An Bruze, unseren akademischen Rat

  • Frage an den Fachmann: Mein Chef fragt sich schon seit Jahrzehnten, warum im persischen Reich eigentlich aramäisch die Verwaltungssprache war (war sie das? - hätte ich natürlich nicht gewusst :shy: ) - sie hätten ja auch gut persisch , also ihre eigene Muttersprache, nehmen können. Was war da vor 2400 Jahren (?stimmt doch zeitlich - ich hab das jetzt mal so geschätzt :D ) los?
    Weiß nicht, wie wir drauf kamen, aber ich meinte, da könnte ich dich mal fragen, und er meinte, es würde eines seiner "ewigen Rätsel" auflösen. (Manche Leute stellen sich Fragen... :lol: )
    Dann leg mal los, Bruze!

  • ... vielleicht hilft dies weiter:
    Die Aramäer gründeten viele Staaten und Königreiche und konnten sich durch Ihre, in vielen Bereichen hochentwickelte Kultur, gegenüber größeren Völker (z.B. den Babyloniern, Chaldärn, Assyrer) behaupten. Im gesamten Orient, bis hin nach Asien und Indien, dominierten Sie den Handel und hatten viel Einfluss im gesamten Mittelmeerraum. Durch den prosperierenden Handel setzte sich Aramäisch schnell als Handelssprache durch.
    :)

  • Hallo Leo,


    die Frage nach dem "Warum" einer historischen Entwicklung ist nie ganz eindeutig zu beantworten, aber man kann sich natürlich Gedanken über die wahrscheinlichen Gründe machen.


    Schon die Fakten sind ein wenig unübersichtlich. Zunächst einmal gibt es "das" Aramäische nicht, sondern es sind von ca. 1000 v.Chr. bis heute eine große Zahl an aramäischen Sprachen und Dialekten gesprochen und geschrieben worden. Ähnlich, wie es nicht "das" Deutsche gibt, sondern eine Unzahl von lokalen und zeitlichen Varianten an unterschiedlichen Orten und Zeiten. So hat das, was vor sagen wir mal 1500 Jahren von irgendwelchen germanischen Stämmen gesprochen wurde nicht viel mit unserem heutigen Hochdeutsch zu tun, das man in den Nachrichten und im Schulunterricht mitbekommt.


    Einen kleinen Überblick über die Geschichte des Aramäischen findest du z.B. hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Aram%C3%A4ische_Sprache


    Einer dieser Dialekte wurde ungefähr 500 v.Chr. als Amtssprache des westlichen Perserreiches eingeführt und in der folgenden Zeit von Kleinasien bis Ägypten und auch in Mesopotamien als Verwaltungssprache gepflegt. Man muß aber im Blick behalten, daß auch das Persische (in Persien selbst) und das Akkadische (in Mesopotamien) Verwaltungssprachen waren. Das sogenannte "Achämenidische Reichsaramäisch" (die Achämeniden waren die herrschende Dynastie) hatte jedoch gebenüber dem Persischen und auch dem Akkadischen einige Vorteile.


    - Es wurde in einem erheblichen Teil des westlichen Reiches entweder als Muttersprache (syrische Stadtkönigtümer, chaldäische Stämme im Zweistromland usw.) oder als Verkehrssprache schon in den Vorgängerreichen (neuassyrisches Reich) praktiziert; die Perser waren Pragmatiker der Macht, sie haben möglichst viele Strukturen der Vorgängerreiche übernommen und haben auch den eroberten Völkern möglichst viele ihrer Eigenheiten und Gewohnheiten gelassen (sowohl in Verwaltung als auch in religiösen Fragen). Sie wollten nicht ihre eigene Sprache über die Welt verbreiten, sondern sie wollten möglichst reibungsarm die Welt beherrschen.


    - Die Schrift war leicht zu erlernen; es handelte sich um eine konsonantenorientierte Buchstabenschrift von knapp 30 Zeichen, für die ich meinen Schülern im Hebräischkurs im Prinzip einen Tag Zeit gebe (das Hebräische verwendet auch die aramäische Quadratschrift). Ganz anders z.B. die akkadische Keilschrift, für deren Studium man viele Jahre benötigt und die im Grunde nur voll ausgebildete Schreiber beherrschten. So ein Aufwand ist unökonomisch. Die altpersische Schriftsprache wiederrum wurde auch von den Persern selbst hauptsächlich für Monumentalinschriften verwendet.


    - Das Aramäische als Sprache ist ebenfalls nicht allzu kompliziert. Für Sprecher von verwandten (semitischen) Sprachen war es sicher ebenso leicht zu erlernen wie für uns heute Norwegisch oder Englisch. Das Persische war dagegen keine semitische Sprache, was die Akzeptanz in den eroberten Gebieten sicherlich nicht erhöht hätte.


    Kurz: Die Perser waren pragmatisch genug, für ihr Weltreich eine möglichst einfache Lösung der Sprachfrage einzuführen. Der Effekt war unter anderem, daß aramäische Inschriften von Kleinasien bis zum Indus und vom Iran bis nach Ägypten bezeugt sind.


    Ich hoffe, das beantwortet die Frage in kurzen Zügen.


    Viele Grüße auch an deinen Chef :-)


    Gruß
    Bruze

  • Oh, das war ja schon sehr ausführlich, dickes :kiss: und :danke:
    Wenn es seitens eines Chefs Fragen geben sollte, weiß ich, wo ich dich finde... :D


    Die Schrift zu lernen ist also nicht schwer, sagst du? :hm: Ich hab ja einen kleinen Faible für Typografie und finde andere Schriften immer hochinteressant - aber leider kann ich nichts als unsere "nette" römische Schrift und kyrillisch lesen - schade eigentlich. Bin auch am autodidaktischen versuch gescheitert, griechisch zu lernen - da braucht man wohl jemanden, der einem das Zeigt. Hast du nicht Lust, uns hier im Board weiterzubilden und uns was beizubringen? Aber nur, wenn noch wer anders mitmacht...

  • Zitat

    Original von leocat
    Oh, das war ja schon sehr ausführlich, dickes :kiss: und :danke:
    Wenn es seitens eines Chefs Fragen geben sollte, weiß ich, wo ich dich finde... :D


    Die Schrift zu lernen ist also nicht schwer, sagst du? :hm: Ich hab ja einen kleinen Faible für Typografie und finde andere Schriften immer hochinteressant - aber leider kann ich nichts als unsere "nette" römische Schrift und kyrillisch lesen - schade eigentlich. Bin auch am autodidaktischen versuch gescheitert, griechisch zu lernen - da braucht man wohl jemanden, der einem das Zeigt. Hast du nicht Lust, uns hier im Board weiterzubilden und uns was beizubringen? Aber nur, wenn noch wer anders mitmacht...


    Hallo Leo,


    auch wenn mir das Unterrichten an sich großen Spaß macht, hätte ich in meiner Freizeit eigentlich nicht so richtig Lust, dasselbe zu machen wie auf der Arbeit ;)


    Die alten Sprachen autodidaktisch zu lernen, ist tatsächlich nicht so ganz einfach und es erfordert große Disziplin und einen eisernen Willen. Ich kenne eigentlich nur einen, der in dieser Hinsicht erfolgreich ist.


    Denn mit der Schrift ist es ja nicht getan, sondern dann fängt die eigentliche Arbeit erst an. Ich hatte es auch in der Oberstufe mal alleine mit Altgriechisch probiert, bin aber auch schon nach einigen Lektionen steckengeblieben. Erst an der Uni hat es dann geklappt.


    Doch der Zeitaufwand ist ganz erheblich: Für solide Grundkenntnisse des Biblisch-Hebräischen braucht man 1 Semester (also ca. 15 Wochen) bei ganzem Einsatz, so jeden Tag 6-8 Stunden. Griechisch zieht sich sogar über zwei Semester.