Ingmar Bergman ist tot

  • Als die berühmtesten Filmregisseure der Welt beim 50. Filmfestival in Cannes den "größten Filmregisseur aller Zeiten" wählen sollten, waren sie sich schnell einig: Der Schwede Ingmar Bergman wurde von Kollegen wie Martin Scorsese, Woody Allen, Robert Altman, Francis Ford Coppola, Akira Kurosawa und Wim Wenders auf den Schild gehoben und erhielt die "Palme der Palmen".
    Bergman ist im Alter von 89 Jahren in seinem Haus auf der Ostseeinsel Fårö gestorben. Über den innersten Kern seiner Filmarbeit sagte er selbst einmal: "Ich weiß, dass wir mit Hilfe des Films in bisher nie gesehene Welten eindringen können. In Wirklichkeiten außerhalb der Wirklichkeit."




    Auch für die große Ehrung 1997 wollte der am 14. Juli 1918 geborene Pastorensohn aus Uppsala sein Domizil auf der kleinen Ostseeinsel Fårö nicht verlassen. Er schickte, auch mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein, seine ehemalige Gefährtin Liv Ullmann nach Cannes im fernen Südfrankreich.
    Auf Fårö vor der Nordspitze von Gotland hat Bergman die letzten Jahrzehnte in völliger Zurückgezogenheit gelebt. Hier sah sich der Schöpfer von "Das Schweigen", "Szenen einer Ehe", "Fanny und Alexander" und anderen Welterfolgen in seinem Heimkino täglich Filme an, schrieb bis zuletzt Texte für Bücher und für sich selbst, empfing Besuch von seiner nach fünf Ehen und acht Kindern weit verzweigten Familie.


    Oh Gott, in dem Film werde ich dann demnächst mitspielen



    Auch seinen Abschied von der Filmarbeit zelebrierte Bergman hier, als er 2003 mit alten Weggefährten seinen endgültig letzten Spielfilm "Sarabande" drehte, die Fortsetzungsgeschichte von "Szenen einer Ehe" (1973). Ullmann spielte wie auch ihr damalige Partner Erland Josephson dreißig Jahre zuvor die Hauptrolle und meinte danach: "Die Art, wie Bergman am letzten Tag war und sich verabschiedet hat, das war nicht nur ein Abschied, weil der Film abgedreht war. Er verabschiedete sich in einer Weise, dass ich wusste, er wollte sagen, nun habe ich das letzte Mal einen Filmset als Regisseur verlassen."
    Wie es früher gewesen war, als der Schwede in Filmen wie "Lächeln einer Sommernacht" (1955), "Jungfrauenquelle" (1959) oder "Persona" (1966) traumatische Kindheitserlebnisse zu höchst schmerzhaften Leinwanderlebnissen über Verlassenheit, Schuld und Sühne verarbeitete, beschreibt Ullmann so: "Beim Frühstück hat er mir seinen letzten Albtraum erzählt. Ich dachte, oh Gott, in dem Film werde ich dann demnächst mitspielen."
    Bergmans Filme wurden vor allem in sechziger Jahren zum Inbegriff von - vergeblicher - Suche nach Sinn im Leben, Vergebung und göttlicher Gnade. Der unvergleichliche Sinn des Schweden für eindrückliche Bilder in Schwarzweiß machte dabei zunächst weit weniger Schlagzeilen als für die damalige Zeit "unglaublich gewagte" Sexszenen.


    Kapitalistisches Freudenhaus



    Der Schweden wurde weltberühmt, nahm Oscars in Empfang, liierte sich gerne mit schönen Schauspielerinnen und wurde im eigenen Land immer mehr zu einer Art unangreifbarem Kulturpapst. Das Stockholmer Nationaltheater Dramaten leitete er nach Meinung seines Dramatikerkollegen Lars Norén wie der "despotische Chef eines kapitalistischen Freudenhauses".
    Bergman ist Streit nie aus dem Weg gegangen. Als ihn Polizisten wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung 1976 aus einer Theaterprobe heraus zeitweise festnahmen, verließ der weltberühmte Regisseur sein Land unter lautem Protest und ließ sich einige Jahre in München nieder. Großen künstlerischen Erfolg allerdings hatte er dann erst wieder nach seiner Rückkehr in die Heimat mit dem großen Familienepos "Fanny und Alexander" 1983, der ihm noch mal einen Oscar einbrachte.


    Beleidigt und misshandelt



    Danach war, bis auf "Sarabande", Schluss mit der Filmarbeit. Bergman inszenierte weiter fleißig im Dramaten, schrieb viel und mischte sich von Fårö aus immer mal wieder munter ein. Etwa, als er eine Gerichtsklage gegen Werbeunterbrechungen im Fernsehen unterstützte: "Wenn ein Film im TV von Empfehlungen für Mahlzeiten, Motorräder und Damenbinden unterbrochen wird, gerate ich in Zorn, mein Blutdruck steigt, und mich trifft ein emotionaler Schock. Ich fühle mich beleidigt und misshandelt."
    Bergman berichtete als sehr hager gewordener und zu Tränen neigender alter Herr mit klarem Verstand, er sehe sich in seinem legendären Privatkino am liebsten alte Filme an. "Meinen Kindern schmeckt das überhaupt nicht, wenn sie zu mir zu Besuch kommen. Die wollen lieber den letzten Streifen von Clint Eastwood sehen." (Thomas Borchert, dpa)


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