Droht eine Zweiklassengesellschaft in der Wissenschaft?

  • Urheberrecht mal von einer anderen Seite aus gesehen ........


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    Droht eine Zweiklassengesellschaft in der Wissenschaft?
    Wissenschaftler kritisieren Referentenentwurf zum neuen Urheberrecht


    Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft sieht in der vorgesehenen Urheberrechtsanpassung für Wissenschaft und Ausbildung große Gefahren. Das Aktionsbündnis befürchtet, dass wie schon durch die erste Anpassung im letzten Jahr, die Funktionsfähigkeit von Wissenschaft und Ausbildung durch Reglementierungen stark eingeschränkt werde.


    Der am 29. September 2004 vorgelegte Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für den zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle enthalte zwar einige auf den ersten Blick positive erscheinende Regelungen für die Bereiche Bildung und Wissenschaft, diese würden aber zugleich so eingeschränkt, dass sie ihre Wirkung verlieren. Vor allem die geplante Neuregelungen der Paragrafen 52b und 53a werden in Wissenschaft und Ausbildung beim Umgang mit Wissen und Information ein Klima des Misstrauens und der Verknappung entstehen lassen, heißt es in einer Presseerklärung.


    Der vor gut einem Jahr eingerichtete Paragraf 52a, der Wissenschaft und Ausbildung in sehr begrenztem Umfang eine Nutzung auch elektronischer, urheberrechtsgeschützter Materialien zusicherte, werde, so sich nichts ändert, zum 31. Dezember 2006 seine Gültigkeit verlieren - noch bevor eine repräsentative Auswertung der Folgen dieses Paragraphen möglich ist. Dieser erlaubt es, kleine Teile eines Werkes und Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung in der Bildung für einen begrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern zu verwenden. Die Forderung nach Streichung oder zumindest nach Verlängerung der Befristung sei im Referentenentwurf unberücksichtigt geblieben.


    Die nun geplante Regelung des Paragrafs 52b, dass die Bibliotheken nun auch elektronische Materialien an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich machen dürfen, klinge zwar zunächst positiv, werde aber durch Paragraf 52b, Satz 2 eingeschränkt. So sollen Bibliotheken nicht mehr Exemplare eines Werkes zugänglich machen dürfen, als im Bestand der Bibliothek vorhanden sind.


    "Wie soll eine Bibliothek gegenüber den wartenden Nutzern begründen, dass sie trotz 10 vorhandener Terminals einen Artikel oder ein Buch gleichzeitig nur an zwei Terminals zugänglich machen darf, weil nur zwei Exemplare durch die Bibliothek angeschafft wurden?", kritisiert das Aktionsbündnis. Der Vorteil der elektronischen Zugänglichmachung werde so ad absurdum geführt und es dränge sich die Frage auf, wie sich die zusätzliche Vergütung an die Urheber rechtfertigen lässt, da das "neue " Recht keinen neuen Sachverhalt darstelle, sondern lediglich den Besitzstand abbilde.


    Besonders realitätsfern sei der neue Paragraf 53a: Eine Dokumentlieferung, wie sie beispielsweise Subito anbietet, sei auf klassische Formen wie Post oder Fax begrenzt. "Die unökonomischen Medienbrüche sind vorprogrammiert - soll ein Wissenschaftler tatsächlich in der Zukunft Daten oder wichtige Textpassagen wieder abtippen müssen, wenn er sie in seiner Arbeit verwenden will", kritisiert das Aktionsbündnis. Das sei insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender temporaler Daten wie Simulationen, Videos oder Animationen problematisch, die im elektronischen Material vorhanden sind. Diese seien schwer per Post oder Fax übermittelbar.


    Auch die vorgesehene Regelung, dass eine elektronische Dokumentversorgung nur noch dann erlaubt sei, wenn die Verlage nicht selber ein Angebot bereitstellen, sieht man kritisch. "Das klingt marktkonform harmlos, ist aber schlicht eine Katastrophe", heißt es weiter. Für Subito bedeute dies das Ende - Wissenschaftler oder Studierende müssten dann nicht länger rund 5,- Euro pro Artikel bezahlen, sondern eher 20,- Euro und mehr.


    Damit drohe eine Zweiklassengesellschaft in der Wissenschaft, zwischen denen, die dank ihrer direkten Wirtschaftsrelevanz bezahlen können und denen, die das nicht können, befürchtet das Aktionsbündnis und fordert "den verhängnisvollen Trend der Informationsverknappung in Wissenschaft und Bildung zu stoppen".


    Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft vertritt die Interessen von derzeit mehr als 40 Wissenschafts- und Ausbildungsinstitutionen, darunter die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die Hochschulrektorenkonferenz, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, der Wissenschaftsrat, die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheks- und Informationsverbände und der Deutsche Bibliotheksverband.



    Weiterführende Links:
    Aktionsbündnis 'Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft'


    Quelle: www.golem.de