Dank einer Verkettung glücklicher Umstände konnte ich mir das Stück am Freitag (29.August) anschauen.
Im Vorfeld war ich durchaus gespannt, wie man den doch etwas "personalarmen" Roman in ein buntes Musical mit 60 Mitwirkenden verwandeln kann. Das Stück wechselt dann auch zwischen sehr buchnahen Szenen und hinzuerfundenen Episoden hin und her. (Im ersten Teil bleibt der Roman klar erkennbar, im zweiten Teil, als es unter die Erde geht, überwiegen dann die Einschübe bis hin zu reinen Phantasie-Szenen.) So beginnt das Stück mit einer Festveranstaltung, auf der Lidenbrock von Alfred Nobel einen Ehrenpreis für seine Abhandlung über Transzendentale Kristallographie überreicht bekommt und nebenbei das Buch von Snorri Sturluson erhält. Stellenweise ist das Stück bis ins Detail nah an der Vorlage (Zum Teufel mit dem Essen und der Köchin obendrein). Graupen heißt Gretchen und hat eine deutlich aktivere Rolle als im Buch, Axel heißt Alex und bleibt recht blass. Lidenbrocks bei Verne kurz erwähnte "Wortfindungsstörungen" werden im ersten Bild recht ausgiebig verwendet (bei seiner Dankesrede für den Preis von Nobel), danach aber sehr angenehm-sparsam-dosiert eingesetzt. Insgesamt gibt der Lidenbrock-Darsteller eine sehr gute Vorstellung. Parallel zur Handlung erzählt eine Pärchen (herrische Frau und ihr devoter Ehemann) in einem Kaffee einem Herrn, der mit französischem Akzent spricht, Lidenbrocks Erlebnisse (allerdings als ihre eigenen dargestellt). Damit werden "Lücken" zwischen einzelnen Handlungsszenen überbrück und gerade diese Stellen sind sehr dicht an der Vorlage. Woher die beiden die Geschichte kennen, klärt sich zum Schluss auf. Mit der Erwartungshaltung des Publikums betreffs des französischen Herrn, der sich eifrig Notizen macht, erlaubt sich das Stück dann auch noch eine doppelte Wendung.
Fazit: Das Stück pendelt gewissermaßen zwischen absoluter Verne-Treue und absoluter Verne-Ferne hin und her, weiß aber trotzdem über zwei Stunden hinweg gut zu unterhalten und auch für Verne-Puristen gibt es genug "Originaldetails" zu entdecken, um sich über die hinzuerfundenen Stellen hinwegzutrösten.
Das Stück wird seit drei Saisonen am Biedermeierstrand am Schladitzer See gespielt und soll auch nächstes Jahr wieder auf dem Programm stehen. Es gibt ein Begleitbuch mit vielen Hintergründen zur Arbeit an dem Stück und eine CD mit der Musik/den Liedern.
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Am Ende hatte ich auch noch meine eigene "außergewöhnliche Reise". Der Biedermeierstrand am Schladitzer See ist von Leipzig aus per S-Bahn und Bus gut zu erreichen, aber nur bis kurz nach 18.00 Uhr, per Rufbus noch bis 21 Uhr. Danach ist Ruhe. Da das Stück bis 22 Uhr ging, stand dann noch ein 5 bis 6 Kilometer langer Fußmarsch (streckenweise durch die absolute Dunkelheit auf einem Radweg am Schladitzer See) bis zum Bahnhof Rackwitz auf meinen Programm, immer mit der Angst im Nacken, nicht rechtzeitig einzutreffen und den Zug zu verpassen. (Jetzt kann ich nachvollziehen, wie sich Phileas Fogg gefühlt haben muss.
) Ich habe meine "Wette" aber gewonnen, sprich, ich war rechtzeitig am Bahnhof, was aber gar nicht nötig gewesen wäre, da mein Zug dann noch über 20 Minuten Verspätung hatte.