Mehr Bachelor- und Masterstudiengänge

  • Bis 2010 soll im Zuge des so genannten Bologna-Prozesses ein europäischer Hochschulraum geschaffen werden. Für die Deutschen bedeutet dies, Abschied zu nehmen von ehrwürdigen Abschlüssen wie Diplom und Magister.


    An ihre Stelle soll ein zweistufiges System treten: Der Bachelor-Studiengang vermittelt zunächst in drei bis vier Jahren wissenschaftliche Grundlagen. Wer beruflich höher hinaus oder in der Forschung arbeiten will, kann dann in ein bis zwei Jahren den Master draufsatteln.


    Die Reform verlief bisher alles andere als reibungslos. Die Wirtschaft warf den Hochschulen vor, an alten Zöpfen festzuhalten. Die Hochschulen dagegen beklagten, dass sich die Unternehmen noch kaum auf die neuen Abschlüsse eingestellt hätten. Doch inzwischen scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Prozess unumkehrbar ist. "Der Prozess hat eine Dynamisierung erfahren", sagt Lars Hüning vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh.


    Für die Umsetzung der Bologna-Beschlüsse sind zunächst die Bundesländer zuständig. "Einige Regierungen machen jetzt ziemlich Druck", sagt Andrea Frank von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Bonn. Während anfangs oft nur spezialisierte Bachelor- und Masterprogramme geschaffen wurden und die alten Studiengänge parallel weiterliefen, setzen inzwischen immer mehr Hochschulen auf eine flächendeckende Umstellung. "Alles andere wäre auch Unsinn", sagt Angela Lindner vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in Essen. "Das würde die Reform unglaubwürdig machen."


    Insgesamt stehen im kommenden Wintersemester nach HRK-Angaben 1253 Bachelor- und 1308 Masterstudiengänge zur Wahl. Allerdings sind erst 500 Studiengänge auch wie vorgeschrieben akkreditiert. "Aber die Lücke schließt sich allmählich", sagt Franz Börsch vom Akkreditierungsrat in Bonn. Bei der Akkreditierung wird geprüft, ob die Angebote den Vorgaben entsprechen, also zum Beispiel modular aufgebaut und mit einem Leistungspunktesystem ausgestattet sind. Wird die Akkreditierung verweigert, was bisher in 26 Fällen geschehen ist, könnte es für Studenten zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Leistungspunkte im Ausland kommen.


    Zu den Studenten liegen keine aktuellen Zahlen vor. Dass sich im Jahr 2002 gerade 6,4 Prozent der Studienanfänger für einen Bachelor- oder Masterstudiengang entschieden, lässt aber auf erhebliche Skepsis schließen. Dafür gibt es gute Gründe: Auch die Wirtschaft schien sich bislang trotz ihres Rufes nach kürzeren Studienzeiten nicht recht für die neuen Abschlüsse erwärmen zu können. In Umfragen wurden vor allem dem Bachelor schlechte Berufsaussichten attestiert. Meist auf drei Jahre angelegt, gilt er vielen Personalern als "Schmalspurstudium".


    Dennoch: Dass den neuen Abschlüssen die Zukunft gehört, steht fest, auch wenn Diplom oder Magister das Jahr 2010 in Einzelfällen überleben könnten. "Es kommt vor allem auf die Hochschule an", sagt Angela Lindner vom Stifterverband. "Wenn die Reformen dort dynamisch umgesetzt werden, also eine Art Aufbruchstimmung herrscht, spricht vieles für Bachelor und Master."

    Unterwegs sein


    das ist es doch
    per pedes per Rad
    per Bahn per Flugzeug
    per Kopf in ferne Zonen
    zu finden was unauffindbar
    jenseits der Grenzen
    deiner selbst

  • Zitat

    gilt er vielen Personalern als "Schmalspurstudium"


    Z.B. in England gibt es das ja schon länger und ich habe immer wieder mitbekommen das dieser Abschluss nicht so gern gesehen ist, "das ist doch kein richtiges Studium" (weil zu kurz) ist die allgemeine Meinung.

  • Zitat

    Original von johnny_cyberpunk
    In Umfragen wurden vor allem dem Bachelor schlechte Berufsaussichten attestiert. Meist auf drei Jahre angelegt, gilt er vielen Personalern als "Schmalspurstudium".


    Das liegt daran, daß vor allem die Deutschen noch keine Ahnung von den neuen Abschlüssen haben und sie nicht einschätzen können. In Amerika schließen über 80 Prozent der Studenten mit dem Bachelor als höchsten Abschluß ab, der alles andere als ein Makel ist - ganz im Gegenteil. Den Master machen dagegen nur wenige, was einerseits an den Kosten liegt und andererseits daran, daß er mehr für Leute gedacht ist, die einen wissenschaftlichen Werdegang in Forschung und Lehre anstreben (sowie für Leute, denen es um das Prestige geht). Sprich: Wer praktisch arbeiten will als was auch immer (sei es nun als Grafikdesigner oder im Finanz-Controlling), der hört in der Regel nach dem Bachelor auf, weil der Master keinen praxisrelevanten Vorteil mehr bringt.


    Daher ist "Schmalspurstudium" (O-Ton deutsche Wirtschaft) der lächerlichste Unsinn, den ich bislang zu diesem Thema gehört habe. Ich gehöre zu den ersten Jahrgängen, die hierzulande nach den neuen Studienordnungen studiert haben, als das Modell 1996-97 erstmals eingeführt wurde (damals noch als Probelauf). Da ich auch BWL auf Diplom und Jura auf Staatsexamen studiert habe, kann ich nur sagen, daß das Bachelor-Studium wesentlich härter und anspruchsvoller ist als die schlafmützigen alten deutschen Studiengänge, denn im Bachelor-Studium werden regelmäßig Klausuren geschrieben und Prüfungen abgehalten (regelmäßig in JEDEM Semester!) und es gibt auch zwischen den Semestern immer wieder Prüfungen, bei denen man nur zweimal (!) antreten darf. Wer auch beim zweiten Mal durchfällt, für den ist das Studium beendet. Und noch etwas: Man kann in dem Studium nichts mehr schlendern lassen oder aufs nächste Jahr verschieben. Es gibt regelrechte "Lehrpläne", die eingehalten werden müssen, genauso wie eine bestimmte Anzahl an Semesterwochenstunden. Ein Bachelor-Studium ist ein Vollzeitjob. Wer jeden Tag nur 4 Stündchen oder so studieren will oder kann, wird die Mindestanzahl an Semesterwochenstunden nicht einhalten können und ist damit auch raus. Auch die Übertretung der Regelstudienzeit ist nach der Bachelor-Studienordnung kaum noch möglich (ein klassisches Langzeitstudium ist somit nicht mehr möglich). Es gibt eine Zwischenprüfung und eine Abschlußprüfung mit mündlicher Prüfung, Klausur und mehrwöchiger Bachelor-Arbeit. Das Bachelor-Studium ist auf 7 (!!) Semester ausgelegt und damit ist es nur 1 Semester kürzer als der alte Diplomstudiengang - von "Schmalspurstudium" kann also wirklich keine Rede sein.



    EDIT:


    Ach ja, ganz untypisch für deutsche Verhältnisse kann man das Bachelor-Studium auch nicht einfach so anfangen oder über die ZVS reinkommen, sondern muß sich VOR Studienbeginn einem Uni-internen Placement-Test und einem Bewerbungsgespräch (!) unterziehen. Es wird also mächtig ausgesiebt beim Bachelor - sowohl vor als auch während des Studiums.

    Revolution? In Amerika gibt es keine Revolution. Wenn uns der Präsident nicht paßt, dann wählen wir eben einen neuen.


    - Bob Andrews in »Die drei ??? und die bedrohte Ranch«

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