Michelin visiert den ersten Sieg in Indianapolis an

  • (F1Total.com) - Seit der Rückkehr der Formel 1 auf den 'Indianapolis Motor Speedway' in der Saison 2000 konnte Michelin in der Heimat des amerikanischen Motorsports bislang noch keinen Sieg einfahren. Diese Serie möchte der französische Reifenhersteller am kommenden Sonntag im fünften Anlauf durchbrechen und damit seine Führungen in der Fahrer- und in der Konstrukteurswertung weiter ausbauen. Nach bislang acht Erfolgen in den bisherigen acht Saisonläufen zählen Michelin und seine Partnerteams auch beim Grand Prix der USA zu den großen Favoriten.


    Der 'Indianapolis Motor Speedway' zeichnet sich vor allem durch seine Kombination zweier gegensätzlicher Charakteristika aus: Der Hochgeschwindigkeitspassage über einen Teil des Ovalkurses steht ein ausgesprochen winkeliges Kurvengeschlängel im Infield gegenüber. Die Fahrer und ihre Ingenieure stehen dabei vor der ausgesprochen schwierigen Aufgabe, den optimalen Setup-Kompromiss zu finden: Vom sonstigen Turn 1 bis zum Ende der Start- und Zielgeraden arbeiten die Zehnzylinder der Formel-1-Monoposti volle 24 Sekunden lang ununterbrochen unter Volllast - länger als auf jeder anderen Grand-Prix-Strecke.


    Kompromiss zwischen Ovalpassage und Infield erforderlich


    Im Sinne einer hohen Endgeschwindigkeit ist dabei eine äußerst flache Stellung der Flügel gefragt. Der daraus resultierende geringe Abtrieb steht allerdings im krassen Gegensatz zu den Anforderungen des Infields, wo es in den langsamen Kurven auf möglichst viel Grip ankommt. "Wenn wir wählen könnten, nähmen wir hohen Abtrieb und gleichzeitig eine hohe Endgeschwindigkeit, aber das ist leider unmöglich", beschreibt Renault-Pilot Fernando Alonso das Dilemma.
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    Bei den zurückliegenden Ausgaben des USA-Grand-Prix neigten die Teams überwiegend dazu, ihre Abstimmung auf den kurvenreichen Abschnitt des 'Indianapolis Motor Speedway' hin auszurichten. "Dabei darfst du es aber nicht übertreiben", relativiert der WM-Führende Alonso. "Deine Abstimmung sollte dir bei aller Konzentration auf das Kurvengeschlängel trotzdem erlauben, auf der Geraden schnell genug zu sein, um aus dem Windschatten heraus Gegner überholen, gleichzeitig aber auch Attacken deiner Kontrahenten parieren zu können."


    Im Rahmen des Setup-Puzzles kommt auf dem "Brickyard" von Indianapolis auch den Reifen eine besondere Bedeutung zu: In der Hochgeschwindigkeitspassage durch die überhöhte Kurve sowie in der Bremszone am Ende der Start- und Zielgeraden ist eine eher steife Reifenkonstruktion für höhere Geschwindigkeiten und Richtungsstabilität gefragt. Die im Infield benötigten Tugenden Grip und Traktion lassen sich hingegen am besten mit einer eher weichen Laufflächenmischung in Kombination mit einer weichen Flanke realisieren.


    "In puncto Rennstrategie rechne ich mit zwei Stopps"


    "Es ist wichtig, einen Reifen zu haben, der die hohen Belastungen in der Steilwand aushält und gleichzeitig bei geringen Geschwindigkeiten ausreichend Grip bietet", fasst Sam Michael, Technischer Direktor von WilliamsF1, zusammen. "Die Reifen für diesen Grand Prix wurden vor zwei Wochen in Europa ausgewählt, nachdem wir im Rahmen unseres Testprogramms mit Michelin an der Mischung gearbeitet haben. In puncto Rennstrategie rechne ich in Indianapolis mit zwei Stopps. Aber wir müssen abwarten, wie sich das Mehrgewicht durch den Kraftstoff auf den Reifenverschleiß auswirkt."


    In puncto Reifenverschleiß sieht Michelin- Sportchef Pierre Dupasquier keinerlei Probleme auf die französischen Pneus zukommen, auch wenn sie durch das geringe Abtriebsniveau der Formel-1-Boliden einen größeren Anteil an Grip liefern müssen: "Die überhöhte Kurve stellt trotz der Last und den hohen Geschwindigkeiten bei weitem nicht so hohe Anforderungen an die Reifen, wie viele vielleicht glauben", erklärt der Franzose. Auf dem rutschigen Streckenbelag des Infields müssen die Teams und Fahrer darauf achten, dass die Traktionskontrolle ein übermäßiges Durchdrehen der Hinterräder wirkungsvoll unterdrückt.


    Auf der langen Geraden bauen sich enorme Temperaturen auf


    "Dennoch", so Dupasquier weiter, "ist Indianapolis eine echte Herausforderung, denn auf der längsten Volllastpassage der Saison müssen die Reifen mehr als 20 Sekunden lang einem gewaltigen Hitzeaufbau widerstehen. Gleichzeitig müssen sie aber im Infield auch maximalen Grip aufbauen. Durch diese konträren Eigenschaften müssen die Teams beim Setup und die Reifenhersteller bei den Gummimischungen einen Kompromiss eingehen. Durch die überhöhte Kurve wird wegen der Zentrifugalkräfte vor allem die linke Seite stärker belastet."


    "Um genau zu sein, beschränkt die Steilkurve das Maximum, das wir mit der Gummimischung riskieren können", so der Franzose. "Wir müssen unsere Reifenwahl darauf, auf den anspruchsvollsten Teil der Strecke, ausrichten. Zu weiche Mischungen wären für die Steilkurve nicht geeignet, aber zu harte Mischungen wären im Infield unbrauchbar, weil man damit nur rutschen würde und damit der Verschleiß enorm wäre. Obendrein ist die Asphaltbeschaffenheit in der Steilkurve sehr rau, was es uns zusätzlich schwierig macht, denn im Infield ist die Fahrbahn genau das Gegenteil."


    Shorrock: "Unsere Partner arbeiten extrem hart"


    Auch Nick Shorrock, Formel-1-Verantwortlicher von Michelin, freut sich auf den US-Grand-Prix: "Unsere Partner arbeiten extrem hart daran, ihre Chassis, Aerodynamikpakete und Motoren weiterzuentwickeln. Für Michelin gibt es mehrere Wochen vor einem Grand Prix ebenfalls ein intensives Testprogramm, um die jeweils richtigen Reifentypen auszuwählen. Das betrifft in erster Linie die Gummimischungen, wenn wir auch manchmal die Konstruktionen testen, um die Haltbarkeit gewährleisten zu können. Den Großteil dieser Tests absolvieren wir intern in Clermont und in unserem Labor in Ladoux, bevor wir gemeinsam mit unseren Partnern an der Teststrecke eine endgültige Entscheidung treffen", sagt er.


    Und weiter: "Diese Tests sind von vitaler Bedeutung für die Rennvorbereitung, weil wir dabei die Reifenwahl auf unsere Partner und ihre Setup-Bedürfnisse maßschneidern können. Das zeigt einmal mehr die Wichtigkeit der Essenz des Wettbewerbs und die verschiedenen Richtungen, in die man entwickeln kann. Jeder unserer Partner hat sein Auto anders entwickelt, und wir müssen unsere Reifenprodukte diesen Anforderungen anpassen", so Shorrock abschließend.