Katastrophengebiet an, immer wieder ist von leichteren Nachbeben die Rede.
Mianzhu liegt rund 100 Kilometer vom Epizentrum entfernt. 1.300 Rettungshelfer und Soldaten erreichten unterdessen das Zentrum des Bebens im Bezirk Wenchuan. Die Region war seit dem Erdstoß der Stärke 7,8 von der Außenwelt abgeschnitten.
Fast alle Opfer des Bebens wurden nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua in der zentralen Provinz Sichuan registriert. In drei Nachbarprovinzen sowie in der Mega-Stadt Chongqing am Jangtse seien etwa 300 weitere Menschen ums Leben gekommen. Ferner gebe es tausende Verletzte, und unzählige Menschen würden noch vermisst.
80 Prozent der Gebäude im Epizentrum zerstört
Allein beim Einsturz einer einzigen Schule kamen rund 1.000 Schüler und Lehrer ums Leben oder galten als vermisst. Das sechsstöckige Gebäude im Bezirk Beichuan sei in einen zwei Meter hohen Schutthaufen zusammengefallen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.
Es handelte sich nicht um dieselbe Schule, bei der 900 Schüler verschüttet wurden. Bei diesem Fall in Juyuan wurden mindestens 60 Kinder getötet, die anderen galten zunächst noch als vermisst. Die Schulen befanden sich im Bereich des Epizentrums in Wenchuan, knapp 100 Kilometer nordwestlich von Chengdu, der Hauptstadt von der Sichuan.
Xinhua zufolge wurden im Umkreis der Stadt Wenchuan bis zu 5.000 Menschen getötet und 10.000 verletzt. Etwa 80 Prozent aller Gebäude wurden zerstört. Die Regierung entsandte mehr als 16.000 Soldaten in die Region, zehntausende weitere waren auf dem Weg dorthin.
Weite Gebiete liegen im Dunkeln
Zahlreiche Kleinstädte in der Region wurden dem Erdboden gleichgemacht. In Shifang, wo das Beben einen Chemieunfall auslöste, kamen laut Xinhua rund 600 Menschen ums Leben. Ob die Chemikalien zum Tod der Betroffenen beitrugen, war zunächst unklar.
In der Zehn-Millionen-Stadt Chengdu wurden Strom- und Fernmeldemasten zerstört, so dass weite Gebiete im Dunkeln lagen. Wegen Erdrutschen waren viele Straßen unpassierbar, und die Rettungskräfte gelangten nur sehr mühsam ins Katastrophengebiet. Hinzu kamen anhaltende heftige Regenfälle, die die Aufräumarbeiten erschwerten. Ministerpräsident Wen Jiabao sagte bei einem Besuch vor Ort, die Lage sei noch viel schlimmer, als die Behörden zunächst vermutet hätten. Die Bevölkerung solle jedoch die Hoffnung nicht aufgeben, da schon bald Helfer bei ihnen eintreffen würden.
Häuser, die während des Bebens nicht einstürzten, waren häufig unbewohnbar. Hunderte Menschen verließen die Stadt Dujiangyan. Sie trugen Koffer oder Plastiktüten mit Lebensmitteln bei sich. "Meine Ehefrau ist bei dem Beben getötet worden", sagte der 70-jährige Zhou Chun. "Mein Haus wurde zerstört. Ich gehe nach Chengdu, aber ich weiß nicht, wo ich wohnen werde."
Herausforderung für kommunistische Regierung
Das Erdbeben stellt eine Herausforderung für die kommunistische Regierung dar. Sie stützt ihr Mandat darauf, dass sie die Ordnung aufrechterhält, für wirtschaftliches Wachstum sorgt und in Katastrophenfällen Hilfe leistet. Sie musste angesichts der bevorstehenden Olympischen Spiele, der Unruhen in Tibet und hoher Inflation rasch reagieren. Das Erdbeben war das folgenschwerste in China seit 1976. Damals wurden in der Stadt Tangshan in der Nähe von Peking 240.000 Menschen getötet.