Die Post sahnt ab

  • DREI ZENTIMETER ZU VIEL
    Vinyl-Versender zahlen 166 Prozent mehr

    Von Holger Dambeck


    Dank eBay und florierender Webshops laufen die Geschäfte bei Post und DHL bestens. Trotzdem erhöhte die Post die Preise für bestimmte Warensendungen - Schallplatten-Läden wurden regelrecht überrumpelt. Alles ganz legal, meint die Regulierungsbehörde.

    In diesem Jahr wird die Deutsche Post AG nach eigenen Angaben 100 Millionen Pakete befördern, in denen online bestellte Waren stecken. Hinzu kommen laut Post 30 Millionen Pakete, die eBay-Mitglieder kreuz und quer durch Deutschland schicken und 50 Millionen Briefe, die auf eBay-Auktionen zurückgehen.


    "80 Prozent aller eBay-Versteigerungen werden über die Post oder ihren Paketdienst DHL abgewickelt", sagt Unternehmenssprecher Claus Korfmacher. Das Zusatzgeschäft durch E-Commerce sorge für "zweistellige Zuwachsraten".


    Und die Post zeigt sich innovativ, wenn es um die Probleme ihrer Kunden geht. Der typische eBayer rackert tagsüber im Büro, verhökert vielleicht noch nebenbei überflüssigen Hausrat und hat kaum Zeit, die eBay-Pakete tagsüber zum Postamt zu bringen oder von dort abzuholen. Zu Hause ist er ohnehin kaum.


    Für solche Vielkäufer haben Poststrategen die Packstation entwickelt - eine automatische Paketausgabe, die rund um die Uhr geöffnet ist. Mit Chipkarte und PIN-Code öffnet sich die Schließfachtür. Ist ein Paket angekommen, wird der Empfänger per E-Mail und SMS darüber informiert - so wie es die technikaffine Klientel erwartet.


    150 derartige Paketausgaben sind bereits bundesweit in Betrieb, 100.000 Kunden haben sich registriert und die Chipkarte erhalten. Bis Jahresende will die Post 500 neue Stationen eröffnen, etwa in Hamburg, Berlin und München.


    Bei so vielen positiven Nachrichten fallen punktuelle Preiserhöhungen kaum ins Gewicht, dachte man offenbar bei der Post AG und verringerte im Juli die Packmaße für Warensendungen. Demnach dürfen nur noch Pakete mit maximal 35 Zentimeter Länge, 30 Zentimeter Breite und 15 Zentimeter Höhe zum günstigen Warentarif von 1,53 Euro versandt werden.


    Das bis dahin übliche so genannte Gurtmaß, - Länge, Breite und Höhe zusammen höchstens 90 Zentimeter -, entfiel ersatzlos. Die Folge bekamen Vinyl-Versender schnell zu spüren. Weil Schallplatten etwas größer als 30 mal 30 Zentimeter sind, müssen sie seitdem als Päckchen für 4,10 Euro verschickt werden - eine Preiserhöhung von fast 170 Prozent.


    "Für diese preisgünstige Versandart müssen wir die Größe begrenzen, so dass diese handelbar bleibt", begründet Post-Sprecher Dirk Klasen die Änderung. Durch den zunehmenden Online-Handel habe sich der Anteil großformatiger Sendungen immer mehr erhöht.


    "Die maßlose Preissteigerung ist ein weiterer Sargnagel für die DJ- und Sammler-Szene", schimpfte ein Forumsteilnehmer auf der DJ-Website dmcdeutschland.de. Der Einzelverkauf von Alben und Vinyl-Maxi-Singles über eBay oder andere Plattformen werde damit weitgehend zum Erliegen kommen, fürchtet er.


    Dass es bei Schallplattenverpackungen nur um drei oder vier Zentimeter geht, ist Post-Sprecher Klasen klar. Er meint: "Zentimeter können eine Rolle spielen." Die Post betrachte dabei den gesamten Prozess, den eine Sendung durchlaufe. "Es geht nicht um zwei oder drei, sondern um 70 Millionen Sendungen täglich", betont Klasen.


    Beim Deutschen Verband für Post und Telekommunikation (DVPT) - vormals Verband der Postbenutzer -, glaubt man dieser Argumentation nicht so recht. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die größeren Formate technisch nicht handhabbar sind", sagte DVPT-Vorstand Elmar Müller. "Das scheint mir ein vorgeschobenes Argument zu sein."


    Müller beschwerte sich auch bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) über die "indirekte Preiserhöhung". Doch er blitzte ab. Da der Endpreis nicht verändert wurde, sondern nur die Packmaße, handle es sich nicht um eine genehmigungspflichtige Preiserhöhung - so begründete die RegTP nach seinen Angaben die Ablehnung.


    Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE erklärte RegTP-Sprecherin Linda Sydow, Warensendungen gehörten nicht zum so genannten Universaldienst wie normale Briefe oder Päckchen. "Das heißt, wir haben keinen Einfluss auf die Produktgestaltung."


    Von den neuen Packmaßen sind neben den Schallplattenhändlern auch Kalenderversender betroffen. Für diese beschloss die Post immerhin eine Übergangsregelung bis zum Jahresende, weil die höheren Tarife mit deren bisheriger Kalkulation nicht zusammenpassten. Die Kataloge mit den Preisen waren längst gedruckt und verschickt, als die Post im Juli die neuen Preise für großformatige Sendungen beschloss.


    Doch findige Vinyl-Versender haben mittlerweile einen Weg gefunden, die neuen Packmaße für Warensendungen einzuhalten, obwohl dies auf den ersten Blick gar nicht möglich scheint, weil LPs rund 31 mal 31 Zentimeter messen (und damit einen zu viel). Der Trick besteht darin, die Platten diagonal in einen 35 mal 30 mal 10 Zentimeter großen Karton zu stecken.


    Quelle: www.spiegel.de