Michel Fournier: Der Mann, der aus dem Himmel springt
Der Mensch als Komet – das Abenteuer des Franzosen Michel Fournier wäre nicht einmal Jules Verne eingefallen. Der 64-jährige ehemalige Offizier will den Sprung aus 40.000 Metern Höhe wagen. Und das alles ohne Raumschiff, nur in einem Spezialanzug. Der Sturz soll 15 Minuten dauern.
Wo das letzte Licht der Erde versickert, wo die endlose, lichtlose Schwärze des Weltalls beginnt – da will er los. Als erstes Lebewesen der Erde will der 64-jährige Pilot der französischen Armee, Michel Fournier, den Weg eines Kometen nehmen: durch die Stratosphäre bis hinab zur Erde. Das alles ohne Raumschiff, nur mit einem Spezialanzug und – für die letzten Kilometer – einem Fallschirm. Er wird die Schallmauer durchbrechen, und er muss sich davor hüten, das Schicksal der Sternschnuppen zu teilen. Wie Michel Fournier fallen auch diese vom Himmel – verglühen aber in der Erdatmosphäre.
Der 40 Kilometer lange Sturz dauert nur 15 Minuten – auf dieser Strecke will Fournier vier Weltrekorde brechen: Für den schnellsten freien Fall mit etwa 1500 Stundenkilometern, für den längsten freien Fall von 40 Kilometern, für die größte Absprunghöhe aus den obersten Schichten der Stratosphäre und für die größte Höhe, in die je ein Ballon einen Menschen getragen hat. Gestern sollte Fournier laut Plan mit seinem Ballon bis an die Grenze der Welt aufgestiegen sein. Aber er blieb am Boden, musste aus der wieder Kapsel aussteigen: Starke Windböen haben den Sprung auf heute verschoben. Der Mensch als Komet – das Projekt „Super-Jump“ des Michel Fournier steht und fällt mit seiner Kleidung. Ohne Spezialanzug überlebt niemand den Sturz aus 40 Kilometer Höhe. Fourniers Anzug leistet technisch das Gleiche wie der Hitzeschild einer Raumfähre und die Raumanzüge von Astronauten der „Internationalen Raumstation“. Dabei sitzt er so stramm und so schlüpfrig wie ein Taucheranzug. Der Anzug ist Fourniers Lebensversicherung. Er hält 1700 Grad Celsius vom Körper fern – und bewältigt einen Luftdruck von einem Zehntel des Normaldrucks: Das schafft kein Verkehrsflugzeug. In 18 Kilometer Höhe beginnt die Zone, in der keine Jumbos mehr fliegen können. Schutzlos ausgeliefert, droht dem Menschen hier die Taucherkrankheit: Lungenembolie und giftige Stickstoffbläschen im Gewebe. Um das Blut von Stickstoff zu reinigen, atmet Fournier reinen Sauerstoff. „Wir haben sichergestellt, dass Fourniers Herz so viel Druck aushält“, sagt der Arzt Henri Marotte von der Universität Paris. Was ist das für ein Gefühl, wenn ein Mensch aus dem All fällt, die Zone durchfliegt, in der Kometen verglühen, um dann anschließend die Schallmauer zu durchbrechen? Joe Kittinger weiß es. Im August 1960 stellte der US-Testpilot einen Weltrekord auf: Den Sturz aus 31 Kilometer Höhe. Kittinger trug einen sperrigen Druckanzug, einen Helm mit Funkgerät und Kamera und einen Kasten zur Datenaufzeichnung. Ein Heliumballon brachte ihn auf 31¿332 Meter, von dort ließ er sich aus der Gondel zur Erde fallen. Kittinger stürzte vier Minuten und 36 Sekunden, bis sich bei 5500 Meter der Hauptfallschirm öffnete. Nach zehn Minuten die sichere Landung. Im „National Geographic Magazine“ beschreibt Kittinger den Moment, als er aus dem Ballon springt: Wegen des Vakuums gibt es keinen Fahrtwind. Nichts rüttelt, nichts bewegt sich. Kittinger weiß nicht, ob er fällt oder am Himmel steht. „Verzweifelt, von ganzem Herzen will ich fallen“, schreibt er, „aber es ist, als hätte Gott auf mich geschaut, die Hand ausgestreckt und die Welt, die Zeit, den Raum und alles in ihm zum Stillstand gebracht. Sekunden, Stunden ¿, es gibt keine Zeit.“ Zwischenzeitlich ist Kittinger schneller als ein Jumbo. Fournier sollte ihn an Tempo noch übertreffen – er erreicht mehr als 1500 Stundenkilometer. Er hat in seinem Leben mehr als 8600 Fallschirmsprünge absolviert, für die Esa eine Rettungsgondel für Astronauten konstruiert. Im Jahr 2003 wollte er zuletzt Joe Kittinger hinterherspringen. Doch er scheiterte – das Wetter war zu schlecht.
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